– Büßen oder Besprechen –
Bei den verschiedensten Krankheiten ist der Volksglaube recht stark beteiligt. Weitverbreitet ist das „Büßen“ oder „Besprechen“. Beides sind altdeutsche Wörter, welche die Bedeutung von heilen haben.
In dem Brauch liegt unbestritten ein Rest germanischen Heidentums, der sich trotz aller Aufklärung und allem Dagegeneifern von kirchlicher, ärztlicher, pädagogischer und anderer Seite mehr oder auch weniger versteckt mit großer Zähigkeit bis in unsere Tage erhielt und so manchen Schaden an Leben und Gesundheit verursachte.
Da diese „Sympathien“ Erfolge selbst in schweren, hoffnungslos scheinenden Krankheitsfällen aufzuweisen haben, bei denen die Kunst des Arztes versagte, so geben sie nach verschiedenen Seiten hin Rätsel auf und bilden ein dunkles Kapitel des Aberglaubens, dem schwer beizukommen ist.
Wissen doch die Büßenden – es sind vorwiegend Frauen – ihre „Kunst“ mit dem Schleier des Geheimnisvollen zu umgeben und sind durch nichts zu bewegen, ihren Vorrat an „Heilkraft“ spendenden Sprüchlein und Handhabungen (Fisematenten“) preiszugeben. Vielfach fürchten sie dabei wohl den Spott derer, „die an nichts glauben“, denn zum Erfolg ist der Glaube des Kranken notwendig, d.h. dieser muß dem Büßenden unbedingt vertrauen und sich ganz auf dessen Bußtätigkeit einstellen.
In der Suggestion und Autosuggestion liegt wohl auch der Schlüssel zu manchem sonst unerklärlichen Vorgange.
Der Büßende und die Kranken, die sich diesem anvertrauen, halten das Büßen und Versprechen keineswegs für unchristlich, zumal dabei der Name Gottes oder der hl. Dreieinigkeit gebraucht und gewöhnlich (nach katholischer Weise) das Kreuzeszeichen geschlagen wird.
Die Vorgänge beim Büßen sind verschieden.
Der Büßende befühlt oder bestreicht den Kranken, und während er leise die Bußworte flüstert, läßt er ihm wiederholt einen kleinen Schluck Wasser oder Wein nehmen.
Den Zeitpunkt des Trinkens gibt er ihm durch eine leise Berührung an, denn während des ganzen Vorganges darf der Büßende nur die Bußworte flüstern, während der zu Heilende gänzlich zu schweigen hat.
Bleibt im Glase ein Rest Flüssigkeit, so darf dieser nicht getrunken werden, sondern man muß ihn wegschütten.
Die Bußformel wird dreimal hintereinander geraunt, und die meisten Bußen werden in der Regel einen Tag um den andern gewöhnlich dreimal aber auch öfter wiederholt.
Es hält schwer, den Wortlaut solcher Bußformeln zu erlangen, da sie ängstlich geheim gehalten werden.
Sie sind auch vom Kranken nicht zu erfahren, da sie ja nicht laut gesprochen werden.
Nur derjenige, der das Büßen ernstlich lernen will, darf sie wissen. Sollen sie aber wirksam sein, so dürfen sie nur von einer Frau an einen Mann oder umgekehrt mitgeteilt werden, aber nie innerhalb des gleichen Geschlechts.
Eine Anzahl solcher Bußformeln, die festzustellen waren, sollen hier folgen:
1. Bei Brandwunden:
Mutter Maria ging über Land
und hielt einen Brand in der Hand.
Der Brand brenne aus und nicht ein.
Im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des
heiligen Geistes †††.
2. Bei Zahnrose:
Rosmarin und Jesu Blut
ist für diese Wunde gut.
Im Namen usw. †††
3. Bei Gesichts- oder Kopfrose:
Rose, du bist rot, weiß, blau oder gelb.
Die Wolken versammeln sich auch rot, weiß, blau oder gelb.
Sie sehen sich oder gehen auseinander.
So sollst du, Rose, auseinandergehn.
Das helfe Gott der Vater usw. †††
4. Bei gewöhnlicher Rose:
Zwei Jungfrauen gingen übern Berg
und wollten Kräuter holen.
Da kam der Herr Jesus,
und da haben alle Bäumlein gesungen,
alle Glocken geklungen,
alle Messen verlesen,
und die Rose soll verschwinden und verwesen.
Im Namen usw. †††
Oder
Die Rose, die so brennt und sticht,
die lieben alle Menschen nicht.
Im Namen usw. † ††
5. Bei der roten Rose:
Rote Rose, ich sag es dir,
rote Rose, ich komme zu dir,
rote Rose, geh weg von mir.
Im Namen usw. †††
6. Zum Stillen von Blutungen gebraucht man nachstehende
Formel:
Blut, steh still und vergiß deinen Lauf,
wie unseres Heilandes sel’ge fünf Wunden
am Kreuze still stunden.
Im Namen usw. †††
7. Bei Herzgespann auch Asthma:
Herzgespann, rücke dich!
Mit meinen zwei Fingern kreuzweis bestreich ich dich.
Im Namen usw. †††
Dabei streicht man dreimal in Kreuzesform über die schmerzende Stelle und bläst dreimal darauf.
Oder:
Herzgespann, weich von der Rippe
wie’s Pferd von der Krippe.
Im Namen usw.†††
8. Bei Zahnschmerz:
In meinem Munde da sticht (steckt) ein Zahn,
darinnen tu ich drei Würmer han,
die sind braun, gelb und rot.
Ich wollte, sie wären tot.
Im Namen usw. †††
Dabei sticht man wohl auch mit einem spitzen Span aus Eschenholz in das schmerzende Zahnfleisch, daß es leicht blutet und vergräbt alsdann den Span.
9. Bei Suchten und Schwächen:
Grünes Zweiglein, ich klage dir
alle meine Auszehrungen,
Schwindsucht, Brust-, Lungen- und Lebersucht,
Windsucht, Gliedersucht und Bleichsucht,
Gelbsucht, Magensucht und andere Suchten,
die büß ich dir,
bis ein kleines Vöglein kommt
und nimmt sie wieder ab von dir.
Im Namen usw. †††
10. Die sogenannte große Suchtenbuße lautet:
Ich trinke meines Leibes Kraft
im Namen Gottes des Vaters.
Ich trinke meines Herzens Saft
im Namen Gottes des Sohnes.
Ich trinke mein Lungen- und Leberblut,
das ist für alle Suchten gut.
Im Namen usw. †††
11. Bei Geschwulsten:
In Jesu Namen will ich das heilige Wort
und den Schwulst abstreifen,
und in Gottes Namen mag er’s verschlingen.
Im Namen usw. †††
12. Bei Halsbräune (Diphtheritis):
Bräune, geh nun aus dem Weg!
Du Bräune, bist so ganz im vollen Bedacht.
Bräune, du hast den Patienten gesund gemacht.
Im Namen usw. †††
13. Bei Warzen, die bei zunehmendem Monde gebüßt werden müssen:
Was ich sehe (das ist der Mond) nehme zu.
Was ich bestreiche, nehme ab.
Im Namen usw. †††
14. Bei offenen Wunden:
Jesu Wunden sind nicht verbunden.
Es schwellet nicht, es schwäret nicht.
Im Namen usw. †††
15. Zahnschmerzen vertreibt man auch auf folgende Weise:
Man schneidet aus dem Holz des Holunderbaumes einen Span, indem man spricht:
Liebe Frau Hölder,
leiht mir einen Spälter,
den bring ich euch wieder.
Im Namen usw. †††
Mit dem Span ritzt man das Zahnfleisch blutig und fügt diesen wieder in den Stamm ein.
Wir begegnen hier wieder dem germanischen Götterglauben, nach welchem der Holunder der Schutzgöttin des Hauses Holda (Frau Holle) geweiht war.
16. Auch beim Vieh
wird das Büßen oder Besprechen angewendet.
Hat sich ein Haustier „verfangen“ (aufgebläht), so wird nachstehende Bußformel gebraucht:
Hast du dich verfangen mit Futter,
so helf dir Gottes Mutter;
hast du dich verfangen im Wind,
so helf dir Gottes Rind.
Hast du sonst ’nen Schaden,
so helf dir unser Herrgott in Gnaden.
Im Namen usw. †††
Man wird bei diesen Bußformeln sehr lebhaft an die aus der heidnischen Zeit stammenden „Merseburger Zaubersprüche“ erinnert, die im 10. Jahrhundert aufgezeichnet sind und im Jahre 1841 durch Professor Waitz in der Merseburger Stiftsbibliothek entdeckt wurden, wo sie noch heute als wertvolles Kultur- und Literaturdenkmal gezeigt werden.
Zum Vergleich möge der zweite Zauberspruch über den verrenkten Fuß eines Pferdes (nach der Übersetzung von R. Simrock) hier folgen:
Phol¹) und Wodan fuhren zu Holze;
da ward Baldurs Fohlen der Fuß verrenket.
Da besang ihn Sindgund und Sunna, ihre Schwest’r.
Da besang ihn Freya und Bolla, ihre Schwest’r,
So die Beinverrenkung, so die Blutverrenkung, wie die Gliederverrenkung.
Bein zu Beine, Blut zu Blute,
Lide zu Lide, wie geleimt saßen sie.
Im Namen usw. †††
1) Phol ist ein Beiname des Lichtgottes Baldur;
die übrigen Namen bedeuten mythologische Göttinnen.
Auch ohne besondere Formel werden Büßungen ausgeführt, so z.B. beim Büßen von Warzen.
Man knüpft in einen Zwirnsfaden soviel Knoten als Warzen zu büßen sind. Dabei wird gesprochen:
„Im Namen usw.“ und die drei Kreuze geschlagen.
Der Faden wird hierauf in einem Grabhügel oder unter der Dachtraufe, an einem Kreuzwege oder unter einem alten Weidenbaume vergraben, an einer Stelle, wo man nicht wieder hinkommt.
Wenn der Faden verfault ist, fallen die Warzen ab.
Gegen Warzen werden überhaupt eine ganze Reihe von Mitteln zur Anwendung gebracht.
So entfernt man diese, indem man sie durch die Leichenwäscherin mit dem Gesichtstuche der Leiche oder mit dem Totenhemd abwischen läßt, was stillschweigend geschehen muß.
Den gleichen Erfolg erzielt man, wenn die Leichenfrau stillschweigend mit einem durchgeschnittenen Apfel die Warzen bestreicht und diesen dann dem Toten in den Sarg legt.
Auch wischt man mit schwarzen Schnecken oder mit einem abgelösten Hühnerauge darüber oder bestreicht sie bei abnehmendem Monde mit Sauerteig.
Einen Bruch heilt man ebenfalls unter Mithilfe einer Leiche, indem man nämlich mit der Totenhand darüber streicht.
Gegen Zahnschmerzen wird ferner folgendes Mittel empfohlen: Man geht an einen abgelegenen Ort, gräbt ein Loch und pustet dreimal hinein und geht sodann drei Schritte rückwärts.
Gesprochen darf währenddem nicht werden, auch darf man den Ort nicht wieder betreten, sonst kehrt die Krankheit verschlimmert zurück.
Um das Wechselfieber zu vertreiben, gibt man dem Kranken Gerstenkörner in die Hand und steckt diese nachher in die Erde. Wenn die daraus hervor wachsenden Halme beständig zittern, so ist das Fieber auf sie übergegangen und der Kranke davon geheilt.
Manche Krankheiten nagelt man auch an die Eiche.
Zu diesem Zweck berührt man mit einem alten Sargnagel den leidenden Körperteil des Kranken.
Dieser stellt sich dann barfuß mit dem Rücken an den Eichenstamm, und während der Büßende seinen Spruch flüstert, schlägt er den Nagel dicht über dem Kopfe des Kranken in den Stamm.
Oder man bohrt ein Loch in die Eiche und legt ein mit Blut, Eiter oder Schweiß des Kranken getränktes Läppchen oder auch Haare oder abgeschnittene Nägel desselben hinein, fügt einen Zettel mit seinem Namen hinzu und verschließt das Loch mit einem Holzpflock.
So ist die Krankheit eingeschlossen und verläßt den damit Behafteten.
Zieht jemand den Pflock heraus, so geht die Krankheit auf ihn über. Die Gicht suchte man dadurch zu heilen, daß man den Kranken durch eine Öffnung zog, die von zwei miteinander verwachsenen Eichenstämmen gebildet ist.
Um krante Körperteile zu heilen, fertigt man von ihnen in katholischen Gegenden Nachbildungen in Wachs oder im Bilde an. So erklären sich derartige Nachbildungen in den Wallfahrtskirchen.
– Behexen –
Ein Stück finsteren mittelalterlichen Aberglaubens bildet auch das „Behexen“.
Fast ausnahmslos sind es Frauen, denen man den „bösen Blick“ und daraus entstandenes Unheil andichtet.
Viel Unfrieden und Unglück ist durch diesen Irrwahn hervorgerufen worden.
Schaut eine solche Frau in einen Kinderwagen, so gedeiht das darin liegende Kind nicht.
Doch kann man den bösen Zauber brechen, wenn man mit dem Kinde über drei Ortsgrenzen geht.
Auch das anhaltende Schreien desselben wird auf den bösen Blick zurückgeführt, mit dem man auch das Augenzwinkern gleichstellt. Trifft man eine damit behaftete Frau, so soll man vor ihr ausspucken. Selbst das Vieh kann durch den bösen Blick „verhext“ werden.
Kühe geben dann keine Milch mehr oder nur blaue, wässerige, und die Schweine fressen nicht mehr und nehmen ab.
Das Behexen kann auch dadurch geschehen, daß die betreffende Person dem Nachbar eine Speckschwarte, die bei räudigem Vieh gebraucht wurde, über den Zaun wirft.
Wird eine Spinne gekaut und dem andern eingegeben, z.B. mit dem Essen, so stirbt dieser daran.
Das geschieht auch schon, wenn man ihm die zerkaute Spinne „auf den Bauch legt“. Dabei spielt wohl die Annahme von der Giftigkeit der Spinne eine Rolle.
Daß die Krankheiten und Gebrechen meist ganz natürliche Ursachen haben und nicht selten die Folge von falscher Behandlung oder Vernachlässigung einer Krankheit, mangelhafter Pflege und Sauberkeit sowie ungenügender Zufuhr von Licht und Luft sind, das wird von den vom Hexenwahn Besessenen nicht eingesehen.
Gegen das Behexen werden allerlei Mittel empfohlen.
Man nagelt z.B. einen Uhu mit ausgebreiteten Flügeln an die Stalltür, malt mit Kohle drei Schwarze Kreuze oder mit Blut ein rotes daran, besonders in der Walpurgisnacht.
Sind die Kühe im Stalle verhext, so läßt sich der Zauber aufheben, wenn man drei Strohhalme aus der Streu über drei Grenzen trägt. Fährt man mit dem Wagen an der Wohnung einer „Hexe“ vorüber, so muß man dreimal mit der Peitsche knallen, damit Pferd und Wagen sowie das Vieh im Stalle daheim vor ihrer bösen Macht geschützt sind.
Man sieht auch hier wieder, wie der heidnische Aberglaube sich mit der christlichen Dreizahl verbindet.
Von einer Hexe darf man nichts erbitten.
Ist durch ihre Künste Ungeziefer auf den Acker gekommen, so kann man dieses dadurch vertreiben, daß man Asche von Lindenholz darauf streut.
Raupen vertreibt man vom Kohl, wenn man vor Sonnenaufgang das Kohlstück dreimal mit Birkenruten umwandelt und dabei dreimal spricht:
„Raupen, packt euch; der Mond geht weg, die Sonne kommt.“
Es gibt an manchen Orten Personen, die mancherlei Schutzmittel gegen das Behextwerden abgeben – meist Zettel mit sinnlosen Wörtern.
Als ein solches Schutzmittel gelten auch Kümmelkörner.
Deshalb tragen in manchen Gegenden Braut und Bräutigam während der Trauung diese neben Dill und Salz in der Tasche.
Nicht immer geschieht das Behexen mit Absicht.
Die mit dieser unheimlichen Gabe Behafteten werden durch einen dunklen, unwiderstehlichen Drang dazu getrieben.
Fehlt ihnen die Gelegenheit zur Betätigung oder werden sie daran verhindert, so erkranken sie selbst und schwellen namentlich im Gesicht an.
Die Katzen und namentlich die schwarzen werden – wohl wegen ihres schleichenden Wesens und ihrer nächtlichen Lebensweise – mit den Hexen in Verbindung gebracht.
Darauf beruht wohl auch das „Katerschlagen“ in Pohritzsch bei Bitterfeld, das auf das Austreiben der Hexen zu deuten ist, wobei der Besen als Hexeninstrument eine Rolle spielt.
In vielen Fällen folgt man in Gebräuchen alten Zaubervorschriften, ohne sich dessen überhaupt bewußt zu sein.
So verbindet manche Mutter ihrem Kinde den verletzten Finger und dreht dabei den Zwirnsfaden zu, vermeidet also, einen Knoten zu schlingen.
Sie denkt dabei gar nicht an die alte Zauberregel, nach welcher mit dem Knoten „die Heilung zugebunden“ wird.
Sie hat diese Art des Zubindens bei der eigenen Mutter gesehen und setzt sie lediglich fort.
– Kobold, Drachen, Rickert –
An manchen Orten haftet der Glaube an den Kobolt (Kowelt) noch fest im Volle.
Er tritt entweder als guter oder als böser Hausgeist auf, je nachdem man sich zu ihm stellt.
Der Koboldglaube hat seinen Ursprung wohl im Ahnenkult unserer germanischen Vorfahren.
Starb der Altvater einer Sippe, dann ging nach deren Glauben seine Seele nach wie vor im Hause um.
In einer Ecke der Wohnung wurde ein Bildnis des Alten angebracht, vor das die Hausbewohner alles brachten, was ihr Herz bedrückte, und von dem sie sich Rat, Trost und Stärkung holten.
Die christlichen Sendboten, welche die germanischen Götter teils zu bösen, unholden Mächten stempelten, teils ihnen christliche Deutung gaben, wandelten auch den Ahnenkult und gaben ihn der Verachtung preis.
Als Kobold aber treibt er insgeheim sein Wesen weiter.
Dem Besitzer des Hauses bringt zwar ein solcher Hausgeist mancherlei Vorteile, aber es ist doch recht anrüchig, „den Kobold im Hause zu haben“,
Vielfach spielt dabei der Neid eine Rolle, der dem Nachbar seine Erfolge mißgönnt und den Ursprung seines Wohlstandes zu verdächtigen sucht.
Der Kobold schafft auf Verlangen Geld und Gut herbei und pflegt das Vieh im Stalle, so daß es wunderbar gedeiht.
Nur darf man ihm nicht zuviel zumuten, sonst wandert er aus. Vielfach verrichtet er auch im Schutze der Nacht die Arbeit des Menschen und leistet dabei ein Vielfaches davon.
(Vgl. die Sage von den Heinzelmännchen.)
Zuweilen nimmt der Kobold den Kopf zwischen die Schultern und rollt den Körper auf dem Hausboden entlang.
Daher die Bezeichnung „Kobolzschießen“ für Purzelbaum schlagen. Fluchen und Poltern ist ihm zuwider, wenngleich er selber oft genug lärmt und tobt, so daß den Hausbewohnern angst und bange wird. Auch fromme Gesänge, Choräle kann er nicht hören und nimmt vor ihnen Reißaus.
Mit Vorliebe wählt er den Schornstein oder den Hausboden zu seinem Sitz.
Nachts kann man ihn auch auf dem Dache erblicken oder als feurigen Drachen in den Schornstein fahren sehen.
Ein solcher Drachen muß mit Milch und Brot gefüttert werden.
Beim Sterben des Vaters verpflichtet sich der Sohn, diesem den Drachen abzukaufen, weil sonst der Vater vom Teufel geholt wird. Bei diesem Aberglauben überschneiden sich zwei mythische Vorstellungen: der schatzhütende Lindwurm und die mittelalterliche Teufelsverschreibung.
Zuweilen nimmt der Kobold auch die Gestalt einer schwarzen Katze oder eines schwarzen Pudels an; sonst zeigt er sich als altes graues Männchen mit großen Glotzaugen und einem Büschel gelber Haare auf dem Kopfe.
Im Hause verübt er mancherlei Unfug; er zieht den Mägden nachts das Deckbett fort, versteckt sich im Fasse und rumort darin, springt plötzlich aus seinem Versteck hervor und den Menschen auf den Rücken.
Dem Müller zieht er das Wehr auf, so daß die Mühle plötzlich in Gang gesetzt wird.
(Vgl. das Märchen: „Der Kobold in der Mühle“ von Ludwig Bechstein.)
Aus einem Hause, in welchem ein Kobold wohnt, darf man nichts borgen, sonst zieht man sich diesen in das eigene Haus.
Eine Abart des Kobold ist der Nickert oder Nix, der im Wasser sich aufhält.
Man sucht kleine Kinder vom Teich oder Fluß abzuschrecken, indem man sagt, der Nickert wohnt darin.
Der Name stammt offenbar von dem wendischen Regengott Nikus. In Verbindung damit steht der Glaube an die Wassergeister, die Nixen, und die zahlreichen Nixensagen.