Ausflugsziel am Radweg an der Elbe

1998.08.07. Mitteldeutsche Zeitung

Historisches Gebäude nach Sanierung übergeben –
Propst kam, um das Haus zu segnen

Wenn Eckhard Naumann zur Heuernte auf die Elbwiesen geschickt wurde, flitzte er auch immer beim Luthersbrunnen vorbei. Da gab’s Faßbrause, die wohl sehr lecker war, jedenfalls in der Erinnerung des Mannes.
Mittlerweile ist viel Wasser die Elbe runtergeflossen und Eckhard Naumann schon lange Oberbürgermeister von Wittenberg. Anläßlich der Wieder-Eröffnung des Luthersbrunnens aber erzählte er gestern diese Anekdote aus seiner Kindheit, während unterm Panzerglas das Wasser aus der Quelle plätscherte, an der Luther oft gesessen habe, wenn ihm die Übersetzerei der Bibel zuviel wurde.
Die Stadt selbst hatte sich nach der Wende mit der Sanierung des geschichtsträchtigen Ortes beschäftigt, diese jedoch später der Geschwister Hillebrand GmbH übertragen. Am 2. September 1997 war Baubeginn. Was geschaffen wurde, kann sich sehen lassen: Das komplett renovierte Haus erstrahlt in sanftem Gelb und ist schon weithin sichtbar. In der oberen Etage befinden sich Wohnungen, teilweise behindertengerecht. Das Brunnenhaus, respektive die Quelle mit dem gotischen Gewölbe, wurde liebevoll restauriert und ist ein Platz der Stille und Besinnung.
Gleich nebenan eröffnet sich dem Besucher das Restaurant – rustikal –
eingerichtet, gute deutsche Küche versprechend. Am Sonntag geht es ab 11 Uhr richtig in Betrieb und wird dann täglich von elf bis 24 Uhr geöffnet haben. Das dürfte besonders die Radler freuen, die über den Radweg R1/R4 aus Richtung Dresden nach Hamburg unterwegs sind – oder aus Wittenberg nach Elster. Mancher wird wohl künftig auch ausschließlich wegen des Lokals losradeln. Parkplätze für die mit dem Auto anreisenden Bewegungsmuffel sind auch reichlich vorhanden.

Vom einstigen Verfall des Luthersbrunnen ist nach elfmonatiger Bauzeit
nichts mehr zu sehen. Wo einmal der Katastrophenschutz einquartiert war,
können ab Sonntag Besucher einkehren.
Foto: A. Kuhn

Den beiden Betreibern, Heike Blosat und Stefan Köppe, jedenfalls ist zu wünschen, was Propst Heinrich Hamel. der eingeladen war, um das Haus zu segnen, so poetisch formulierte, daß es an dieser Stelle ungekürzt wiedergegeben werden darf:
„Mögen die einen sich in diesem Haus wohlfühlen, Frieden und gute Nachbarschaft halten. Mögen die anderen mit guter Küche, ehrlichem Schankmaß, freundlicher Art und fairem Preis die Gäste verwöhnen.“
Gekommen waren auch Mitglieder des Reinsdorfer Volkschores, die den Eröffnungsgästen deutsches Liedgut offerierten.

Die Quelle, die den Luthersbrunnen ihren Namen gab, ist wieder ein Ort
der Besinnung und der Stille.
Foto: Susanne Eckloff

„Am Brunnen vor dem Tore“, sangen sie oder
„Kein schöner Land in dieser Zeit“, aber auch
„Füllt mit Schalle/ Feiert die Halle/ Jubelchöre haltet bereit/ Alle Sor- gen, alles Zagen/ Sei gebannt aus dieser Zeit.“
Keineswegs frei von Sorgen und Zagen dagegen sind einige regionale Unternehmen, die maßgeblich daran beteiligt waren, daß das traditionsreiche Objekt am Ortsausgang der Lutherstadt in neuem Glanz erscheinen kann. Daß sie immer noch auf Geld warten, beklagten sie sich bei der Mitteldeutschen Zeitung. Geld schulde ihnen nicht der Bauherr, die Geschwister Hillebrand GmbH, sondern die Markant Wohnungsbaugesellschaft aus Köln. Sie war eine zeitlang als Großauftragnehmer von der Hillebrand GmbH eingesetzt, bis letztere die Geschicke vor Ort selber in die Hand genommen haben.
Diejenigen Firmen, die ausschließlich mit Markant kooperierten, haben aber wohl nach wie vor das Nachsehen. Der Baustoffhändler Timmler aus Wittenberg sagt, er habe wegen der hohen Außenstände bereits Mitarbeiter entlassen müssen. Der Gerüstbauer Kühn aus Ateritz erstatte im Februar Strafanzeige gegen Markant wegen des Verdachts auf vorsätzlichen Betrug, wozu ein Sprecher der Dessauer Staatsanwaltschaft auf Anfrage der MZ sagte:
„Momentan ist noch nichts ausermittelt. Es müssen noch zivilrechtliche Vorfragen geklärt werden, ob die Ansprüche gerechtfertigt sind.“
Es ist nicht bekannt, ob der Oberbürgermeister, als er von „den Kleinigkeiten, die noch zu klären sind“ sprach, derlei Querelen meinte. Jedes Bauvorhaben habe schließlich seine Probleme, die angesichts der Schönheit des Objektes und des Erreichten nicht überbewertet werden sollten“, sagte Eckhard Naumann.

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