Aus der Geschichte der Wittenberger Schulen
Die Stadt Wittenberg als kursächsische Hauptstadt hatte im Vergleich zu anderen Städten im Späten Mittelalter bereits ein gutes Schulwesen. So wird 1371 erstmals ein Schullehrer genannt. Es war damals aber nur für gutsituierte Väter möglich, ihre Söhne in eine solche Schule zu schicken, wo neben Lesen und Schreiben auch kleinere Rechenaufgaben gelöst wurden.
Schon frühzeitig ging man dazu über, Latein zu Lehren.
Die Gelehrtensprache war für den, der sie beherrschte, ein Weg, der zu höheren Ämtern und zum Studium an einer Universität führte.
Doch für die breiten Volksschichten blieben die Schultüren geschlossen. Das wurde anders, als Martin Luther sein berühmtes Sendschreiben
„an die Radherrn aller stedte deutsches lands, das sie Christliche schulen aufrichten und halten sollen“
veröffentlichte und 1530 seine
„Sermon das man Kinder zur Schulen halten solle“
folgen ließ.
Bereits 1528 hatte Luther den sächsischen Kurfürsten Johann veranlaßt, eine allgemeine Kirchen- und Schulvisitation vornehmen zu lassen.
Darunter verstand der Reformator allerdings in erster Linie eine Überprüfung der oben erwähnten Stadtschulen für die gehobenen Stände, ferner die Kloster-, Dom- und Pfarrschulen. Damit wollte Luther nicht zuletzt die Söhne veranlassen, Theologie zu studieren, denn es mangelt an guten Predigten, das sagte er deutlich:
„ Denn es vermeinen etliche, es sey genug zu einem Prediger, das er Deutsch lesen künnde. Solchs aber ist ein schedlicher wahn… Und solcher geschickter Leute darff man nicht allein zu der Kirchen, sondern auch zu dem weltlichen Regiment, das Gott auch will haben.“
Es ist immer wieder in erster Linie die Schule für die Weiterbildung an den Universitäten gemeint.
Für die Mädchen gab es überhaupt keine Hinweise. Dennoch muß man berücksichtigen, daß außerhalb dieser Anordnungen schon „Schreib- und Rechenmeister“ tätig waren, die eine Art Privatschulen hatten zwecks Ausbildung von zukünftigen Kaufleuten und geschickten Handwerkern, war den anderen in der Stadt weit voraus. Eine Schule dieser Art, wo aber sogar Latein gelehrt wurde, befand sich in Wittenberg am Kirchplatz, und zwar in der südwestlichen Ecke. Es war ein mehrstöckiges Fachwerkhaus und hatte in der oberen Etage die Wohnung des Schulleiters. Hierin gingen – vermutlich ohne Zwang – also eine größere Anzahl der Wittenberger Jungen. Man muß sich das aber ganz einfach vorstellen, denn 1526 heißt es in einer Ordnung:
„Wan nu der jung knab die Buchstaben kent und ein clein wenig des Lesens bericht wurd, muss der Schulmeister predigen oder pfarrer fleyssig acht haben auff den knaben, ob er zu dem latein tuglich oder nit were. So dan erfunden, das Er zu dem latein untuglich solt man in furthin teutsch lehren schreyben und lesen. So lang es den Eltern gefiel.“
Daraus ist ersichtlich, daß der Schulbesuch von den Eltern abhing und wie lange der Junge dorthin zu gehen hatte. Ferner hing es von dem unterrichtenden Pfarrer ab, ob er den Jungen zum Studium vorbereitet durch das Lehren der lateinischen Sprache.
1564 wurde die Lateinschule an der nördlichen Seite des Kirchplatzes erbaut, und zwar durch die Stadt Wittenberg.
Deshalb erscheint auch das Stadtwappen an dem schönen Portal.
Damit wurden die Räume der Alten Kantonei und Lateinschule frei, nun zogen die Mädchen hinein. In dem Gymnasium am Kirchplatz waren wiederum auch Schüler darunter, die nicht zum Studium gehen wollten. Als nun die alte Schule, in der sich nun die alte Schule, in der sich nun die Madchen befanden, abgerissen werden mußte, baute die Stadt Wittenberg eine große neue Schule für sie. Wie die Beschriftung heute noch anzeigt, wurde das Gebäude für die Mädchen im Jahre 1828 fertiggestellt. Es hat die Bezeichnung Jüdenstraße 8 und liegt an der Ecke Töpferstraße.
Als Wittenberg dann Industriestadt wurde, kam es 1888 zum Neubau des Melanchthon-Gymnasiums, das bisherge Gebäude am Kirchplatz wurde verkauft.
Um die Jahrhundertwende erhielten die Mädchen eine neue Schule an der Zimmermann-/ Falkstraße.
Nun nahmen die Volksschüler von der Töpferstraßenschule Besitz, bis die heutige August-Bebel-Schule an der Lutherstraße neu gebaut wurde.
aus: Wittenberger Bürgergeschichten
Dr. Wolfgang Senst †