Am Hause Schlossplatz 3 hängen zwei Tafeln nebeneinander:
– eine Tafel erinnert an den Zar Peter I. von Rußland,
– die andere an den Schwedenkönig Carl XII.:
So beschaulich dieser Anblick heute anmutet, so ist er enttäuschend, wenn man sich der kriegerischen Kämpfe dieser Zeit besinnt.
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurde die Vormachtstellung Schwedens im Ostseeraum erschüttert und schließlich stand es mit Dänemark, Polen, Sachsen und vor allem Rußland unter Peter I. im Kampf.
Die ersten Erfolge auf dem Schlachtfeld brachten es mit sich, daß am 29. September 1706 ein schwedisches Regiment in Stärke von 1200 Mann unter dem Oberst Rosenstierna in Wittenberg einmarschierte.
Die Andacht, die knieend auf dem Marktplatz dann stattfand, hatte die Gemüter der Wittenberger Bürger beruhigt in der Annahme, daß nunmehr eitel christliche Nächstenliebe zutage treten würde. Das war leider ein Trugschluß.
Es läßt sich kaum mit-Worten beschreiben, mit welchen, drastischen Maßnahmen die schwedischen Eintreiber hier vorgingen.
Der Rat der Stadt hoffte, zunächst mit einem Geschenk an den Obersten in Form von zwei vergoldeten Deckelbechern sich Liebkind zu machen. Doch bald sah er sich darin enttäuscht.
Er wurde gezwungen, an die Schweden wöchentlich ein Tafelgeld von 50 Talern zu zahlen, was zunächst noch erträglich erschien.
Aber das war nur der Anfang der Drangsalierungen. Rücksichtslos gingen die Schweden vor, belästigten die Bürger durch Einquartierungen, verlangten bares Geld von den Hauswirten, Futter, für die Pferde, und stahlen, was sie sahen.
Dann kam der Tag, wo die Bevölkerung nichts mehr entrichten konnte.
So mußte der Rat der Stadt eingreifen und seinen Grundbesitz, wie den Fleischerwerder und Teile von Bodemar und dem Rittergut Seegrehna, was stadteigen war, verpfänden, um bares Geld zu erhalten.
Ja, selbst die Wittenberger Schützengesellschaft von 1412 opferte ihre so wertvolle mit Silber und Gold behängte Königskette als Pfand, dadurch wurden weitere Gelder locker.
Schließlich hatte Wittenberg und seine Bürgerschaft die ungeheure Summe von 49 568 Talern aufgebracht, als endlich die Stadt von den ungebetenen Gästen verlassen wurde
Daran erinnert die Gedenktafel und das sollte man wissen, wenn von König Carl XII. von Schweden die Rede ist, der ganz unvermutet die Festungsstadt an der Elbe am 20. Februar 1707 besuchte, noch einmal sie verließ, um am anderen Tage zurückzukommen und dann die Schloßkirche und die Lutherstube besichtigte.
Bemerken sollte man ferner, daß es dem Schweden wie vor ihm und nach ihm allen Eroberern und Großmachtstrebern erging.
Zwei Jahre nach dem Besuch Wittenbergs zog er mit seinem Heer in das Innere Rußlands und wurde bei Poltawa in der Ukraine geschlagen.
Von diesem Schlag erholte er sich nicht wieder und die Vormachtstellung Schwedens im Ostseegebiet war damit endgültig gebrochen.
Heinrich Kühne †
aus: Freiheit vom 18.08.1979
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weitere Info, unter: Carl XII. – König von Schweden