Bei der innigen Natur-Verbundenheit des deutschen Volkes, dessen Seele wie der Vogel um Wald und Hain, Wiese und Feld schwebt, kann es uns nicht wundern, daß Bäume, Sträucher, Blumen und Kräuter sich in seinen Sitten und Gebräuchen widerspiegeln.
Die Eiche war bei unseren germanischen Vorfahren dem die Blitze sendenden Gott Donar geweiht.
Darum darf man sich bei einem Gewitter nicht unter diesen Baum stellen.
Von den Eichen mußt du weichen,
doch die Buchen sollst du suchen.
Daß der letztere Baum vor dem Blitzstrahl sicher sei, ist freilich, wie die Erfahrung lehrt, eine irrige Annahme.
Gegen mancherlei Krankheiten sucht man bei der Eiche Hilfe. Gepulverte Eichenblätter auf die Wunden gestreut, sollen diese zusammen ziehen.
Wie man Krankheiten an die Eiche nagelt und mit ihrer Hilfe die Gicht zu heilen sucht, wurde bereits ausgeführt.
Die Linde war der Göttin der Liebe Freya oder Frigga geheiligt und ist darum gegen den Blitz gefeit.
Rührt man Lindenknospen in den ersten Brei des Kindes, so bekommt dieses niemals Zahnschmerzen.
Als Rechts- und Dingbaum wurden unter der Linde die Beratungen der Gemeinde abgehalten und die Beschlüsse gefaßt.
In manchen Orten finden die Gemeindeversammlungen noch heute unter der Dorflinde statt.
Auch die Gerichtsurteile werden unter ihr gefällt; namentlich tagte das Femgericht unter der Linde.
Bekannt ist die alte Femlinde bei Dortmund.
Die Linde war auch der Baum der Toten und wurde auf ihre Gräber gepflanzt.
AIs jedoch später den Lebenden das Erdreich zu knapp wurde, mußten die Toten näher aneinander rücken, und da erwies sich der Lindenbaum als zu breitästig; er mußte der Zypresse weichen, die sich mit geringerem Raume zu bescheiden weiß.
Die Linde hat aber deswegen nichts an Bedeutung eingebüßt, sondern ist im Gegenteil noch berühmter geworden.
Keinen anderen Baum hat das Volkslied und die Kunstdichtung so verherrlicht wie die Linde.
Sie hat ihre altheidnische Heiligkeit und ihren juristischen Ernst preisgegeben und sich mehr und mehr zum Liebesbaum gestaltet. Liebenden ist der Lindenbaum nicht allein Beschützer, sondern auch Arzt.
Bekanntlich erkälten wir verweichlichten Kulturmenschen uns in Sommernächten sehr leicht, und wenn daher Liebespaare sich im Mondenschein unter der blühenden Linde einen Schnupfen geholt haben, so hilft dagegen der schweißtreibende Lindenblütentee und Lindenblütenhonig.
Über die Birke als Maibaum und Pfingstmaie wurde bereits berichtet.
Die Birkenrute hinter dem Spiegel ist das Sinnbild für Zucht und Ordnung im Hause.
Sie galt aber auch als Hexeninstrument, mit dessen Hilfe z. B., wie bereits erwähnt wurde, man die Raupen vom Kohl vertrieb.
Wenn man einige Früchte der Kastanie in der Tasche bei sich trägt, so bleibt man nach dem Volksglauben von Zahnschmerzen verschont.
Kleinen Kindern hängt man eine Schnur mit Kastanien um den Hals, um ihnen das Zahnen zu erleichtern.
Die Esche ist der wichtigste Baum der nordischen Mythologie.
Eine besondere Stelle in dieser nimmt die Weltesche Yggdrasil ein.
AIs ein Überrest dieser Weltanschauung darf wohl der „Wetterbaum“ angesehen werden, womit man eine eigentümliche Wolkenbildung bezeichnet.
Bei den alten Germanen gehörte der Wacholder, im Platt deutschen Machandelbaum genannt, zu den geheiligten Gewächsen.
In der alten Kirche gebrauchten die Priester in der Messe Wacholderbeeren zum Räuchern; daher führen diese in Westfalen noch heute den Namen „Weyeckeln“, d.i. Weihbeeren.
Dem Wacholder werden allerlei Heilkräfte zugeschrieben.
Will man Warzen vertreiben, so geht man unter Mittag zu einem Wacholderstrauch, schneidet drei kleine Zweige ab, legt diese auf die Erde und beschwert sie mit drei Kieselsteinen.
So wie die Zweige vertrocknen, verschwinden auch die Warzen. Wenn Kinder kränkelten, so steckte die Mutter Wolle und Brot in den Wacholderbusch einer anderen Feldflur und sprach dabei:
„Ihr Hollen und Hollinnen,
hier bring ich euch was zu spinnen
und zu essen.
Ihr sollt spinnen und essen
und meines Kindes vergessen.“
Dem liegt der Glaube zugrunde, daß im Wacholder die Kobolde und bösen Geister wohnen, welche die Krankheit des Kindes verursachten.
Der Fuhrmann nimmt zum Peitschenstiel gern einen Wacholderstock, damit niemand seine Pferde „festbannen“ kann, und der Bauersmann raucht gern aus einer Pfeife von Wacholderholz.
Man schrieb dem Wacholder sogar die Macht zu, Diebe zu zwingen, das gestohlene Gut wiederzubringen.
Zu diesem Zwecke ging man vor Sonnenaufgang zu einem Wacholderstrauch, bog mit der linken Hand seine Zweige nach Osten auf die Erde und legte einen Stein darauf. Dabei sprach man:
„Wacholder, ich tu dich bücken und drücken,
bis der Dieb dem … (Name)
sein Gestohlenes wiedergebracht hat.“
Sobald der Dieb das getan hatte, mußte man den Stein wieder an seinen Ort zurücktragen.
Eigenartig war der Glaube, daß der ermüdete Wanderer nur kurze Zeit unter einem Wacholderbusch zu schlafen brauche, um mit frischen Kräften aufzuwachen.
Martin Luther übersetzte wohl auch aus diesem Grunde in
1. Könige 19 V. 4 u. 5 ein Wort, das eigentlich eine auf dem Horeb wachsende Ginsterart bezeichnet, mit Wacholder:
„Elias legte sich und schlief unter dem Wacholder.“
An den Haselnußstrauch knüpfen sich mancherlei Sitten und Gebräuche als Reste germanischen Heidentums.
Die alten Gerichtsstätten wurden während der Verhandlung durch Haselgerten abgegrenzt, und niemand aus dem versammelten Volke durfte diese Grenze überschreiten:
„Abgesteckt durch Haselgerten
war ein Ring mit rotem Faden,
mehr geschützt vor Volkes Andrang
als durch feste Eisenschranken;
denn geheiligt war die Hegung.“
Julius Wolff
Wenn man vor Einbringen der Ernte in die Scheune auf die Tenne drei Kreuze aus Haselnußzweigen legte, so war das Getreide darin vor allem Schaden geschützt.
Haselnußzweige in den Ställen schützten das Vieh vor Krankheiten. Mit einer Haselgerte konnte man sogar einen Abwesenden durchprügeln.
Zu diesem Zwecke mußte man am Karfreitag vor Sonnenaufgang den Haselstock stillschweigend, das Gesicht nach Osten gewendet, mit drei Schnitten abschneiden.
Schlug man dann damit irgend ein Kleidungsstück dessen, dem die Prügel zugedacht waren, so empfand dieser, und mochte er noch so weit entfernt sein, die Schmerzen dieser unsichtbaren Hiebe.
Bekannt ist die Verwendung der gabelförmigen Haselgerte als Wünschelrute, mit der man verborgene Schätze zu heben vermag. Hierzu eignen sich am besten einjährige Triebe, weil sie von ihrer geheimen Kraft durch den Einfluß der Witterung noch am wenigsten ein gebüßt haben.
Ihr Lostrennen vom Stamme muß rasch erfolgen, damit dieser nicht Zeit hat, die Kraft aus dem Zweige herauszuziehen.
Auch ist die Zeit, in welcher die Rute geschnitten wird, von Bedeutung.
Am besten wählt man dazu die Christnacht oder die Nacht zu den Hl. Dreikönigen.
Die Rute muß bei Neumond gesucht und unter gewissen Zaubersprüchen vor Sonnenaufgang geschnitten werden.
In der Gegenwart ist bekanntlich die Wünschelrute beim Aussuchen von Wasseradern und Erzen durch die „Rutengänger“ wieder vielfach zur Anwendung gekommen.
Hierbei wendet man auch Wünschelruten aus Metall an sowie siderische Pendel (Kohlenstücke, die an einem Faden hängen).
In manchen Gegenden galt die Mistel als Wünschelrute, mit der man Diebe bannen, Schlösser sprengen und allerlei Krankheiten heilen konnte.
Mitten im Winter prangt dieses Schmarotzergewächs auf dem seines Blätterschmucks beraubten Baume im glänzenden Grün, und unwillkürlich hastet der Blick des Wanderers auf dem sonderbaren Strauche.
Es ist daher nicht zu verwundern, daß seit den ältesten Zeiten der Mistel besondere Aufmerksamkeit zuteil wurde, und daß sie in der Götterlehre verschiedener Völker eine bedeutsame Stellung einnimmt.
Auch in der nordischen Mythologie finden wir die Mistel als Zauberrute. Odin hält die Winterrute, der „Wunsch“ genannt, in seiner Rechten, und durch die Berührung mit ihr versenkt er Brunhilde und mit ihr die ganze Natur in den Todesschlaf des Winters, bis der jugendschöne Held Siegfried, die Frühlingssonne, erscheint, den starren Eispanzer bricht und mit seinem Strahlenkusse die Schlafende wachküßt.
Eine hervorragende Rolle spielt die Mistel in der Baldursage, denn der aus einem Mistelzweig geschnitzte Pfeil war es, mit dem durch einen Schurkenstreich des neidischen Loki der blinde Wintergott Hödur den lichten Frühlingsgott Baldur tötet.
Die Mistel gilt denn auch vielfach als Sinnbild des Falschen und Bösen:
„Im Eichenlaub als Vöglein singen
die Seelen, fröhlich und daheim;
die Mistelbeeren aber bringen
dem Teufel seinen Vogelleim.“
Nikolaus Lenau: „Savonarola“.
Um sich gegen böse Geister zu schützen, umgürtete man sich mit den Ranken des Bärlapp, warf auch daraus geflochtene Kränze in das Johannisfeuer, weshalb die Pflanze den Namen Gürtelkraut oder Johanniskraut trug.
Der Flachs, der in unseren Lagen mehr und mehr durch die Baumwolle verdrängt worden ist, gehörte zu den wichtigsten Kulturpflanzen.
Deshalb war auch bei seinem Anbau alles bis aufs kleinste durch alten Brauch geordnet.
Am besten sollte er gedeihen, wenn man ihn am 100. Tage nach Neujahr (10. April) in der Mittagsstunde aussäete.
Um das Gedeihen des Flachses zu befördern, mußten in Westfalen die Frauen zu Lichtmeß auf dem zum Flachsbau bestimmten Felde tanzen, wobei sie Holunderzweige in den Händen trugen, mit denen sie die Männer schlugen, welche sich ihnen näherten.
Mischte man gestohlenen Leinsamen unter die Saat, so gab das dem Flachse besonderes Gedeihen.
Um recht langen Flachs zu erhalten, sprang man durch das Johannisfeuer, indem man rief:
Flachs, Flachs!
Daß der Flachs dies Jahr
sieben Ellen wachs!“
Bei Mondlicht darf man nicht spinnen, sonst spinnt man sein eigenes Leichentuch; auch darf am Samstag kein Flachs am Rocken bleiben, weil dann die Hexen damit Unfug treiben.
(siehe: Über die Spinnstube)
Der Samen des Stechapfels wurde früher zu allerlei „schwarzen Künsten“ verwendet, in denen besonders die Zigeuner Meister waren.
Man streute den Samen auf glühende Kohlen, und die sich entwickelnden betäubenden Dämpfe versetzten die Beteiligten in einen seltsamen Rausch, in welchem sie alles zu sehen und zu hören glaubten, was man ihnen vorspiegelte.
Eine ähnliche Wirkung hatte das Bilsenkraut, das auch den Hauptbestandteil der berüchtigten Hexensalbe bildete, der man die wunderbarsten Einwirkungen auf das Gehirn zuschrieb.
Im Gegensatz hierzu rühmt man den Blättern des Wegerichs Heilkraft bei mancherlei inneren wie äußeren Krankheiten nach. Wer am Jakobstage (25. Juli) eine Wegewarte mit weißer Blüte findet und sie mit einem Geldstück ausgräbt und bei sich trägt, der ist hieb und stichfest und kann sich unsichtbar machen. Johanniskraut, welches an die Decke der Wohnstube gehängt wird, schützt das Haus vor Unglück und im Stalle befestigt die Haustiere vor Krankheiten.
Doch muß es in der Mittagsstunde des Johannistages stillschweigend gepflückt werden.
Wer das Kraut im Kriege auf der Brust trug, war gegen Kugeln gefeit.
Die Königsterze, im Volksmund „Himmelbrand“ genannt, besitzt die Kraft, Wunden zu heilen, wenn man mit ihren Blüten die Wunde berührte und dabei dreimal sprach:
„Unsere liebe Frau geht dreimal über das Land;
sie trägt den Himmelbrand in der Hand.“
Als Schutzmittel gegen das „Beschreien“ oder „Berufen“ der kleinen Kinder legte man diesen Berufskraut (Erigeron) in die Wiege. Eisenkraut (Verbena) diente als Wunschkraut.
Wer die Pflanze beim Aufgehen des Hundsterns sammelte, ehe sie von Sonne ober Mond beschienen war und dann bei sich trug, dem wurde jeder Wunsch, den er aussprach, erfüllt.
Band man einige Stengel des Krautes den Pferden unter den Schweif, so liefen diese bedeutend schneller.
Nagelte man die Wurzeln von Beifuß an die Haustür, so war das Haus vor dem Teufel und den bösen Geistern geschützt.
Deshalb räucherte auch der Landmann mit der Pflanze die Viehställe aus.
Der Holunder war bei den Germanen Frau Holder, der Göttin des Hauses, geheiligt.
Man begrub unter ihm die abgeschnittenen Haare und die ausgezogenen Zähne, damit niemand mit ihnen den Bewohnern des Hauses ein Gebrechen anzaubern konnte.
Noch heute gilt er dem Landmann als Hausapotheke, die ihm Mittel gegen die verschiedensten Leiden und Gebrechen liefert.
Um Kinder von Halsweh zu befreien, läßt man sie aus Holunderröhren trinken.
Fieber und Rotlauf sollen auf den Holunder übertragen werden, wenn man einen Zweig des Holunderbusches zur Erde biegt und dabei spricht:
„Zweig, ich biege dich,
Fieber, nun laß mich.
Holderast, hebe dich auf,
Rotlauf, setze dich drauf.
Ich hab dich einen Tag,
hab’s du nun Jahr und Tag.“
Metallgeschirr reibt man mit Holunderblüten, dann soll es nicht rosten und kein Gift annehmen.
Ebenso wäscht man hölzerne Geräte damit ab, um sie vor dem Holzwurm zu schützen.
Wenn die Blütenscheibe des Holunders recht dicht und gleichmäßig steht, so gibt es ein fruchtbares Jahr.
Die Erbsen müssen schweigend gelegt werden; dabei nimmt man drei Erbsenkörner in den Mund, die man nach vollendeter Arbeit vergräbt, dann werden die Erbsen nicht von den Vögeln aufgefressen.
Das kalte Fieber kann man heilen, wenn man soviel Erbsen als der Kranke Jahre zählt in Papier wickelt und dieses stillschweigend in ein fließendes Wasser wirft.
Die Zwiebel zieht alles Böse an sich;
darum wird sie beim Kochen den Pilzen beigelegt, um etwaige Giftpilze unschädlich zu machen.
Es braucht wohl kaum bemerkt zu werden, daß es ein überaus unzuverlässiges Mittel ist, ebenso wie der silberne Löffel, den man in das Kochgefäß legt.
Um Kohl vor dem Erfrieren zu bewahren, säet man ihn an Petri Stuhlfeier (22. Februar) oder am Aschermittwoch.
In eine Ecke des Kohlfeldes wird ein Besen gesteckt, dann bleibt dieses von den Raupen verschont.
Auch kann man diese auf folgende Weise vertreiben:
Man zerdrückt an jeder von den drei Ecken des Kohlbeetes oder des Kohlfeldes eine Raupe.
Von der vierten Ecke aber nimmt man eine solche und hängt sie im Schornsteine auf.
So wie diese im Rauch vertrocknet, vertrocknen auch die Raupen auf dem Kohl.
Um recht feste Kohlköpfe zu erhalten, legt man auf das festgeklopfte Saatbeet einen Stein.
Recht große Kohlköpfe glaubt man im Waldeckschen dadurch zu erreichen, daß man am Jakobitage (25. Juli) mittags zwischen elf und zwölf Uhr von der Kohlpflanze ein Blatt nimmt und spricht:
„Jakob, Dickkopp,
werde so dick wie mein Kopp.
Im Namen des Vaters, des Sohnes
und des Heiligen Geistes.“
Auf eine ganz eigentümliche Art meint man in der Wetterau sich reichen Kohlertrag zu sichern.
Während draußen der Kohl gesät oder gepflanzt wird, springt die Hausfrau auf den Küchenherd und ruft:
„Häupter wie mein Kopf,
Blätter wie meine Schürz,
Strünke wie mein Bein!“
Die Füße der Bruthennen schlägt man mit Brennesseln, damit sie auf den Eiern sitzen bleiben.
Da beim Gewitter das im Braubottich stehende oberjährige Bier leicht sauer wird, so legt man, um dieses zu verhüten, auf den Rand des Bottichs einen Strauß Brennesseln.
Den mit einer Federkrone versehenen Samen des Löwenzahns blasen die Kinder fort, um danach zu beurteilen, wie lange sie noch leben.
Die Federkrone wird deshalb auch von ihnen als „Laterne“ bezeichnet.
Von Kopfschmerzen befreit man sich, wenn man einen Grashalm mit sieben Knoten um die Stirne bindet.
Gibt die Sahne feine Butter, weil die Milch verhext war, so gießt man sie über einen Strauß Baldrian, was den Zauber aufhebt.
Wie die Eiche der König des Waldes, so ist die Rose die Königin des Gartens und als solche von jeher der bevorzugte Liebling unter den Blumenkindern.
Gleicherweise wie bei den Griechen und Römern, so spielt die durch Duft, Farbe und Form ausgezeichnete Blüte auch bei dem deutschen Volke eine sehr bedeutsame Rolle.
Sie ist das Sinnbild der Verschwiegenheit, weil sie ihr Inneres durch die große Anzahl der Blütenblätter verbirgt.
Daher rührt die Sitte, daß Mitteilungen, die verschwiegen bleiben sollen, sub rosa (unter der Rose) dem andern anvertraut werden.
Was wir kosen,
bleib unter Rosen
lautet ein alter deutscher Reimspruch.
Wie die Römer, so hingen im Mittelalter auch die Deutschen bei ihren Gelagen eine Rose als Sinnbild der Verschwiegenheit an die Decke des Gemachs, und Papst Hadrian der Vierte ließ sie aus gleichem Grunde in die Beichtstühle Schnitzen.
Auf den Beilen der Femrichter war ein Ritter abgebildet, der eine Rose trug, und sobald ein Mitglied der Feme eine Rose erblickte, mußte es diese küssen.
Wegen ihrer Schönheit ist die Rose der Jungfrau Maria geweiht und findet im Marienkult vielfache Verwendung.
Die alten Maler stellten Maria gern in eine Rosenlaube, und Rosen umranken zahlreiche Bilder der hl. Jungfrau.
Damit hängen wohl auch die Legenden zusammen, in denen die Himmelskönigin die Rose zur Retterin aus Gefahr bei verbotenen Almosen werden läßt, und von denen jene von der hl. Elisabeth, der Landgräfin von Thüringen, die bekannteste ist.
Bekanntlich haben auch die Perlen des Rosenkranzes, der in den Andachtsübungen der katholischen Christen gebrauchten Gebetschnur, die Form von Rosen, was diesem den Namen gegeben hat.
Besonders berühmt ist die „goldene Rose“, die vom Papste feierlich geweiht und als Sinnbild der Tugend hervorragenden Personen verliehen wurde.
Auch das Wappen D. Martin Luthers zeigt eine weiße Rose mit schwarzem Kreuz auf rotem Herzen und der Umschrift:
Des Christen Herz auf Rosen geht,
wenn’s mitten unterm Kreuze steht.
Als Rosette findet die Rose ebenfalls vielfache Verwendung, namentlich auch in der gotischen Baukunst, die ihre Bauwerke mit der acht oder zehnfach geteilten Fensterrose schmückt.
Sehr oft ist die Spitze der Türme durch eine steinerne Rose als Kreuzblume abgeschlossen, wohl um symbolisch anzudeuten, daß das menschliche Sein und Streben erst droben im ewigen Lichte zur Vollendung gelangen kann.
Das Vergißmeinnicht war die blaue Blume der Romantik, mit deren Hilfe Sonntagskinder verborgene Schätze zu heben vermochten.
Die Blüte des Maßliebchens, auch Gänseblümchen oder Tausendschön genannt, dient, wie bereits erwähnt, als Orakel bei dem bekannten Zupf und Fragespiel der jungen Mädchen:
„Er liebt mich er liebt mich nicht.“
Kinder sprechen dabei:
„Schläge, Schelte, gute Worte.“
Die weiße Wasserrose (Seerose), die sagenhafte Lotosblume des Morgenlandes, ist eine verzauberte Seejungfrau, die vom Nix eifersüchtig bewacht wird.
Der Jüngling, der sie besitzen will, muß sie um Mitternacht aussuchen, ihr zuerst freundlich zureden und sie dann mit einer Hand rasch brechen.
Mit dem Messer darf sie nicht geschnitten werden, denn dann fließt Blut aus ihrem Stengel, und der Bursche wird vom Nix in die Tiefe gezogen.
„Die Blume auf feuchter Wogenflur
hat das Volk Seerose getauft.
Die Sage geht, mit dem Leben nur
wird ihr Besitz erkauft.“
Roja Kellerbauer.
Die weiße Lilie ist das Sinnbild der Unschuld und Reinheit und findet sich als solches vielfach auf Bildern der Jungfrau Maria.
In katholischen Gegenden pflegt man an hohen Festtagen die Marienbilder in Kirchen und Kapellen mit Lilien zu bekränzen.
Die Lilie erscheint aber auch als Symbol der göttlichen Gnade.
An der Wittenberger Stadtkirche befindet sich ein hohes altes Steinbild aus dem 14. Jahrhundert, welches Christus auf dem Regenbogen sitzend als Weltenrichter darstellt.
Aus seinem Munde ragt ein Stab hervor, der auf der einen Seite ein Schwert, als Hinweis auf die Strafe; und auf der anderen Seite eine Lilie, als Hinweis auf die Gnade, zeigt.
Die gleiche Abbildung trägt das Wittenberger Kirchensiegel.
Mit Vorliebe wird die weiße Lilie auf die Gräber gepflanzt und gilt daher als Totenblume.
Vielfach wird sie aufgefaßt als ein Gruß des Verstorbenen an die Lebenden, und es geht die Sage, daß dessen Geist die Blume selbst auf den Grabhügel setzte, so in dem bekannten Volksliede:
Drei Lilien, drei Lilien
die pflanzt ich auf mein Grab.
Da kam ein stolzer Reiter
und brach sie ab.