Der Jugendwerkhof II „Ernst Thälmann“

Der Jugenswerkhof II „Ernst Thälmann“

Auszug aus der Erinnerung des Erwin Präger.

Etwa 1970 vereinigten sich die LPG Pionier mit der LPG Wiesigk. Der Wiesigker LPG-Vor­sitzende wurde unser Parteisekretär. Da aber diese Tätigkeit für ein hohes Gehalt allein nicht ausreichte, übernahm er noch die Geflügelproduktion und ich (Erwin Präger) ging als Viehpfleger in die Broilerproduktion zurück. Es ging nicht lange gut. Durch fehlenden Sachverstand des Parteisekretärs erlitten unsere Bestände sehr hohe Verluste. Ich wurde wieder Brigadier und der Genosse bekam von der Partei in einem staatlichen Betrieb einen Posten übertragen.

Mit der LPG Wiesigk wurde uns auch die Außenstelle Antoniusmühle des Jugendwerkhofes II angeschlossen. Je nach Belegung hatten wir etwa 15 Jugendliche einzusetzen und auszubilden. Da ich dafür verantwortlich wurde, bekam ich einen Eindruck über das Leben in einem Jugendwerkhof.

Die soziale Herkunft der Jugendlichen war unterschiedlich. Sie kamen aus zerrütteten Familien ebenso wie von Eltern hochrangiger Funktionäre, die für die Erziehung ihrer Kinder keine Zeit hatten. Einzelne der Jungen konnte man als schwer kriminell bezeichnen, andere waren zunächst harmlos aber in der Zeit ihres Aufenthaltes wurden viele zu Profis. Von Erfolgen der Erziehungsmaßnahmen seitens des Werkhofes war wenig zu erkennen. Ausbrüche, Einbrüche und Diebstähle waren an der Tagesordnung. Angst oder Respekt vor den Strafmaßnamen des Werkhofes hatten die Jugendlichen nicht. Einzig und allein vor dem „Geschlossenen Werkhof“ in Torgau hatten sie Respekt.

Einmal sollten nach der Mittagspause von 2 Werkhofjungen Baumaterialien aufgeladen werden. Der verantwortliche Brigadier war aber noch nicht da und wir hatten keinen Schlüssel für das Vorhängeschloss. Daraufhin sagte der Vorsitzende spaßhaft zu den Jugendlichen: „Nun zeigt doch einmal was ihr könnt“. Einer der Beiden fragte noch einmal zurück: „Soll ich wirklich ?“ Als der Vorsitzende „Ja“ sagte, drehte er uns den Rücken zu und stellte sich vor das Schloss. Nach wenigen Sekunden drückte er dem Vorsitzenden das geöffnete Schloss in die Hand.

Ich denke oft daran wenn viele unserer Politiker, Beamten und Journalisten von unserem Rechtsstaat reden. Ehe sie den Mund aufreißen, sollten sie mal ein Jahr an der Basis im dortigen Umfeld arbeiten. Dann bekämen wir vielleicht mal Gesetze mit denen man die Kriminellen nicht laufen lässt, anstatt einzusperren, und erspart den Polizisten, denen mal die Hand ausgerutscht ist, ein Strafverfahren.

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