Einige Grabplatten, die in die Mauer der Kapelle zum hl. Leichnam auf dem Kirchplatz eingemauert sind, erregen unser Interesse.
Es sind die einstigen Deckplatten der Gräber des berühmten Buchhändlers Bartholomäus Vogel und seiner nicht weniger geschäftstüchtigen Frau Barbara sowie eines Kindes der Eheleute. Selbstbewusst und in der Tracht der Reformationszeit mit der bekannten Schaube angetan steht Vogel in Lebensgröße da, in der Hand hält er das Barett.
Sein Wappen verwittert immer mehr, jetzt ist es gerade noch so zu erkennen: Wappen mit Helmzier, im Wappenschild ein Schrägband, auf dem drei Vögel (vermutlich Schwäne) hintereinander gehen.
Es bezieht sich also auf den Namen des Wappenträgers, ist ein sogenanntes „redendes“ Wappen.
Barthel Vogel, wie er häufig in den Akten genannt wird, stammte wie so viele berühmte Zeitgenossen des 16. Jahrhunderts, nicht aus Wittenberg. Sein Geburtsort ist Wolkenstein, doch bleibt sein Geburtsjahr wie seine Jugendzeit im Dunkeln.
Sehr jung, man spricht davon, dass er schon als Knabe nach Wittenberg kam, zog er nach hier um zu studieren.
Durch widrige Umstände wurde er völlig mittellos und musste als Kaufmannslehrling seine Laufbahn beginnen.
In welcher Branche er überhaupt zunächst tätig war, ist nicht bekannt, feststeht aber, dass er eine gründliche Lehre durchmachte und hellwach alles in sich aufnahm, was zu einem Kaufmann in dieser vorwärtsstürmenden Epoche notwendig war.
Als er sich selbständig machte, handelte er mit Eisenwaren und anderen Waren, die ihm einen reichen Gewinn brachten.
Die inzwischen durch Luther und seine Mitarbeiter veröffentlichten Schriften, die, wie er es bei Cranach und Döring beobachtete, einen guten Gewinn abwarfen, ließen in ihm den Gedanken zur Wirklichkeit werden, ebenfalls in das Buchgewerbe einzusteigen.
So finden wir ihn schon ab 1527 als Buchhändler und Verleger in Wittenberg.
Nach und nach verlegte er sich ganz auf den Buchhandel und auf den Vertrieb von Papier und Pergament.
Das große Geschäft sollte aber erst kommen, als das Unternehmerpaar Cranach – Döring sich trennte und Döring schließlich sämtliche Privilegien, den gesamten Büchervorrat und den ganzen Verlag an das Dreigestirn
– Barthel Vogel,
– Moritz Goltz und
– Christoph Schramm
für nur 800 rheinische Gulden verkaufte.
Jetzt war der Weg frei und die Genannten konnten, nachdem sie sich vom sächsischen Kurfürsten ein Privileg besorgten, ungehindert zum Druck der von Luther ins Deutsche übersetzten Gesamtbibel übergehen.
Ab 1534 bis 1626 wurden schließlich, um sich überhaupt einmal ein Bild von der damaligen geschäftlichen Tätigkeit zu machen, 100 verschiedene Bibelausgaben mit rund 200 000 Stück gedruckt, davon allein in Wittenberg die Hälfte dieser stattlichen Zahl.
Vogel hatte als führender Kopf des Konsortiums allein auch andere Schriften verlegt.
Er konnte es sich leisten, dass er seine Außenstände in Frankfurt am Main und Leipzig zur Messezeit durch von ihm Beauftragte einziehen ließ.
Ferner hatte er auswärtige Handelsplätze und Filialen, alles brachte ihm ein großes Vermögen ein, so dass er schließlich 6 051 Gulden Handelskapital versteuerte und damit an der Spitze der reichen Bürger stand (Cranach war erst der fünfte Händler dieser Reihe). Nach Vogels Tode 1569 führte seine tüchtige Witwe das Geschäft weiter, bis es in die Hände des Buchhändlers Andreas Hoffmann überging.
Heinrich Kühne †
***
aus: Freiheit vom Mai 1980