Es ist alles schon mal dagewesen, sagt der große
Zauberer Ben Ali Bei.
Es war damals, als das Land durch Kriege ausgeraubt, die Geldknappheit den Handel lahmte, die Felder verödeten, die Bewohner ausstarben.
Da holte der alte Fritze die Völker Europas als Siedler ins Land. Sie brachten neue Arbeitsmethoden, neue Pflanzen, neue Maschinen, leistungsfähiges Vieh und eine vorwärtsdrängende Arbeitskraft mit.
Für unsere engere Heimat wurden die Flamen eingesetzt und man nannte den Höhenzug zwischen Treuenbrietzen und Wittenberg den Fläming.
Er beginnt hinter Blönsdorf und fällt bei Coswig in die Elbe.
Sein höchstes Dorf ist Senst, von wo aus man den Hohen Fläming mit der Wiesenburg, den Rabenstein usw. sowie die weiten Flächen
des flachen Flämings überblickt.
Die Flamen brachen das Land zwei Spatenstich tief auf, brachten den verunkrauteten Oberboden nach unten und besäten den ausgeruhten Unterboden.
(Heute sagt man noch holländern.)
Hierdurch wurde der Fläming zur Kornkammer Mitteldeutschlands. Das Flamländer Milchvieh stand hoch über dem Vieh der Elbaue, und die Pferdezucht, Fuchs mit weißem Behang war Spezialität. Dasselbe war der Anbau des Flachses, der in extra Märkten in Wittenberg nach Steinen verkauft wurde.
Die leicht erkennbaren Flamländer Planwagen kamen schon einen
Tag vorher wegen Beschaffung des Quartiers. Sie brachten nicht nur Flachs, Wolle und Honig mit, sondern auch die Flämingsjugend in ihrer Tracht.
In allen Sälen war Tanz, und manches Pferd und manches Mädel, was im Zahnaer Heiratsmarkt übrigblieb, wurde dabei verhandelt. Hierdurch entstand ein freundschaftlicher Verkehr zwischen dem Fläming über Wittenberg zur Elbaue.
Zu erwähnen ist die große Gastfreundschaft der Flämingsbauern. Ihre dreitägigen Feste, besonders die Fastnachten, durften nicht übersehen werden.
Wir Kinder fuhren mit, um uns mit den Flämingskindern anzufreunden.
Bepackt mit Klemmkuchen, der aus Mehl und Eiern mit einer zweiteiligen eisernen wappengeschmückten Familienform gebacken war, kehrten wir zurück.
Dafür verlangte der Fläming Dienst am Kunden in allen LebensIagen, Verschwiegenheit und allerbeste Ware.
Auch die Kaufleute und Gastwirte der Dörfer kauften zum Flachsmarkt in Wittenberg ein, um die Fracht zu sparen.
Am ersten Markttag wurden die Wagen nebeneinander in der Collegienstraße aufgefahren. Die Stangen lagen unter dem Wagen, die Planen waren aufgeklappt.
Anhalt und Sachsen, während Mutter mit den Töchtern das Geld in den Wittenberger Geschäften ausgab.
So war es schon beim alten Fritze und so endete es vor dem ersten Weltkrieg 1914.
Aus der Zwischenzeit wollen wir feststellen, wie sich die Wittenberger Geschäftswelt zum Flachsmarkt hervortut.
Wir nehmen uns einen Band des Wittenberger Kreisblattes von 1847/48 vor, weil die damalige Zeit der heutigen ähnelt.
Dort lesen wir:
Aus Anlaß des am 17. und 18. d.Mts hier stattfindenden Flachsmarktes und der damit verbundenen Feuersgefahr wird das Tabak- und Zigarrenrauchen an diesen beiden Tagen auf allen Straßen und öffentlichen Plätzen der hiesigen Stadt bei 2 Thaler Polizeistrafe, welche im Unvermögensfalle dreitägiges Gefängnis substituiert wird, hierdurch untersagt, was zur
Warnung des Publikums bekanntgemacht wird.
Wittenberg, den 7.Oktober 1847
Der Magistrat
***
Anhang der Getreidepreise für Oktober 1847:
– Weizen 2 Thlr 29 Sgr.
– Roggen 2 Thlr
– Gerste 1 Thlr 25 Sgr
– Hafer 1 Thlr 6 Sgr.
– 1 Pfund Butter 6 Sgr 3 Pfg
– 1 Mandel Eier 4 Sgr 6 Pfg –
– 1 Mandel Käse 10 Sgr.
Ferner lesen wir:
Eine gesunde Amme kann sich melden bei Petzold, Collegienstraße.
Soeben ist erschienen und bei Buchbinder Prätorius in Wittenberg zu haben:
Gründliche praktische Anweisung zur Erbauung gesunder, reichhaltigen Ertrag liefernder Kartoffeln sowie den nützlichen Gebrauch dieses umfassenden Bedürfnissen anliegend.
Preis 2 ½ Sgr.
Von heut ab verkaufe ich das
– 1 Pfund Rindfleisch zu 3 ½ Sgr.
– Schweinefleisch 4 Sgr,
– Hammel 2 Sgr 6 Pfg.
Trabitz, Collegiengasse 59.
Hinze im „Grauen Wolf“ ladet zu Pökelknochen ein.
Heinrich auf dem Schießhaus Klein-Wittenberg,
Sichlers Garten,
Kölling auf dem Weinberg, Scheinig in Friedrichstadt,
Brecht in Stadt Dresden an beiden Markttagen Tanz!
Im Maynertschen Saal Konzert der Militärkapelle.
Die Wittenberger Kaufleute bieten ihre Ware an, z.B .: Schreib-,
Notiz-, Terminkalender für 1848 empfiehlt die Zimmermannsche
Buchhandlung.
Fertige neue Betten empfiehlt I.G. Lüdicke.
Die zum Ausrangieren bestimmten Pferde der unterzeichneten Ab-
teilung werden am 18. d.Mts. 12 Uhr auf dem Arsenalplatz ver-
steigert. II. Abt. 3. Art. Brigade.
Einem geehrten Publikum die ergebene Anzeige, daß ich von
jetzt ab bei Sattlermeister Lehmann in der Schloßgasse wohne
und empfehle mein Lager von verschiedenen Sorten Tuch und Buchskin bei billigsten Preisen,
August Holtzhausen.
Ganz feine und wasserdichte Filz- und Seiden-Herrenhüte, einfarbige und bundgemusterte Filzschuhe empfiehlt Traugott Naumann,
Ein einspänniger Leiterwagen mit Eisenachsen steht billig beim
Hutmacher.
Verkauf, Stellmacher Gresse, wohnhaft im Hause des Posthalters
Lösche.
Eine Kahnladung Äpfel steht an der neuen Elbbrücke billig zum
Verkauf.
– Beste Elbinger Neunaugen,
– Echten Emmenthaler Käse,
– frische westfälische Butter,
– Sardellen,
– Kapern,
– Mostrich,
-Punsch,
– Arak,
– Rum,
– feinste Tees und Vanille zu billigen Preisen bei
M.H. Merker, Markt.
– Große Messina-Apfelsinen,
– ausgezeichneten Rheinlachs,
– Sardellen,
– Anchovis,
– marinierte Heringe,
– russischen Kaviar,
– feinste Zervelatwurst,
– Pommeranzen,
– Zitronen,
– Oliven,
– Maronen,
– Feigen, Datteln, Nüsse, Prünellen und Pflaumen bei
W. Gehricke.
Neue Pianoforte stehen zum Verkauf bei Steglich, Instrumentenmacher.
Die neuesten Leipziger und Berliner Moden offeriert Trautmann.
Einem geehrten Publikum empfehle ich meine selbstgefertigten
Möbel. Eine Auswahl gepolsterter Sofas von 8 Thlr an, ist stets
zu haben bei
Karl Krüger in der Apotheke.
Ein Kinderwagen, mit Eisen beschlagen, steht zum Verkauf bei
Karl Mühlpfordt.
Gutes Pökel-Schweinefleisch, a Pfund 4 Sgr. wie auch ganz
vorzügliches Ochsenfleisch von dem Kamerad des vorigen Ochsen
empfiehlt Friedrich Trabitz, Collegienstraße 59.
Ballroben in allen Farben bei Louis Dulius.
Hyazinthen, Tulpen, Krokuszwiebeln empfiehlt M. Sichler.
Täglich von 8 Uhr warmer Speckkuchen bei F. Dorno, Collegien-
gasse 999.
Im Laufe der Woche ist bei der hiesigen Schneidemühle ein fremder Hammel eingefangen.
Er trägt folgende Abzeichen: Einen Stutz mit Krapp im Ohr und roten Strich auf dem Kreuz. Der Eigentümer soll ihn bald abholen. Die Polizeibehörde.
Den Einwohnern der Schloßvorstadt, deren Kinder die neue Schule besuchen, wird angezeigt, daß der Gärtner Grob das Schulgeld für jeden verflossenen Monat, also das erste Mal am 7. November 1847 einzunehmen bereit ist.
Es beträgt für jedes Kind 1 Sgr 3 Pfg.
Die Einmieter können es auch in wöchentlichen Raten entrichten. Der Schulvorstand der Schloßvorstadt.
Bescheidene Anfrage: Welchen Weg hat eine Dame, die mit dem
letzten Zug ankommt, einzuschlagen, um ungeachtet ihrer Ehre
vom Bahnhof zur Steinbrücke zu gelangen?
Bescheidene Antwort der Redaktion:
Am sichersten ist es: Die Dame fährt mit der Post und geht die kurze Strecke zu Fuß. Origineller ist es aber, in männlicher Begleitung den Feldweg nach Klein-Wittenberg einzuschlagen und sich die Chaussee entlang bis zur Steinbrücke führen zu lassen.
Wohnveränderung:
Daß ich gegenwärtig am Markt bei Herrn Bulius 3 Treppen hoch wohne. Der Klingelzug befindet sich am Torweg. Ich bin gesonnen, einen Lehrkursus zu eröffnen, wobei ein vierzehntouriger Polka eingeübt wird.
Ergebenst L. Krebs, Tanzlehrer.
Eingesandt gegen Branntwein:
Es ist ein Feind, ein Verderber
im Land! Sein Name?
Er ist euch allen bekannt!
Der Mörder,
der Räuber, der Feind im Land,
das ist der Schnaps, den Schnaps,
den verdammt!
Wie scharf sich die auswärtige Konkurrenz einsetzte, ersehen wir aus den fremden Annoncen zu dem Flachsmarkt:
Die Schnürleiberfabrik der Witwe Steinhausen aus Zerbst empfiehlt zum Flachsmarkt gutsitzende Schnürleiber. Ihr Stand ist in de ersten Budenreihe.
D. Sarges aus Magdeburg besucht den Markt mit Riesenauswahl
von Glacehandschuhen, Haarfärbemitteln und Kämmen.
Der Stand ist im Hause Dr. Thoma, parterre, linker Hand.
Zum bevorstehenden Markt empfiehlt sich die Schnitt- und Modewarenhandlung von I. Cohn aus Berlin.
Das Warenlager ist in der großen Bude dem Hause des Herrn Gröting vis-å-vis.
Das große billige Kattunlager von B.M.Blumenthal aus Wörlitz bezieht den Flachsmarkt mit großer Auswahl.
Verkaufslokal ist
m Hause des Sattlermeisters Eichhorn, am Markt, parterre.
Pulsnitzer Pfefferkuchen eigener Fabrik, Stand ist in der
ersten Budenreihe dem Kaufmann Steinert gegenüber.
Schokoladenfabrik von Karl Dornfeld, Magdeburg, empfiehlt
Schokolade, Bonbon und andere Artikel.
Der Stand trägt obige Firma.
Zum Markt empfehle mein Tuchlage und bemerke, daß ich eine
schöne Auswahl Stoffe zu Röcken und Westen erhalten habe.
C.G.Holtzhausen, Bude in der mittleren Tuchreihe.
Bettfedernverkauf durch Wilhelm Boost, Gürtler und Broncearbeiter.
Ganz fein gerissene Bettfedern und Daunen sind stets vorrätig im Hause der Frau Leuchtenberger in der Mittelgasse und werden zu folgenden Preisen verkauft:
Als A Pfund 10, 13 ¼ 17 ½und 20 Sgr
– Daunen a Pfund 27 ½ Sgr und 1 Thlr 5 Sgr.
Joseph Poschl, Händler aus Böhmen.
Die erste und anerkannte größte Damenmäntelfabrik der Königl.
Residenz Berlin bringt Damenmäntel in den schwersten seidenen
und wollenen Stoffen, daß jeder Käufer zufriedengestellt wird.
Verkaufslokal im Gasthof „Zum schwarzen Bär“, Schloßgasse.
Am 25. d.Mts. treffen 2 Möbelwagen hier ein, die gern gegen billige Fracht Ladung nach Berlin haben möchten ..
Bourzutschky und Sohn.
Dies alles zeigt uns die ungeheure Kraft der freien Weltwirtschaft zu einer Zeit, die zur Revolution von 1848 führte.
Es ist nach dem Kriege 1870 noch schlimmer geworden.
5 Milliarden Kriegskosten schickte uns Frankreich, und die übrigen Staaten der Welt gaben Deutschland 12 Monate und mehr Kredit.
Es folgten die Gründerjahre 1880.
Alles arbeitete fieberhaft, die Lager füllten sich und die Preise sanken, trotzdem von 1890 ab jährlich 2 Flachsmärkte stattfanden (Oktober und Dezember), war Flachs nicht mehr abzusetzen.
Die Käufer blieben aus, die Schiffe luden Flachs, Wolle, Tabak in Obersee als Ballast.
Der Fläming stellt sich auf Korn um, das Geschäft war aus.
Durch die Wirtschaftskrise um 1900 erhob sich die Industrie, was zum 1. Weltkrieg führte.
Wenn jetzt erst wieder die deutsche Wirtschaftskraft so hoch ist wie damals, dann kostet der Hering statt 50 Pfg nur noch 5 Pfg und der große Zauberer sagt:
Es ist alles schon mal dagewesen.