Ihre ausführliche Geschichte, Sage und Beschreibung
Wie schaut sie ernst vom Berg ins Tal hernieder,
ein Denkmal alter Ritterlichkeit,
die alte Burg aus Lindengrün und Flieder,
uns erst gemahnend an vergang’ne Zeit.
W. Winkler Kallusky.
Das absprechende Urteil über die märkische Landschaft ist allbekannt und uralt ihre Bezeichnung als „Streusandbüchse“ des heiligen römischen Reiches.
„Der Fläming vollends, der einen Teil dieser Landschaft bildet, war von jeher, wenn auch unberechtigt, als unfruchtbares, reizloses Gebiet verschrien.
Die Spottlust hat von ihm den Reim geprägt:
Hier ist das gelobte Land,
wenn der Wind weht, stiebt der Sand.
Wenn ich dich arbeite, so bist du licht (leicht),
wenn ich dich egge, so bist du schlicht (schlecht),
wenn ick dich meie (mähe),
so find ick dich nicht.
Aber der Fläming ist viel besser als sein Ruf.
Natur und fleißige Menschenhand wirkten zusammen, um aus ihm eine wichtige Kulturlandschaft zu schaffen, von welcher der Spruch sagt:
„Fläming arm an Born, doch reich an Korn“.
Und wegen dieser letzteren Eigenschaft trägt dieser mit Recht die ehrenvolle Bezeichnung „Kornkammer der Mark„.
Auch in landschaftlicher Beziehung kann sich der Fläming in seiner anziehenden Eigenart sehr wohl mit anderen Gegenden des deutschen Vaterlandes messen.
Freilich sind es nicht himmelanstrebende Berge mit Schneehäuptern, nicht schroffe Felsen und märchenumsponnene, tiefe Seen oder tosende Wildbäche und schäumende Wasserfälle, welche den Strom der Reisenden anlocken.
Trotzdem aber besitzt die Flämingslandschaft in ihrer bunten Mannigfaltigkeit mit jeder Jahreszeit wechselnde Reize, die jedem, der sie mit offenem Sinn betrachtet, hohen Genuß gewährt, so wie ein stilles, friedsames Idyll, von dem Storms Dichterwort gilt:
„Kein Ton der aufgeregten Zeit
drang noch in diese Einsamkeit.“
Zu den reizvollsten Teilen des Flämings gehört die Landschaft bei der Burg Rabenstein, die ein Bild wahrhaft romantischer Schönheit bietet.
Von steiler, waldumrauschter Bergeshöhe, aus dem Grün alter Linden und Buchen reckt sich ein trutziger Wartturm empor, den ernstes, altersgraues Burggemäuer einschließt, unterbrochen von freundlicheren Wohn- und Wirtschaftsgebäuden.
Von der Höhe aus bietet sich dem Auge eine weite, fesselnde Aussicht ins grüne Wiesental und über dieses hinaus auf wogende Getreidefelder und harzduftende dunkle Wälder und über die die Flämingshügel hinweg bis zu dem 201 Meter hohen Hagelberg mit dem hochragenden Denkmal auf seinem Gipfel.
Die Burg Rabenstein liegt dicht über dem Dorfe Raben im südwestlichen Teile des brandenburgischen Kreises Zauch-Belzig. Man erreicht sie am besten vom Süden her vom Dorfe Straach aus, dem Endpunkt der Kraftpostlinie Wittenberg-Straach, in zweistündiger Wanderung auf schönem Waldwege und vom Norden her vom Städtchen Belzig aus, dem Kreuzungspunkte der Brandenburger Städtebahn mit der Eisenbahn Berlin-Roßlau-Dessau in 2½ Stunden.
Über die genaue Zeit der Erbauung der Feste ist urkundlich Zuverlässiges nicht bekannt, da die darauf bezüglichen Urkunden jedenfalls in den vielfachen Fehden und Kriegen, welche den Rabenstein heimsuchten, verloren gingen oder vernichtet wurden.
Die Sage erzählt, der Rabenstein sei zusammen mit den benachbarten Burgen Eisenhardt bei Belzig und Wiesenburg von drei Riesen aufgetürmt worden.
Jeder von ihnen wollte mit seinem Bau zuerst fertig sein.
Da aber der von Belzig vor dem Rabensteiner einen Vorsprung hatte, so wurde dieser eifersüchtig und nahm große Granitblöcke vom Bau, die er nach dem Turm der Belziger Burg schleuderte.
Die Wurfgeschosse erreichten aber ihr Ziel nicht und fielen auf der Flur von Rädigke nieder, wo sie noch heute zu sehen sind.
Jeder Stein zeigt die Eindrücke von Riesenfingern.
Aus den Bauformen der Burg Rabenstein läßt sich schließen, daß diese um 1200 entstanden ist. Zweifellos wurde sie zuerst als als Burgwart errichtet, dem die Aufgabe zufiel, das den Wenden im harten Kampfe abgerungene Land gegen die immer wieder von neuem anbrandende slawische Flut zu schützen und zu sichern.
Als die deutschen Fürsten sich untereinander und dem Kaiser in blutigen Bürgerkriegen befehdeten, gingen auch die unter Kaiser Otto I. durch Markgraf Gero, den „Wendenbezwinger“ im Sorbenlande erzielten Erfolge wieder verloren.
In dem von ihm eroberten Gebiete zwischen Elbe und Oder hatten die Wenden und ihr Heidentum wieder die Herrschaft erlangt. Hierher wandte sich nun von der ihm vom Kaiser Lothar verliehenen Nordmark aus der ebenso tapfere als kluge und energische Markgraf Albrecht der Bär aus dem Hause Anhalt oder Askanien (1140-1170).
Er wurde unterstützt von dem zum Christentum bekehrten Wendenfürsten Pribislaw, der um die Ausbreitung der christlichen Lehre in seinem Lande bemüht war.
Er schloß mit Albrecht einen innigen Freundschaftsbund, nahm bei dessen ältesten Sohne Patenstelle an und bestimmte ihm als Patengeschenk die Zauche (von wendisch Czucha – trockenes Land), also das Land südlich der Havel bis zum Fläming.
Da er kinderlos war, so setzte er für den Fall seines Todes den Markgrafen sogar zu seinem Erben ein.
Als er 1150 starb, beeilte sich seine Witwe, den Askanier herbei zurufen, damit er die christlichen Einrichtungen ihres Mannes schütze. Sogleich rückte dieser heran, besetzte die Stadt Brandenburg und nahm das Land in Besitz.
Fortan führte er den Titel eines Markgrafen von Brandenburg, mit dem die Würde eines Erzkämmerers des römisch-deutschen Reiches verknüpft war, und legte so den Grund zum brandenburgisch – preußischen Staate.
In den beiden folgenden Jahrzehnten erweiterte und sicherte er das Gewonnene, indem er die wiederholten Aufstände der Wenden siegreich niederschlug.
Albrecht der Bär war aber nicht bloß der erobernde Krieger, sondern auch ein fürsorglicher Landesherr.
In die durch die Kriegshandlungen verwüsteten und entvölkerten Gebiete berief er Ansiedler aus Westfalen, Nordfranken und den Niederlanden, insbesondere aus der Provinz Flamland.
Zu jener Zeit waren in den niederländischen Marschlandschaften die wilden Fluten der Nordsee eingebrochen und hatten den Bewohnern Grund und Boden, Haus und Habe geraubt.
Wohin sollten die Unglücklichen sich wenden?
Das dichtbevölkerte Niederland hatte keinen Raum für sie.
Wanderten sie aber in die benachbarten Reiche, so nahmen ihnen die rauhen Gesetze jener Zeit, die den Fremdling zum Sklaven und seinen Besitz zum Eigentum des Landesherrn machte, auch noch das Letzte und vor allem das kostbarste Gut, die Freiheit.
Mit Freuden folgten darum die Flamländer dem Rufe, mit welchem Albrecht der Bär und Erzbischof Wichmann von Magdeburg ihnen Wohnung und freien Besitz im eroberten Wendenlande anboten.
Als Lohn für treue Gefolgschaft hatte Markgraf Albrecht den Ritter Bederich mit dem Rabenstein samt dem umliegenden Lande belehnt und ihn mit dem Ansetzen von Ansiedlern in seinem Gebiet beauftragt.
An einem sonnigen Frühlingsmorgen traf auch im Tal am Fuße der Feste ein Zug Flamländer unter Führung des Lokators ein, den ihnen Bederich bis Wittenberg entgegensandte, um in seinem Auftrage mit ihnen zu verhandeln.
Weithin durch den lauschenden Wald erklang das flämische Auswandererlied:
Naer Ostland willen wy reyden,
naer Ostland willen wy mee,
al over die groenen heiden!
daer isser een betere stee.
Als wy binnen Ostland kommen,
al onder dat hooge huis,
daer worden wy binnen gelaten,
frisch over die heiden;
zy heten uns willkom zyn.
Ja, willekom moeten wy wezen,
zeer willekom moeten wy zyn,
Daer zullen wy avond en morgen,
frisch over die heiden,
nog drinken den koelen wyn.
In den kommenden Tagen hallten helle Axtschläge durch die bisher so stille Waldwildnis, denen der dumpfe Fall der Baumriesen folgte. Bald wuchsen am Fuße des Burgberges Wohnhäuser empor, die sich zum Dorfe zusammenschlossen, über das der Grundherr Bederich den Lokator als Schulzen einsetzte.
Um das Dorf aber zog durch den gerodeten fruchtbaren Lößboden der von den im Lande gebliebenen Reste der wendischen Bevölkerung bestaunte und ihrem hölzernen Hakenflug weit überlegene eisenbeschlagene Räderpflug seine tiefen Furchen, in die der starke flämische Bauer den Samen streute, aus dem die fruchtkündende Saat üppig empor sproßte.
Droben aber auf dem die Gegend beherrschenden Berge errichteten die Dienstpflichtigen für den Grundherrn auf den Trümmern der alten sorbischen Befestigungen ein neues stattliches Wohnhaus, dem sich Ställe und Wirtschaftsgebäude anschlossen, denn die Anlage sollte einem dreifachen Zwecke dienen:
Wehr- und Wohnbau und Wirtschaftshof zugleich sein.
Waren doch die Ritter in jenen den Sorbenwenden abgewonnenen Gebieten nicht in der glücklichen Lage, der wohlhabenden Ritterschaft des deutschen Südens und Westens, die unbekümmert um des Lebens Notdurft sich den Ritterspielen und sonstigen Vergnügungen hingeben konnte, während Ritter Bederich und seine ihm ins Sorbenland gefolgten Standesgenossen darauf bedacht sein mußten, sich ihren Lebensunterhalt durch Roden und Bebauen des Landes zu gewinnen.
Darum hat auch die landläufige Vorstellung vom Leben und Treiben eines Ritters, von glänzenden Festen und Turnieren, die allenfalls für die fürstlichen Burgen und die süd- und westdeutschen Rittersitze gelten mag, für den Rabenstein keine Berechtigung, und der „Minnesänger“, der den Burginsassen durch Lieder, Harfenspiel und Erzählungen die Langeweile vertrieb, wird wohl kaum den Weg in die entlegene Feste des Waldes gefunden haben.
Das Leben in der Burg war daher recht einsam und einförmig und wurde für den Ritter nur durch die Jagd in den wildreichen Wäldern unterbrochen.
Am ödesten war es im Winter, wenn die ohnehin recht mangelhaften Straßen durch die Schneemassen verschüttet waren.
Man kann darum die Freude verstehen, mit der das Nahen des Frühlings begrüßt wurde:
Ich hörte gern ein vogellin,
daz hüebe wünneclichen sanc;
der Winter kan niht anders sin
wan schwere und âne mâze lanc.
Mir waere lieb, wolt er zergân:
waz fröide ich ùf den summer hân!
dar stuont nie hôher mir der mout:
daz ist ein zît diu mir vil sanfte duot.
(Aus dem Mitteldeutschen von Heinrich von Rugge)
Die flämischen Ansiedler, nach denen der Fläming seinen Namen trägt, liebten es, in ihren Neugründungen die Erinnerung an die alte niederländische Heimat festzuhalten.
So nannten sie den Ort
– Brück nach Brügge,
– Mügeln und Mücheln nach Wecheln,
– Euper nach Ypern,
– Fröden nach Broeden,
– Genthin nach Gent,
– Gräfenhainichen nach ’s Gravenshage.
Auch die noch heute weitverbreiteten Familiennamen
– Flemming,
– Brabant,
– Mechel,
– van der Leyden,
– van Oppen,
– van Kraft,
– Seehusen,
– van Kraft
halten diese Erinnerung fest.
So erhielt denn auch die Burgfeste Rabenstein ihren Namen nach dem Ort Ravenstyn in Brabant.
Noch in der Verkaufsurkunde vom Jahre 1625 findet sich neben ihrer Bezeichnung Rabenstein der Name Ravenstein, bis die erstere Bezeichnung allgemein in Gebrauch kam.
Ritter Bederich war mit dem Sohne und Nachfolger Albrechts des Bären Herzog Bernhard von Sachsen (1170 bis 1212) verwandt, der den tapferen Mann sehr schätzte und ihn mannigfach begünstigte. Er verlieh ihm mit der Herrschaft Rabenstein auch die Grafschaft Belzig als erbliches Lehen und gleichzeitig die Gerichtsbarkeit über die 15 Flämingsdörfer
– Garren,
– Lobbese,
– Klein Marzehns,
– Lotzschke,
– Mützdofs,
– Neuendorf,
– Pflügkuff,
– Raben,
– Rädigke,
– Zeuden und
– Zixdorf.
So entstand ein selbständiges landesherrliches Amt Rabenstein, das aber um 1500 wieder aufgehoben und dem Kreisamt Belzig unterstellt wurde.
Rabenstein blieb aber schriftsässiges Rittergut, dem die genannten 15 Flämingsdörfer wie bisher Zins-, Hand- und Spanndienste leisten mußten.
Im Jahre 1230 nahm Graf Bederich an einem Kreuzzuge nach dem Heiligen Lande teil und errichtete nach seiner Rückkehr im nahen Dahnsdorf für den Deutschen Ritterorden eine Komturei.
Er starb im Jahre 1250 ohne männliche Erben zu hinterlassen.
Die Grafschaft Belzig mit dem Rabenstein fiel damit als erledigtes Lehen wieder an das Herzogtum Sachsen zurück.
Herzog Albrecht I. (1212-1260) verlieh die Burg einem Ritter Konrad, der sich nach ihr Konrad von Rabenstein nannte.
Nach dessen Tode wurden die Herren von Oppen mit der Feste belehnt, jedoch ohne die Flämingsdörfer.
Dieses Geschlecht besaß den Rabenstein bis in das 15. Jahrhundert. Genannt werden Cuno von Oppen, Rudolph von Oppen und Hans von Oppen.
Letzterer hatte sechs Kinder, von denen einer der Söhne auf dem mit Rabenstein zusammenhängenden amtssässigen Rittergute Niemegk wohnte.
Zu jener Zeit nahm das Raubritterunwesen in Deutschland arg überhand, und namentlich der Adel der Mark Brandenburg bot das Bild größter Zügellosigkeit.
Einst unter den Askaniern hatte er nicht das Recht besessen -ausgenommen wenige Familien von hohem Adel ohne ausdrückliche Genehmigung des Landesherrn befestigte Burgen zu besitzen, aber in der traurigen führerlosen Zeit unter den Bayern und Lützelburgern war auch der niedere Adel „schloßgesessen“ geworden.
Zu unfähig oder zu bequem, sich den Unterhalt durch den Bau der Scholle zu erwerben, hauste der Ritter oft in bitterer Armut hinter den Mauern seiner Burg samt seiner ganzen Sippschaft, mit einigen Knechten, abgemagerten Rossen und einem Schwarm wilder Hunde. Die Verzweiflung, mit der sich oft Roheit und frevelnder Sinn paarte, trieb ihm dann zu ungerechtem Lebenserwerb, zum Leben „vom Stegreif“.
Vom Wartturm spähte der Knecht nach den Warenzügen, die auf der schlechten Landstraße daherkamen. Sein Ruf jagte den Raubritter und seine Gesellen auf die Rosse.
Im Waldesdunkel, am Hohlwege lauerte man, bis der Kaufmannszug mit seinem Geleit näher kam.
Er wurde aus dem Hinterhalt überfallen. überwältigt und ausgeraubt, worauf der Kaufherr nach der Raubburg geschleppt und dort bis zur Zahlung eines hohen Lösegeldes in schmachvoller Gefangenschaft gehalten wurde und wenn dieses ausblieb, einem qualvollen Tode entgegenging.
Solange kein mächtiger Arm dem Unwesen wehrte, schossen die Raubburgen wie Giftpilze immer neu aus der Erde empor, wandte sich der heruntergekommene Adel immer wieder dieser wenig ritterlichen aber mühelosen Erwerbsquelle zu.
Da die Raubritter auch in das Gebiet des Herzogtums Sachsens streiften, so sah sich Herzog Rudolf II. (1356-1370) gezwungen, seine Ritterschaft und Städte gegen die Landschädiger aufzubieten. Das Schreiben des Herzogs, das dem Ritter vom Rabenstein durch einen geharnischten Reiter überbracht wurde, hatte folgenden Wortlaut:
Wir, Rudolf, von Gottes Gnaden Herzog zu Sachsen, Westfalen und Engern, Graf zu Brehna und Erzmarschall des heiligen Römischen Reiches, bekennen öffentlich mit diesem Briefe, daß wir mit vorgedachtem Mute mit allen unseren Städten und Vögten zu
– Wittenberg,
– Aken,
– Herzberg,
– Prettin,
– Jessen,
– Kemberg,
– Schmiedeberg,
– Belzig,
– Niemegk,
um den Raub und Schaden, der geschehen ist und noch geschieht, in unserm vorbenannten Lande in solcher Weise Einhalt tun würden, daß unsere Vögte und Bürger hindern sollen die Räuber, sobald dieselben betreten und ankommen mögen, die da rauben in unserem Lande oder aus unserem Lande. Oder die da rauben in anderen Landen und den Raub in unser Land bringen.
Auch sollen sie hindern alle die, die Räuber hausen und hegen oder speisen gleicherweise wie die Räuber selber.
Wäre es auch, daß jemand um Raub würde verklagt und ihm das zu wissen gebracht wurde, der soll sich des Raubes in vierzehn Tagen entschuldigen, wie es das Raubrecht verlangt. Täte er das nicht, so soll er von Stunde an sein in unserer und unserer Mannen, Vögte und Städte Acht.
Wäre es, daß einige Städte einen Räuber oder mehr anzeigten, so sollen ihnen dabei unsere Vögte und Mannen behilflich sein. Täten sie das nicht und verwehrten sie das, so würden sie unsere Befehle mißachten und Strafe gewärtig sein.
Welche Stadt jemand angriffe und darüber leicht verdächtig werden möchte, so sollen die Verdächtigungen uns und alle unsere Städte insgemein treffen und sie nicht allein.
Auch sollen alle unsere Richter und Krüger, die in unserm Lande gesessen sind, schwören auf diesen Brief, alle diese vorgeschriebenen Stücke gänzlich und treulich zu halten gleich unsern Vögten, Bürgern und Städten. Täten sie das nicht, so sollen sie uns Anlaß gegeben haben zur Bestrafung.
Auch geben wir diesen vorgeschriebenen Bürgern, Städten und Vögten Gewalt, zu richten über die Räuber, sobald wir nicht gegenwärtig sein können, und was sie daran tun, sollen sie von uns Freiheit haben.
Daß wir alle diese vorgeschriebene Rede treu und ganz halten wollen, das geloben wir und unsere Getreuen zu
– Wittenberg,
– Aken,
– Herzberg,
– Prettin,
– Jessen,
– Kemberg,
– Schmiedeberg,
– Belzig,
– Niemegk.
Zu einem treuen Bekenntnis haben wir, Herzog Rudolf, und alle unsere vorgenannten Städte und Vögte diesen Brief besiegelt mit unsern angehangenen Insiegeln, der gegeben ist nach Gottes Geburt dreizehnhundert Jahr in dem achtundfünfzigsten Jahre des ersten Sonntags nach Sankt Gallen Tag.
Der Ritter von Oppen war ein treuer Lehnsmann Seines Herzogs und säumte nicht, dessen Befehlen nachzukommen, wozu ihm bald Gelegenheit geboten wurde.
Der Überfall im Flämingswalde
Auf dem Wege, der von Niemegk her durch den dichten Kiefernwald nach Westen führt, mahlten knarrend die bei den Wagen des Kaufmanns Thilo Lietzen aus Cöln-Berlin durch den tiefen Flämingssand.
Jeder barg unter der gewölbten Plane wertvolle Kaufmannsgüter, die für die Bürger von Zerbst bestimmt waren.
Der Kaufmann begleitete hoch zu Roß und vom Fuß bis zum Scheitel schwer bewaffnet, den Warenzug.
Auch von den Fuhrleuten und reisigen Knechten, welche die Bedeckung bildeten, waren die meisten im Eisenkleide, alle aber mit Waffen versehen, denn die Zeiten waren ernst und unsicher, und man mußte vor den umherstreifenden Schnapphähnen auf der Hut sein.
Schon hatte man das Dorf Buchholz im Rücken und näherte sich Grubo; man hoffte, noch vor Anbruch der Dunkelheit in Zerbst zu sein. Der Zug war bisher völlig unbehelligt geblieben, und so gab man sich einer größeren Sorglosigkeit hin; die Mittagssonne brannte auch gar zu heiß auf dem schweren Eisenkleide.
Plötzlich wurde es im Walde lebendig.
Aus einem Dickicht brechen Geharnischte hervor – wilde, verwegene Gestalten und fordern die Überraschten auf, sich zu ergeben. Diese aber setzten sich mutig zur Wehr, und ein kurzer, heißer Kampf entbrennt. Bald sinkt hier und da ein Streiter nieder und verscheidet röchelnd auf dem zerstampften Waldboden.
Der Warenzug wird von der Übermacht überwältigt, der verwundete Kaufmann mit den noch lebenden Begleitern gefangen und gefesselt.
Unter rohen Scherzen und Spott ziehen die Räuber mit ihrer Beute ab und schleppen sie nach der nahen Burg Rädigke. Das geraubte Gut wird von den Wagen geladen und in dem großen Saal gelagert, in dem gleich darauf ein wüstes Zechgelage beginnt, bei dem der erbeutete Wein in Strömen fließt.
Den unglücklichen Kaufherrn aber wirft man in das feuchte, dunkle Burgverließ, wo er einer furchtbaren Zukunft entgegensieht, wenn ihm nicht Rettung kommt oder das geforderte Lösegeld für ihn gezahlt wird – beides Hoffnungen, die er nicht zu hegen wagt.
Zum Glück ist aber einer von den Begleitern des Wagenzugs, den die Wegelagerer für tot auf dem Kampfplatz liegen ließen, nur von einem schweren Hiebe betäubt und nach einiger Zeit aus der Betäubung erwacht. Er rafft seine Kräfte zusammen und eilt, sich im Walde zu verbergen.
Da sieht er durch eine Lichtung den hohen Bergfried des Rabenstein aufragen, dem er zueilt.
Er wird vor den Burgherrn von Oppen geführt, dem er das Geschehene berichtet,
Der Verwundete hat die Farben des Raubritters erkannt, so daß der Rabensteiner sogleich weiß, was er schon vermutete, daß kein anderer als der wilde, verwegene von Hake auf Burg Rädigke der Räuber ist.
Sofort befiehlt er seinen Mannen, sich zu wappnen und führt sie durch den Wald der Burg des Räubers zu. Durch die Bäume gedeckt, naht er sich in der Dämmerung der Feste, aus der das rohe Lachen und der Jubel der Zechenden schallt. Auch die beiden Wächter auf dem Turme und und am Tore haben reichlich von dem geraubten Weine genossen und darüber die Wachsamkeit vergessen.
Darum gelingt es dem Rabensteiner und seiner Schar, ohne sonderliche Mühe diese zu überwältigen und in die die Burg zu dringen. Wohl versuchen der Raubritter und seine Spießgesellen sich zu wehren, aber die Trunkenheit hat ihnen die Kraft geschwächt; sie werden niedergehauen oder gefangen.
Hierauf gibt der Rabensteiner den Befehl, den gefangenen Kaufherrn aus seinem Gefängnis zu befreien. Wenige Minuten später tritt Thilo Lietzen vor den Ritter. Sein Gesicht ist bleich und die Stirn mit einem blutgetränkten Tuche umwunden.
Kaum hat der Knecht des Kaufmanns, der dem Zuge der Befreier gefolgt war, seinen Herrn erblickt, als er mit lautem Freudenruf auf ihn zustürzt.
Der Kaufmann schließt den Treuen gerührt in die Arme.
„Peter“, spricht er mit bebender Stimme,
„Dir also verdanke ich Freiheit und Leben. Das werde ich Dir mein Leben lang nicht vergessen“.
„Ach, Herr“, entgegnete dieser, und die Freudentränen rinnen ihm über die Wangen, „ich tat nur, was ich Euch schuldig war.
Wenn Euch nur kein Schaden an Eurer Gesundheit geschehen ist.“
„Ich denke nicht“, war die Antwort,
„die Schramme da auf der Stirn hat wohl nichts zu bedeuten.“
Dann sich vor dem Ritter von Oppen tief verneigend, fuhr er fort: „Edler Herr Ritter, nehmt meinen tiefgefühlten Dank für Eure Hilfe in der Not. Ich werde immer Euer Schuldner sein.“
„Ihr schuldet mir keinen Dank“, entgegnete dieser.
„Ich tat nur was mir die Ritterpflicht gebot.
Mir tut leid, was Euch geschehen ist von einem, der den ritterlichen Namen in Unehre und Schande bringt.
Nehmt Euer Eigentum zurück und zieht in Frieden Eure Straße. Einige von meinen Knechten haben Befehl, Euch sicher nach Zerbst, wohin Ihr, wie ich höre, reisen wollt, zu geleiten“.
Der Kaufherr wollte ihm dankbar die Hände küssen, doch der Ritter wehrte ihm und wandte sich dann an seine Mannen, mit der Weisung, den gefangenen Raubritter nach dem Rabenstein und am Morgen nach Wittenberg vor den Herzog zu bringen.
———
Es war im Juni des Jahres 1374, als ein anderes seltsames Ereignis die Stille um die Feste Rabenstein unterbrach.
Der Burgherr Dietrich von Oppen stand zur Jagd gerüstet am Fenster seines Wohngemaches, als vom Tale her ein wilder Lärm sein Ohr traf. Auf der Straße nach dem Dorfe Raben zu bewegte sich ein bunter Haufen von Männern und Frauen in seltsamen tanzenden Bewegungen, und dazu sangen sie in eigenartigem Takte:
Herr, sent Johann so so,
vrisch un vro,
Herr, sent Johann!
Es war jene halbwahnsinnige Schar, die in ihrer sich steigernden Verzückung ansteckend wirkte und immer mehr Opfer an sich zog. Auf den Dorfplätzen, vor den Kirchen führte sie halb nackt und ohne Scham und Scheu den St. Johannistanz auf, der stundenlang, währte, bis die Tänzer unter Krämpfen und Zuckungen zu Boden stürzten.
Es hat lange Zeit gedauert, ehe sich der aus Furcht vor der Pest erzeugte religiöse Wahn legte, und es bedurfte des strengen Eingreifens der weltlichen Herrschaft und des ganzen Einflusses der Geistlichkeit, um dem Unwesen ein Ende zu bereiten.
Letztere erklärte es für ein Werk des Teufels und rief den hl. Schutzpatron gegen diese als Krankheit angesehene Bewegung an. Seitdem kam als Bezeichnung für Verzerrungen des Gesichts und Gliederzuckungen der Name „Veitstanz“ auf.
Das Geschlecht derer von Oppen muß eine angesehene, einflußreiche Stellung eingenommen haben, denn oft fanden zu seiner Zeit auf dem Rabenstein fürstliche Zusammenkünfte und wichtige Verhandlungen statt.
So stellte hier Herzog Rudolf I. von Sachsen im Jahre 1308 dem Kloster Zinna eine Urkunde aus, in der er diesen wegen eines durch den Vogt zu Schlieben ihm angetanen Fehdeschadens eine Entschädigung zusprach.
Im Jahre 1377 kamen de der sächsische Kurfürst Wenzel und der Bischof Dietrich von Brandenburg auf der Feste zusammen und ließen durch den Burgherrn Rudolf von Oppen und den Ritter Gebhardt von Schraplau als Schiedsrichter einen Streit über das Mortuarium (unveräußerliche Stiftseigentum) der Geistlichen schlichten.
Unter den Herren von Oppen brach ein ein schweres Verhängnis über den Rabenstein herein.
Als der der streitbare Kurfürst Rudolf III. von Sachsen (1388-1419) in eine jahrelange Fehde mit dem nicht minder streitbaren Erzbischof Albrecht von Magdeburg verwickelt wurde, leistete ihm der Ritter von Rabenstein als treuer Lehnsmann Beistand.
Obgleich sich Burg Rabenstein in gutem Verteidigungszustande befand und außerdem der herzogliche Vogt von Belzig mit einer reisigen Mannschaft zur Verstärkung der Besatzung herbei gekommen war, wurde die Feste 1394 von den Magdeburgern berannt, eingenommen und zerstört.
Sie muß aber bald wieder aufgebaut worden sein, denn bereits im Jahre 1401 wurde dort zwischen den Bevollmächtigten der beiden streitenden Parteien ein Vertrag geschlossen, durch den die Ursache jener Fehde zunächst wenigstens beseitigt wurde.
Der streitbare Kirchenfürst hatte im Jahre 1395 zuletzt bei Belzig durch die Kurfürstlichen eine Niederlage erlitten und sich unter großen Verlusten zurück ziehen müssen.
Der auf dem Rabenstein geschlossene Frieden war freilich nicht von langer Dauer.
Im Jahre 1413 begann die Fehde zwischen Rudolf III. und dem Nachfolger Albrechts, dem Erzbischof Günther, von neuem. Letzterer zündete das Belziger Schloß an und suchte auch den wieder hergestellten Rabenstein ein in in seine Gewalt zu bringen, was ihm aber nicht gelang.
Als er auch gegen die Stadt Wittenberg vordrang, wurde er unter großen Verlusten zur Umkehr gezwungen.
Auch bei diesen Kriegshandlungen leistete der Ritter von Rabenstein seinem Herzog tapferen Beistand.
Im Jahre 1406 finden wir Hans von Oppen als Burgherrn auf der Feste. In dieser Zeit hatten die berüchtigten Raubritter Hans und Dietrich von Quitzow in der unglücklichen Mark Brandenburg ihr Schreckensregiment aufgerichtet.
Plündernd und sengend zogen sie mit ihren Raubgesellen durch das Land. Keiner, weder Bürger noch Bauer, war vor ihnen seines Eigentums und seines Lebens sicher.
Nicht selten steckten die Räuber, wenn sie den wehrlosen Bewohnern alles genommen hatten, ihnen auch noch hohnlachend Haus und Hof in Brand.
Die beiden Quitzows waren der Schrecken des Landes, vor dem alles zitterte. Um vor ihnen sicher zu sein, scheuten sich viele Städte, darunter auch die beiden Spreestädte Berlin-Köln, nicht, mit ihnen einen schimpflichen Vertrag zu schließen und ein Schutzgeld zu zahlen.
Der Landesherr aber, Jobst von Mähren, dem die Mark von Kaiser Siegesmund 1388 verpfändet worden war, saß fern in Mähren und erschien nur ab und zu im Lande, um von den ausgesogenen Bewohnern neue Steuern zu erpressen.
Als Dietrich von Quitzow im Bunde mit dem Magdeburger Erzbischof seine Raubzüge auch bis in die Gegend von Belzig ausdehnte, stellte sich ihm Hans von Oppen mutig entgegen.
Er wurde aber von der Übermacht geschlagen und mußte sich in den Schutz seiner Burg zurückziehen.
Den Rabenstein zu belagern war dem Raubritter zu mühevoll und zu zeitraubend, viel bequemer und lohnender erschien es ihm, die wehrlosen Dörfer in der Umgegend auszurauben.
Im Jahre 1486 ging der Rabenstein in den Besitz der Familie von Lypzk (später von Leipzig genannt) über.
An diesen Besitzwechsel knüpft sich
die Sage von der schönen Mechthildis vom Rabenstein.
Auf der Burg Rabenstein lebte ein rauher Jägersmann, der Ritter Dietrich von Oppen. Seine Gemahlin war eine gar edle und vornehme Frau, von deren Schönheit und edlen Sitten manch Lied eines fahrenden Sängers kündete.
Sie besaß ein schönes Töchterlein, Mechthildis geheißen, das ihre Einsamkeit auf der Burg teilte.
Denn Herr Dietrich war gar selten daheim und zog trotz der inständigen Bitten seiner Gemahlin fortgesetzt auf Jagdfahrten durch das Land. Darüber verzehrte sich die Burgherrin in Gram und und starb jung an Jahren.
Nach ihrem Tode trieb es der Ritter noch viel ärger in seiner Jagdleidenschaft, und immer seltener bekam Mechthildis den Vater zu Gesicht.
Am liebsten verweilte sie auf dem kleinen efeuumsponnenen Söller seitwärts vom hohen Bergfried, von dem aus sie ins Tal, auf das Dorf Raben zu ihren Füßen und weit darüber hinaus über die dunklen Wälder schauen konnte.
In der Burgeinsamkeit wuchs das Mädchen zur blühenden Jungfrau heran, die an Schönheit und Tugend der toten Mutter glich.
Auf einer Jagd, die er bis zum Städtchen Treuenbrietzen ausdehnte, erblickte Dietrich von Oppen die schöne Bürgerstochter Helene Rietz und entbrannte in heißer Liebe zu ihr.
Seine Leidenschaft ließ ihn sein totes Gemahl und die Tochter daheim vergessen.
Helene Rietz aber hatte einen bösen Sinn, und ihren Verführungskünsten gelang es, den Ritter so zu umgarnen, daß er sie als Herrin auf den Rabenstein führte.
Für Mechthildis aber begann seitdem eine böse Zeit. Der hochmütigen Stiefmutter war ihre Schönheit und edle Sitte ein Dorn im Auge, und sie kränkte und beschimpfte Mechthildis, wo sie nur konnte und entblödete sich nicht, sie bei dem Vater zu verleumden. Der Ritter von Oppen aber lag tief in den Netzen der bösen Frau und war ihr in allem zu willen, gleichviel, ob es gut oder böse war.
Mit der Zeit aber wurde diese des alternden Gemahls überdrüssig und erkor sich aus seinen Mannen einen jungen Knecht als Liebhaber.
Dabei stand ihr aber der Burgherr im Wege, und sie vergiftete ihn darum mit dem Safte des roten Fingerhuts, und war nun alleinige Herrin der Burg.
Die arme Mechthildis war nun völlig den Ränken der bösen Stiefmutter ausgeliefert, die ihr das Leben zur beständigen Qual gestaltete und auch sie zu verderben trachtete, um ungescheut ihr lasterhaftes Treiben fortsetzen und sich in den unbestrittenen Besitz der Burg setzen zu können.
Nun hatte aber Mechthildis noch zu Lebzeiten ihres Vaters bei einem Jagdschmause einen edlen jungen Ritter, Otto von Lypzk kennengelernt, der im Fluge ihr Herz gewann und ihre Liebe innig erwiderte.
Als das das Trauerjahr vorbei war, hielt der Jüngling bei der Stiefmutter um Mechthildis Hand an, wurde aber von der bösen, sittenlosen Frau mit Hohn und Spott abgewiesen.
Mechthildis Bitten und Tränen beantwortete sie mit Spott und Drohungen.
Otto von Lypzk aber ließ der Geliebten Botschaft zu kommen, in der er ihr mitteilte, daß er sie in der zweiten Nacht befreien wollte und sie um ihre Mithilfe bat.
Das Burgfräulein hatte durch Leutseligkeit und Güte sich unter dem Burggesinde viele Freunde erworben.
Als nun in der dunklen Nacht der junge Ritter mit seinem Gefolge vor Burg Rabenstein erschien, während die Stiefmutter in den Armen ihres Liebhabers lag, führte Mechthildis treue Kammermagd ihn und seine Mannen durch einen geheimen Gang in die Feste.
Die böse Burgfrau und ihr Buhle wurden von ihnen getötet, und Otto von Lypzk nahm den Rabenstein in Besitz.
Bald darauf wurde ihm Mechthildis als sein holdes Ehegemahl angetraut. Für Burg Rabenstein kamen nun bessere Zeiten, denn das junge glückliche Paar führte ein mildes Regiment und bewies in allem Tun einen edlen Sinn.
Die Familie von Lypzk besaß den Rabenstein nicht lange und trat ihn 1428 an Kurfürst Friedrich den Sanftmütigen von Sachsen (1428-1464) ab.
Bald nach Beginn der Reformation wurde Burg Rabenstein der Pfarrei des Dorfes Raben einverleibt.
Wie man sagt, erhielt die Feste auf Luthers Verwendung vom sächsischen Kurfürsten für gottesdienstliche Zwecke eine kleine Glocke geschenkt. Die spätere große Glocke ist ein Geschenk des Kurfürsten August (+1586), der wiederholt mit seiner Gemahlin auf dem Rabenstein weilte und sich dort auch von dem Pfarrer von Raben Gottesdienst halten ließ.
Ob das freilich in der Burgkapelle geschah, muß bezweifelt werden, denn diese dürfte erst später eingerichtet worden sein.
In den Akten des Rabensteiner Archivs findet sich die Bemerkung, daß der Rabener Pfarrer „in einer heizbaren Stube“ der Burg sein Amt verrichtet habe.
Laut dem Pfarrmatrikel von Raben vom Jahre 1575 bestanden die Verpflichtungen des Rabener Pfarrers gegen Burg Rabenstein darin, „daß der Pfarrer alle Donnerstage droben den Katechismus Dr. Martin Luthers predigen, auch oben taufen, das Sakrament reichen und Kranke besuchen solle, welche Zeit sie es begehren.
Dafür soll er auf Befehl des Kurfürsten von alten und neuen Äckern den Getreidezehnt erhalten, die dreißigste Garbe und Mandel“.
Das Kirchenbuch von Raben vom Jahre 1777 gibt dazu die Ergänzung, „daß der Pfarrer droben jeden Donnerstag nach Martini bis zum grünen Donnerstag predigen, auch drei Mal des Jahres das heilg. Abendmahl anstheilen, die Taufen von den Vorwerken bei ungünstiger Witterung wegen der Entfernung derselben vom Rabenstein in der Behausung der selben verrichten, die Ausgebote in der Rabener Kirche abkündigen, die Trauungen selbst aber in der Kapelle auf Rabenstein vollziehen solle.“
Der Küster von Raben hatte für die Gottesdienste auf dem Rabenstein keine Verpflichtung; der Pfarrer mußte vielmehr bei den Gottesdiensten dort selbst cantorieren, was aber später abgeändert wurde.
Betreffs der an den Pfarrer zu entrichtenden Stolgebühren war der Rabenstein dem Dorfe Raben und den anderen dazugehörenden Ortschaften gleichgestellt.
Da aber die Bewohner des Rabenstein und der Vorwerke kein Häuslergeld (jährlich 4 Pf.) und kein Opfergeld (jährlich 4 Pf.) für jede eingesegnete Person geben, so soll alles Gesinde, so auf dem Schlosse dienet, zum wenigsten 1 Gr. Beichtgeld jedesmal geben müssen.“
Fast 200 Jahre war der Rabenstein im Besitz des kurfürstlich sächsischen Hauses.
Im Jahre 1625 verkaufte ihn Kurfürst Johann Georg für 20 000 Gulden Meißner Währung an Dr. Erasmus Unruh, Assessor des kurfürstlichen Hofgerichts und Professor publ. zu Wittenberg.
In der Verkaufsurkunde wird auch der Rabensteiner Vogt erwähnt, durch den der Käufer
„die Frondienste zu beaufsichtigen und die Ungehorsamen zu bestrafen befugt sei“.
Dieser Vogt vertrat die Stelle des sogen. Landsknechts und hatte sich deshalb zwei Tage in der Woche bei dem Belziger Amte einzustellen, um die entsprechenden Anordnungen entgegen zunehmen.
Außer den Gebühren als Exekutor erhielt er als feste Einnahme von der Landschaft 27½ Scheffel Roggen, 3 Scheffel Gerste, 7 Scheffel Hafer, 20 Garben Hafer und 2 Mandeln Roggen sowie den Lämmerzehnt und an Geld 168 Groschen.
Bald nach dem Verkauf brach zwischen dem neuen Besitzer und der kurfürstlichen Jagdverwaltung ein eigentümlicher Streit aus. Letztere verlangte, daß das Rittergut Rabenstein zwei Jagdhunde des Kurfürsten aufnehmen und verpflegen solle, was von diesem abgelehnt wurde. Nach langjährigen Verhandlungen wurde der Streit zugunsten des Rittergutes entschieden, da der Käufer den Beweis führte, daß nach der Verkaufsurkunde der Besitz „servitutenfrei“ übergeben worden sei.
Professor Dr. Unruh starb kinderlos und hinterließ seinen Besitz seiner Witwe Cecilie geb. Leyser.
Diese erwarb von dem sächsischen Amtsschosser Benedictus Strauß in Wittenberg für 600 Gulden die zwischen Klepzig und Groß-Marzehns gelegene sogenannte Wendenmark.
Der Dreißigjährige Krieg, der so viele Gegenden unseres Vaterlandes verwüstete, suchte auch den Rabenstein und die umliegenden Orte schwer heim, namentlich in den Jahren 1635-1636 und 1642.
Das Dorf Raben wurde völlig zerstört; seine Einwohner waren teils getötet, teils an der Pest gestorben.
Burg Rabenstein wurde von den Schweden eingenommen und jahrelang von ihnen besetzt gehalten, da der hohe Bergfried ihnen weite Ausschau gewährte, und seine festen Mauern willkommenen Schutz boten.
Die noch heute sichtbaren Spuren der „Schwedenschanze“ erinnern an diese schwerste Zeit unseres Vaterlandes.
Die Witwe Unruh hinterließ bei ihrem im Jahre 1658 erfolgten Tode den Rabenstein und seine Liegenschaften ihrem Neffen. Dr. jur. Leyser in Wittenberg.
Bei dessen Nachkommen verblieb der Besitz bis zum Jahre 1720. Der letzte Eigentümer aus dieser Familie war der kgl. preusischen Steuerrat Gottfried Leyser.
Dieser ließ die Burgkapelle auf dem Rabenstein einrichten oder doch erneuern.
Ihr steinerner Altar trägt auf der Vorderseite die Inschrift:
„Am Lage Martini 1717 den 11. November, war der 30. Oktober alten Kalenders, wurde die erste Predigt hier gehalten“. Eingeschlossen wird die Inschrift von verwitterten lateinischen Worten, deren Sinn dunkel ist, und die als eine Prophezeihung angesehen werden.
Im Jahre 1720 verkaufte Gottfried Leyser den Rabenstein an den anhaltischen Amtmann Johann Heinrich Lösecke in Lindau.
Dieser stiftete für die Burgkapelle das zinnerne Laufbecken und die zinnerne Taufkanne, wie die eingegrabene Widmung bezeugt.
Als Lösecke 1729 starb, überließen die Erben gegen eine Abfindung die Burg seiner Witwe Anna Blandine geb. Heinring, und diese trat sie 1740 käuflich an ihren Sohn Ludwig Maximilian Lösecke ab.
Aus dessen Hand kam der Besitz an Johanna Elisabeth Grast geb. Lösecke. Deren Gatte, der kgl. preußische Hoffiskal George Friedrich Grast vererbte ihn an seinen ältesten Sohn George Christian Friedrich Grast, der ihn aber bereits 1786 an den Anhalt-Dessauer Hofmarschall Karl August von Stangen für 40 800 Taler verkaufte. Von diesem erwarb ihn im Jahre für 1804 die Erbprinzessin Christiane Amalie von Anhalt-Dessau für 72 000 Taler, die auf dem Gute einen Pächter einsetzte.
Im Jahre 1813 bei dem zweiten Vorstoß der Franzosen gegen Berlin wurde der Rabenstein und seine Umgebung abermals zum Schauplatz kriegerischer Ereignisse.
Der Führer der Nordarmee, der schwedische Kronprinz und ehemalige französische Marschall Barnadotte, schlug auf der Burg sein Hauptquartier auf.
Seine französische Abstammung erklärt seine zweideutige Haltung und sein Zaudern während der Kampfhandlungen, weil es ihm widerstrebte, gegen seine ehemaligen Landsleute zu streiten.
Trug er sich doch sogar nach dem Sturze Napoleons mit dem Gedanken, Kaiser der Franzosen zu werden!
Hätte man ihm nicht die beiden energischen und tatkräftigen preußischen Generale von Bülow und von Tauentzien zur Seite gestellt, die Schlacht bei Großbeeren (23. August 1813), bei Dennewitz (6. September 1813) und vor allem das Gefecht bei Hagelsberg (27. August 1813) wären wohl für die Verbündeten zur Niederlage geworden und hätten Preußens Hauptstadt den Franzosen ausgeliefert.
Zur Unterstützung des Marschalls Oudinot bei seinem Vorstoß gegen Berlin hatte Napoleon von Magdeburg aus den General Girad mit 9000 Mann gesandt.
In der Nähe vom Rabenstein erreichte diesen aber die Nachricht von der Niederlage der Franzosen bei Großbeeren.
Als er darauf unschlüssig stehenblieb, warf sich das zur Nordarmee gehörende preußische Korps des Generals von Hirschfeld, das fast nur aus märkischer Landwehr bestand, am Hagelberg in seinen Rücken.
Wiederholt sandte Hirschfeld Boten nach dem Rabenstein und ließ Bernadotte um Unterstützung bitten. Aber wie schon bei Großbeeren, so zauderte dieser auch jetzt wieder in zweideutiger Weise, so daß der preußische General lediglich auf sich selbst angewiesen war.
Lange Zeit schwankte der Sieg, bis zuletzt die preußischen Bataillone, ohne ein Kommando abzuwarten mit geshultertem Gewehr und ohne einen Schuß zu tun die Stellungen des Feindes erstürmten, ihn in das Dorf Hagelberg warfen und dort ein ganzes Bataillon an der Dorfmauer mit dem Kolben zusammenschlugen und hierauf mit Unterstützung von russischen Kosaken fast die ganze Division vernichteten.
Alle Dorfgassen, der Gutshof und der Teich waren von Leichen angefüllt; nur etwa 1700 Franzosen retteten sich.
Nirgends hat der Ingrimm und Zorn des märkischen Landwehrmannes so furchtbar gewirkt wie in diesem Gefecht, dessen Erfolge noch die von Großbeeren übertrafen.
Vom Bergfried des Rabenstein hatte Bernadotte den Gang des Gefechts verfolgt, und bei seiner Einstellung darf man wohl annehmen, daß er über dessen Ausgang nicht eben sonderlich erfreut war.
An den Sieg der märkischen Landwehr erinnert das auf dem Gipfel des Hagelberg errichtete Denkmal.
Auf einem hohen Sockel erhebt sich die Gestalt der Borussia.
Die Vorderseite des Sandsteinsockels trägt die Inschrift:
„Der siegreichen Landwehr, welche am 27. August 1813, von Vaterlandsliebe begeistert, hier einen glänzenden Sieg erfochten, errichtet von Vaterlandsfreunden 1849“.
Zwei im Kriege 1870-71 aus einer französischen Festung erbeutete Kanonen sind rechts und links an dem Gitter aufgestellt, welches das Denkmal umgibt.
Als im Frieden von Wien 1815 die Hälfte des Königreichs Sachsen an Preußen kam, wurde der Rabenstein der preußischen Provinz Brandenburg zugeteilt, blieb aber nach dem am 13. Oktober nach längeren Verhandlungen geleisteten Huldigungseide bis heute Eigentum des anhaltischen Herzogshauses.
Das langgestreckte Wohngebäude dient einem Oberförster als Dienstwohnung.
Unter Herzog Leopold Friedrich von Anhalt geschah eine durchgreifende Regelung der bisherigen Verhältnisse des Rabenstein.
Bei der im Jahre 1823 beginnenden Separation und der sich anschließenden Ablösung der auf den Amtsdörfern ruhenden Verpflichtungen wurde der Besitz des Rabenstein beträchtlich vergrößert.
Diese Ablösung erfolgte teils durch Zahlung einer Summe von 20000 Talern und teils durch Abtreten von Ländereien von insgesamt 1139 Morgen, die zum Rabensteiner Forst geschlagen wurden, der damit einen Flächeninhalt von 2 818 Morgen (704,50 Hektar) erhielt.
Im Jahre 1846 nahm Herzog Leopold Friedrich mit seiner Familie während der Jagdzeit auf dem Rabenstein Wohnung.
Zur Erinnerung an diesen Aufenthalt stiftete er für die Burgkapelle ein Fenster mit Glasmalerei, die Maria mit dem Jesuskinde zeigt, während die Herzogin Friederike eine neue Altarkleidung und zwei Engelfiguren als Altarschmuck schenkte.
Die kirchlichen Verhältnisse des Rabenstein wurden dahin geändert, daß statt der bisherigen Predigten am Donnerstag jeder Woche fortan der Pfarrer von Raben jeden vierten Sonntag im Monat, also jährlich zwölfmal in der Burgkapelle predigen sollte.
Der Küster von Raben hatte dabei gegen eine Entschädigung von jährlich acht Talern die erforderlichen Dienstleistungen zu verrichten.
Im Spätherbst des Jahres 1935 wurde Burg Rabenstein von einem Verhängnis heimgesucht, das beinahe den Verlust von Menschenleben im Gefolge gehabt hätte.
An einem Oktobernachmittag dieses Jahres lösten sich während eines heftigen Sturmes von dem hohen Bergfried plötzlich etwa 50 Kubikmeter Steinmassen im Gewicht von rund 200 Zentnern und stürzten donnernd in die Tiefe. Hierbei durchschlugen sie das Dach des anliegenden Forsthauses, dessen Obergeschoß und richteten auch noch im Erdgeschoß arge Verwüstungen an.
Zum Glück wurde bei dem Einsturz niemand verletzt, was um so mehr zu schätzen ist, als kurz vorher eine Schar vom Bunde Deutscher Mädchen den Turm bestiegen hatte, und die im Forsthause mit Ausbesserungsarbeiten beschäftigten Handwerker vor wenigen Minuten aus diesem gegangen waren.
Die an der Burg entstandenen Schäden wurden wieder ausgebessert, so daß der ehrenwürdige Bau nach wie vor das Auge der Besucher erfreut.
Ein Gang durch die Burg
Mächtige Eichen und Buchen hüllen Burg Rabenstein in ihren grünen Mantel. Unter ihrem Schattendache steigen wir aus dem im Westen gelagerten Tale auf vielfach gewundenem Pfade zu der 153 Meter über dem Meeresspiegel und 50 Meter über der Talsole sich erhebenden Feste empor.
Oben angekommen, bleiben wir überrascht von dem sich dem Auge bietenden romantischen Bilde stehen.
Eine steinerne Brücke führt über den jetzt zugeschütteten Burggraben zu einem düsteren spitzbogigen Torhaus.
Es ist tief und stark gebaut und läßt noch die Spuren von dem ehemaligen Fallgatter und den Öffnungen erkennen, aus denen man siedendes Öl und kochendes Wasser goß, um den Feind abzuhalten, wenn dieser sich der Brücke bemächtigt haben sollte.
Neben dem Torhaus erhebt sich der massige Bergfried, der eine Höhe von 30 Metern und einen Durchmesser von 18 Metern besitzt. Von ihm aus bietet sich eine weite, fesselnde Rundsicht über die dunklen Wälder, die wogenden Getreidefelder, die Höhen des Flämings und seine in Obsthaine gebetteten freundlichen Dörfer mit ihren ernsten altersgrauen Kirchlein, deren meterdicke Mauern aus Findlingssteinen gebaut sind und nur kleine, schießschartenähnliche Fenster in ziemlicher Höhe zeigen, weil sie den Bewohnern in Kriegszeiten als feste Burg und letzte Zufluchtsstätte dienten.
Der Bergfried trug ursprünglich eine kurze Spitze, die aber wegen Baufälligkeit abgetragen werden mußte. Die so entstandene Plattform wurde mit Zinkplatten belegt und der Rand mit einer durchbrochenen Sandsteinbrüstung versehen.
Aus dem hohen Torbogen überschauen wir den ovalen Innenhof. Links begrenzt ihn gegen den steilen Bergabhang hin eine hohe, altersgraue Mauer aus Feldsteinen, über die hinweg der Blick von der Tiefe angezogen wird, in welcher die Wipfel der Bäume ein grünes, wogendes Meer bilden.
Rechts erhebt sich das langgestreckte Wohnhaus mit den Wirtschaftsgebäuden, die sämtlich in geputztem Ziegelbau aufgeführt sind.
Ehe wir den Burghof betreten, schreiten wir durch ein kleines Pförtchen in der Mauer zu einem Rundgang um das alte Burggemäuer.
Brombeerranken, wilde Rosen, rote Blutsnelken und blaue Glockenblumen wuchern um vermorschte Treppenstufen, die unter Büschen versteckt zum Tale hinabführen.
Tiefe, märchenhafte Einsamkeit, Waldesrauschen und der volle Zauber mittelalterlicher Romantik vereinigen sich zu einem Bilde von unvergeßlichem Eindruck.
Nach beendetem Rundgang durchschreiten wir das Torhaus, betrachten die in einer Mauernische an der rechten Hofseite stehenden beiden alten Geschütze – eine Kanone und ein Mörser -, die aus dem 16. Jahrhundert stammen und ehedem zur Verteidigung der Burg dienten.
Rechts am Tore führt in der Höhe des ersten Turmstockwertes eine Tür zu der bereits mehrfach erwähnten kleinen gotischen Kapelle, die für etwa 60 Personen Raum bietet.
Von 1720 bis 1860 wurde nachweisbar darin regelmäßig Gottesdienst gehalten.
Die bauliche Anlage der Kapelle zeigt auf ihre ursprüngliche Bestimmung als Rüstkammer hin.
Zur linken Seite führt die Treppe auf den Turm.
Eine hohe Linde breitet ihre weitausladenden Äste über die Mauern. Seitwärts vom Turme führt ein Pförtlein zu einem kleinen Altan, von dem aus man die schönste Aussicht der ganzen Burg genießt.
Unter uns fällt der Berg in Terrassen zum Tal ab.
Über grüne Baumkronen, in denen der Wind traute Zwiesprache hält, und über gesegnete Fluren schweift das Auge in die blau verdämmernde Ferne, wo harzduftende Wälder als dunkler Rahmen das liebliche Bild abschließen.
An der Nord- und Südseite der Mauern erkennt man noch die Spuren von den Zugängen zu den unterirdischen Gängen, aus denen bei Belagerungen der Feste der Ausfall der Besatzung erfolgte. Durch einen dieser geheimen Gänge soll nach der berichteten Sage Otto von Lypzk zur Befreiung der Geliebten in die Burg gedrungen sein.
Auf der Nordseite des Burgberges befand sich früher ein 157 Meter tiefer Brunnen mit vortrefflichem Wasser, das in einem an einer langen Kette hängenden Eimer mit einer Holzwelle hochgewunden wurde.
An seine Stelle ließ der Herzog von Anhalt 1850 eine Pumpe mit eisernem Gestänge setzen.
Als sich aber der Wasserspiegel infolge der Entholzung des Tales senkte, trat auf dem Rabenstein Wassermangel ein.
Deshalb ließ die herzogliche Verwaltung im Jahre 1863 mit einem Kostenaufwand von 7000 Talern eine Wasserleitung anlegen.
Eine auf der Burg in der Brennerei aufgestellte Maschine hebt das Wasser aus dem in der Nähe der Plane-Quellen gelegenen Sammelbrunnen und führt es in einer 3300 Fuß (etwa 1km) langen eisernen Rohrleitung auf den Berg zu einem vor dem Burghofe befindlichen, von alten Linden-Bäumen beschatteten Behälter.
Die Bauformen des Rabenstein zeigen jenen Stil, den wir den romanischen nennen, obgleich dieser seine Herkunft doch nur zu einem Teile der römischen Antike und zum andern Teile dem Orient verdankt, aber durch die schöpferische und belebende Kraft des deutschen Geistes unser eigen geworden ist.
Im 11. und 12. Jahrhundert, also in jener Zeit, in welche die Erbauung des Rabenstein fällt, war Mitteldeutschland zur klassischen Stätte dieses Stils geworden, für den also das Wort romantisch eigentlich nicht gerecht fertigt erscheint. Seltsamerweise ist man der Ansicht, daß der jüngere gotische Stil, welcher jenen ablöste, mit seinem licht-und schönheitsreichen Strebebau der altdeutsche sei, obgleich er seinen Ursprung in Nordfrankreich hat.
Die Eigenart der Bauweise des Rabenstein zeigt deutlich, daß diese durch vorhandenen Baustoff bedingt wurde.
Die ursprünglichen Teile der alten Feste sind aus dem Granit der Findlinge errichtet, die mit den Gletschern der Eiszeit aus den skandinavischen Gebirgen in den Fläming geführt und beim Zurückweichen des Eises in der großen Abschmelzungsperiode abgelagert wurden.
Die Härte dieses Steinmaterials ließ bei den damals noch nicht vervollkommneten Werkzeugen eine zierliche Bearbeitung desselben nicht zu. Die Formen sind daher ungefügig und massig. Der Bergfried sowie ein kleines halbrundes Gebäude mit Rundbogenfenstern im Burghofe zeigen diese Bauweise am deutlichsten.
Die zum Bau verwendeten großen Granitfindlinge entstammen wohl der nahen Neuendorfer Rummel.
Diese Rummeln sind eine typische Erscheinung des Flämings, die sich scharf ausgeprägt, vor allem in der näheren Umgebung des Rabenstein finden.
Der Name stammt jedenfalls aus dem Niederländischen und wurde von den flämischen Ansiedlern hierher verpflanzt. „Rummeln“ bedeutet im dortigen Sprachgebrauch soviel wie tosen oder lärmen, als Bezeichnung für das durch das Wildwasser verursachte Geräusch.
Die Rummeln erscheinen als wildzerklüftete Trockentäler, die durch die Schmelzwässer am Ende der Eiszeit in den weichen, sandigen Boden gerissen wurden und sich durch die nachfolgenden Schneeschmelzen und Gewitterregen vertieften.
Die Wände dieser romantischen Schluchten steigen bastionartig oft über zehn Meter empor, während auf dem Grunde mächtige Granitblöcke lagern.
Bei raschem Tauwetter und heftigem Gemitterregen füllen sie sich mit reißenden, donnernden Wildbächen, die nicht selten die gezogenen Dämme durchbrechen, die Felder überfluten und die Talmulden in wogende Seebeden verwandeln.
Die später entstandenen Teile der Burg zeigen die gotischen Formen.
Der Granit ist hier durch den Backstein ersetzt.
Mit künstlerischem Geschmack hat man den Stil der Eigenart des Baumaterials anzupassen gewußt.
Die Mauerflächen sind glatt und wenig gegliedert; auch fehlt jedes Zierwerk. Durch geschicktes Fugen der Ziegellagen ist jedoch ein schmuckhafter Eindruck geschaffen, der noch verstärkt wird durch das Übereckstellen der Ziegel in Nachahmung des antiken Zahnschnitts.
Auch der Rundbogenfries ist reicher gestaltet, indem man zwei Bogenreihen sich gegenseitig überschneiden ließ.
So bildet Burg Rabenstein in ihr ihrer Lage und Bauart den sinnfälligen Ausdruck der Flämingslandschaft, aus der sie weithin sichtbar emporragt: schlicht, trutzig, stark und ausdauernd.
Den Abschluß mõge eine Sage bilden, in der sich die ganze Romantik der Burg verkörpert:
Die Sage von Rosmarie vom Rabenstein.
Rosmarie, die Tochter des Ritters Konrad von Rabenstein, war eine wunderschöne Jungfrau.
Ihres langen blonden Haares wegen wurde sie von den Leuten die „Flachsjungfer“ genannt.
Seit langem schon aber muß sie als Strafe für begangene Frevel zur Nachtzeit ruhelos in der Burg umherwandeln.
Eines Abends hatte das schöne Burgfräulein mit den Eltern und dem Burggesinde in der Burgkapelle das hl. Abendmahl gefeiert, das der greise Pfarrer ihnen gereicht hatte.
Nach der guten Sitte und dem Willen der Eltern sollte Rosmarie sich nach beendeter Feier zur stillen Andacht in ihre Kemenate zurückziehen.
Der Jungfrau Sinn war aber auf das Weltliche gerichtet, und schon immer hatte sie sich aus der Enge und Einsamkeit der Burg hinausgesehnt.
Als sie nun das Fenster ihres Gemaches öffnete und in die Dunkelheit hinauslauschte, da vernahm sie aus dem Tale lockende Musik. Es war die Jugend des nahen Dorfes Raben, die dort fröhliche Johannisnacht feierte und sich jauchzend im Tanze drehte.
Da packte das Verlangen nach Tanz und Spiel und Lust das einsame Burgfräulein mit Macht.
„Warum“, so sprach sie zu sich, „soll ich einsam und verlassen hier trauern, während meine Jugendgenossen sich vergnügen und fröhlich sind!
Ich will auch meine Jugend genießen – nur auf wenige Stunden will ich sie genießen. Die Eltern werden es nicht merken und auch nicht erfahren; noch vor Mitternacht bin ich wieder zurück.“
Als sie nun das Fenster ihres Gemaches öffnete und in die Dunkelheit hinauslauschte, da vernahm sie aus dem Tale Lockende Musik. Es war die Jugend des nahen Dorfes Raben, die dort fröhliche Iohannisnacht feierte und sich jauchzend im Tanze drehte.
Rasch warf sie das dunkle Abendmahlsgewand ab und hüllte sich in ein helles, farbiges Kleid, über das sie einen dunklen Mantel warf. Unbemerkt stahl sie sich aus der Burg und eilte durch die kleine Mauerpforte und den Berg hinab ins Tal und nach dem Dorfe Raben. Hier vergnügte sie sich nach Herzenslust, denn an Tänzern mangelte es natürlich dem schönen Burgfräulein nicht.
In all der Lust vergaß sie die rechtzeitige Heimkehr, und Mitternacht war längst vorüber, als sie wieder durch die Seitenpforte in die Burg schlich.
Zur Strafe für ihren Frevel mußte sie zwölf Hemden nähen, aber nur alle fünfzig Jahre einige Stiche daran tun.
Seitdem sie aber die Hemden fertig genäht hat, sieht man sie in jeder Johannisnacht im langen, rosmaringeschmückten Brautschleier auf dem Turme der Burg Rabenstein sitzen.
Sie hält ein goldenes Spinnrad in den Händen, neigt lauschend das mit einem goldenen, strahlenden Stirnreif geschmückte Haupt über die Brüstung zum Tale und wartet auf den, der sie von dem bösen Zauber erlösen soll.
Ab und zu strählt sie ihr langes, blondes Haar, das wie helles Gold im Mondenschein schimmert.
Die Burgkapelle drunten ist matt erleuchtet, und durch die vergitterten bunten Fenster, die offen stehen, hört man leise, märchenzarte Orgelklänge.
In den hohen, reichgeschnitzten Kirchenstühlen sitzen die verstorbenen Ritter und Frauen des Geschlechts in schwarzen Gewändern.
Vor dem Altar aber steht der greise, gebeugte Pfarrer und spricht von dem frevelhaften Sinn der Menschen und ruft zur Buße.
Seine lauten, drohenden Worte übertönen das zarte Orgelspiel und dringen durch die stille Nacht an Rosmariens Ohr.
Die Jungfrau hört sie, schluchzt laut und weint.
So sitzt sie noch immer und wartet sehnsüchtig auf Erlösung von dem unseligen Fluch. Ihr Erlöser muß ein reiner und tapferer Jüngling sein, der es wagt, furchtlos zum Turme emporzudringen und die genähten Hemden von ihrer Seite zu reißen. Dann ist der schlimme Zauber gebrochen; sie reicht ihrem Befreier die Hand und belohnt ihn mit dem reichen Burgschatz, der in einem verborgenen Gewölbe ruht.
Tiefe, märchenhafte Stille breitet sich um die alte Feste, aber ihre Mauern reden eine gar laute und eindringliche Sprache.
Sie erzählen von der Macht und Größe vergangener Tage, von hochgemuten Rittern und edlen Frauen, von tapferen, tatkräftigen Geschlechtern und ruhmreichen Zeiten und von der Menschen Fleiß und Tüchtigkeit.
Sie berichten aber auch von harten, blutigen Kämpfen und verwüstenden Kriegen, von des Vaterlandes Ohnmacht und Zerrissenheit.
Und um so beglückender empfinden wir darum die Gegenwart, in der die Tat unseres Führers und Reichskanzlers A.H. unser deutsches Vaterland aus unheilvollem Verfall und tiefer Ohnmacht errettet, aus Parteizwist und der Schmach der Wehrlosigkeit und manigfacher Not riß, der uns eintezu einer opferbereiten, starken Volksgemeinschaft, uns das Vertrauen in die eigene Kraft wiedergab, aufbaute, was niedergebrochen war und Deutschland einer neuen, beglückenden Zukunft entgegenführt.
Richard Erfurth †
aus: Unser Heimatland vom 25.07.1936 und ff
Quellen-Nachweis:
– Chronik der Stadt Belzig 1740
– Geschichte der Stadt Belzig 1837
– Kirchenbuch des Pfarramts Raben
– Handschriftliche Aufzeichnungen des Amtsrats
Johannes Witte auf Burg Rabenstein
– Fritz Ebers: Das Burgenland des Fläming 1929
– Richard Erfurth: Geschichte der Stadt Wittenberg 1910
– Richard Erfurth: Bilder aus der Kulturgeschichte unserer
Heimat 1926
– Winkler: Belzig und seine Umgebung 1907