Der Rischebach in Straach und Nudersdorf
Quellgebiet des Rischebachs
Seit Urzeiten befindet sich meine Quelle auf der Höhe des Flämings, an der anhaltinisch-preußischen Grenze auf dem Grundstück des Fleischermeisters Wilhelm Schwarze – Straach.
Der vier Meter breite Grenzstreifen war noch vor nicht langer Zeit mit Schwarzdorn- und Rosensträuchern dicht bewachsen.
Meister Franz Schwarze ließ meinen Quellbrunnen mit großen Natursteinen einfassen und ihn der Sicherheit halber mit einem starken Holzbelag zudecken.
Das Gelände, welches ich durchfließe, mein Niederschlagsgebiet, war ehemals, noch bis in die fünfziger Jahre des 18. Jahrhunderts hinein, ein ungeheurer Sumpf, der seit Jahrtausenden das ganze Erdreich mit seinen modernden Pflanzenresten, namentlich Binsen, in Torfmoore verwandelte und von einer schrankenlos üppigen,
nie gelichteten Vegetation bedeckt war.
In Norddeutschland bezeichnet man heute noch die Binse mit Rische, (Rauschen) daher mein Name.
Ein bekannter Schriftsteller bezeichnete mich in einem seiner Romane mit dem mitteldeutschen Namen Reute – (Reete).
Der Rischebach durchquert den „Birkenbusch“ zwischen
Nudersdorf und Reinsdorf.
Weiterer Verlauf in Reinsdorf und Wittenberg
In Reinsdorf nehme ich den in Thießen entspringenden
Krähebach und die Löbigkbäche auf.
Kurz vor meiner Mündung in den „Streng“ vereinige ich mich
mit der Piestritz, von Pystra (Fließ, Bach), die von Reinsdorf
aus dem „Vordersten Sieb“ kommt. Ums Jahr 1320 wurde ich
nach Wittenberg geleitet zum Antrieb der fürstlichen Mühle.
Die Anlieger mussten von dieser Zeit an Wasserzins zahlen.
Wohl seit dieser Zeit sind auch der Faule und Trajuhner Bach
durch die Stadt geleitet worden. An der Furt, nahe dem
städtischen Elektrizitätswerk, treten wir vereinigt zutage
und fließen in die Elbe.
Der Rischebach in Straach
Ganz in der Nähe meiner Quelle entstand eine Ansiedlung,
das heutige Straach – früher Straucha, benannt wegen des
vielen Strauchwerks, das sich hier vorfand.
Über die Gründung des Ortes kann ich hier leider nichts
Genaues berichten. Es ist aber wohl anzunehmen, dass
Albrecht der Bär 1150 hier deutsche Bauern ansiedelte,
wie das um diese Zeit, urkundlich nachweisbar, in
benachbarten Orten geschehen ist …
Über Straach selbst weiß ich viel zu berichten, hier will ich nur einiges anführen. Im Jahre 1820 hatte Straach 6 Bauernhöfe,
einen Kossätenhof und eine außerhalb des Dorfes liegende
Mühle. Die Straße nach Nudersdorf bog an der heutigen
Molkerei nach links ab, führte an dem Höhenrücken entlang
bis kurz vor Nudersdorf. Das änderte sich mit dem Bau der gradlinigen Chaussee 1867-68.
Mit sieben Meter Gefälle hielt ich die von Müller Gottfried
Rückert erbaute Wassermühle in Betrieb.
Der Nachfolger von Rückert war Christoph Bölke.
Die Mühle wurde später neu erbaut und vergrößert durch
Friedrich Bölke im Jahre 1860.
Dessen Sohn Karl legte im Jahre 1898 Dampfkraft an.
Der jetzige Besitzer ist der Schwiegersohn des verstorbenen
Karl Bölke, Artur Buro aus Medewitz, welcher außer der Wasserkraft Dieselmotoren in Betrieb hat.
Ich plätschere durch Nudersdorf
Die Nudersdorfer Mühle, die so genannte „große Mühle“ im
Dorfe, ist angelegt von August Freiherr von Leyser 1720,
erneuert wurde sie im Jahre 1776.
Die bei der Erbauung des Schlosses mit angelegte Mahl- und Schneidermühle ist 1911 eingegangen.
Im Jahre 1795 kamen beide Mühlengrundstücke durch Erbpachtkontrakt in Erbpacht an den Müller Johann
Christoph Dressler. Dieser erbaute 1816 den Gasthof zur
„Grünen Birke“, und zwar einstöckig.
Damit verschwand das alte ehemalige Forsthaus im nahen
Garten; nur der überdachte Keller ist geblieben. Der spätere langjährige Besitzer des Gasthofes, Wilhelm Falkenberg,
ließ das Haus mit Saal so herrichten, wie es sich heute
präsentiert.
Die Nudersdorfer Mühle am Rischebach
Von Dreßler erwarb der Müller Leberecht Koch die
„Große Mühle“ käuflich im Jahre 1816. Langjähriger Besitzer
nach ihm war die Familie Lehmann, lauter große, kräftige Gestalten. Diese Mahl- und Schneidemühle ist seit dem 28. Juni 1911 im Besitz des Müllermeisters Ernst Bölke, der sie im Zwangsversteigerungstermin für 27400 RM erstand.
Sein Sohn Ernst und dessen Schwiegersohn Gerhard Noak
sind jetzt im Betriebe tätig.
Der Rischebach plaudert über Nudersdorfer Geheimnisse
Von dem sehr vielen, was ich urkundlich von Nudersdorf berichte, will ich nur einiges weitererzählen: Als der Besitzer des Rittergutes, von Watzdorf, auf einer Reise plötzlich starb, wurde das Gut von der Vormundschaft verkauft an den Pächter Meyer für 38.000 Taler. An demselben Tage verkaufte dieser das Gut mit gutem Profit an den anhaltinischen Amtmann Johann Pfau im Jahre 1830.
Nach ungefähr 6 Monaten verkaufte dieser das Gut wieder durch Vermittlung seines Pächters Luther an dessen Bruder.
Nun sind die Gebrüder Doktor der Medizin Gustav und Karl Wilhelm Luther, beide aus Dublin in Irland, Besitzer.
Sie ließen nun das letzte Holz fällen.
Zwei Holzschläge, von der Straacher Grenze bis zur Chaussee,
an meinen beiden Ufern für 20.000 Taler, vor der Chaussee links
bis zum Eichberg 16.000 Taler und eine andere Strecke für 3.000 Taler. Auch wurde der ganze Eichberg und Papiermachergrund niedergelegt, so dass aus dem Holzreichtum allein die ganze Kaufsumme herauskam.
Auch verkauften sie Baustellen und kleine Gesindehäuser an die Einwohner von Nudersdorf, das im Jahre 1885 als Kolonie, Ort für sich, 31 Wohnhäuser und 275 Einwohner aufwies. Auf dem Gute lebten 14 Bewohner.
Der ganze Verdienst wurde aber durch den Bau eines Badehauses verschlungen. Dieser großartige, dreistöckige, aus roten Kunststeinen errichtete Bau stand unweit des Schlosses im Park an meinem linken Ufer; daneben standen die Wirtschaftsgebäude mit dem großen Speisesaal. Es war in den Jahren 1853 – 1855.
In dem „Femengrund“ wurde eine stark schwefelhaltige Quelle entdeckt. Sie wurde eingefasst und das Wasser in Röhren nach dem Badehause geleitet. Das Bad wurde bekannt und hatte von Jahr zu Jahr sich mehrenden Besuch.
Wie gern haben die Badegäste unter den schattigen Bäumen an meinen Ufern gesessen und den lieblichen Weisen der Badekapelle gelauscht – bis es in der Zeit der Aktiengesellschaft wegen der Ziegelei und des Kohlebergbaus vernachlässigt, einging.
Eine Zeitlang wurde das heilsame Wasser nach Berlin gebracht,
dort in Flaschen gefüllt und verkauft.
Textquelle:
Zwanglose Blätter für die Heimatkunde, Januar 1934,
Herausgeber Richard Erfurth.
gekürzt: Elke Hurdelbrink