Die sächsische Fürsten und Landesregierungen sandten, bevor es ein geordnetes Landespostwesen gab, ihre schriftlichen Befehle
und Verordnungen entweder durch Boten ab, die bis zum Bestimmungsorte liefen oder ritten, oder sie schickten ihre
Briefe bis zum nächsten Schöffer (Amtmann), der sie dann von
Amt zu Amt weiterbefördern ließ. Beispielsweise mußte der Münzmeister Mohnhaupt in Freiberg (Sachsen) während der
Jahre 1461 bis 1459 viele aus der Stadt Wittenberg, der
damaligen Residenz des sächsischen Kurfürsten, eingegangenen kurfürstlichen Befehle nach Orten des In- und Auslands weitersenden.
Von der Einführung des Postwesens in Wittenberg hören wir erst im Jahre 1659; aber merkwürdigerweise handelt es sich damals nicht um die Errichtung eines kursächsischen, sondern eines kurbrandenburgischen Postamts in dieser kursächsischen Stadt.
Damals schrieb der Direktor des gesamten Brandenburgischer Postwesen, Michael Matthias, an den an den Postmeister Mühlbach in Leipzig, sein Herr, Kurfürst Friedrich Wilhelm, wünsche, daß der Briefwechsel zwischen Berlin und Wien künftig schneller befördert werden möchte; aus diesem Grunde habe er befohlen, zweimal wöchentlich eine Postverbindung zwischen Berlin und Leipzig auf Kosten Kurbrandenburgs anzulegen, womit nicht nur die herrschaftlichen Sendungen, sondern auch die Kaufmannsbriefe abgeschickt werden könnten. Als Mühlbach nicht gleich zustimmte, wandte sich der Große Kurfürst unterm 20. Dezember 1659 an Kurfürst Johann Georg II. von Sachsen mit der Bitte, die Einrichtung dieser Post zu gestatten und auch zuzulassen, daß in Wittenberg und Düben einige Postpferde und Postknechte gehalten würden. Johann Georg II. genehmigte das unter der Bedingung, daß seine eigene landesfürstliche Hoheit und das kurfürstliche Postregal dadurch nicht beeinträchtigt, und daß die Postillione (Postknechte) auch auf ihn, den Kurfürsten von Sachsen, mit in Eid und Pflicht genommen würden. In Leipzig aber sollten die Berliner Posten durch den kursächsischen Postmeister abgefertigt werden. Friedrich Wilhelm von Brandenburg stimmte zu mit dem Bemerken, daß in Wittenberg und Düben „zur Abschreibung der Stundenzettel“, das heißt, zum Vermerk der Ankunfts- und Abgangszeiten der Posten sowie zur Eintragung der Postreisenden, in jenen Orten geeignete Personen angenommen werden sollten. Zu diesem Dienste war in Wittenberg ein vor dem Stadttore wohnender Gastwirt angenommen worden. Nach dessen Tode ward jedoch durch die brandenburgische Postverwaltung ein richtiger Postmeister, nämlich Johann Stempel, ernannt. Da er in der Stadt wohnte, so mußte die brandensburgische Post nun durch Wittenberg hindurch fahren, was dem Leiter der brandenburgischen Postverwaltung, höchst erwünscht war. Sobald bekannt geworden war, daß der Große Kurfürst den Johann Stempel unterm 11. Mai 1669 mittels schriftlicher Anstellungsurkunde zum Postmeister in Wittenberg ernannt hatte, erhob der Postmeister Mühlbach in Leipzig in seiner Eigenschaft als Pächter des kursächsischen Postwesens nachdrücklichst Widerspruch. Merkwürdigerweise unterstützte die Dresdner Regierung Mühlbach nicht, denn Kurfürst Johann Georg II., der allen Poststreitigkeiten abhold war, wollte es mit Friedrich Wilhelm nicht verderben. So blieb Stempel vorerst unangefochten im Besitze seines Postmeisteramts, obwohl er sächsischerseits als solcher nicht ausdrücklich anerkannt war.
Sechs Jahre später (1675) entschloß man sich jedoch, in Wittenberg ein eigenes kursächsisches Postamt zu gründen. Doch wählte man zum Vorsteher dieses Postamts nicht einen kursächsischen Beamten aus, sondern man hielt es für richtiger, unterm 14. Dezember 1675 den kurbrandenburgischen Postmeister Stempel auch eine Bestallung als kursächsischer Postmeister auszuhändigen. Gleichzeitig ward ihm durch Kursachsen die Erlaubnis erteilt, nach Magdeburg, Halle, Leipzig und Dresden Postkaleschen zur Beförderung von Briefen, Paketen und Personen einzurichten.
Für dieses, für einen sechsjährigen Zeitraum erteilte Vorrecht sollte Stempel an die kurfürstliche Rentkammer in Dresden eine Pachtsumme entrichten, die im ersten Jahre 150, im zweiten Jahre 200, im dritten Jahre 250 und im vierten, fünften und sechsten Jahre je 300 Gulden betrug.
Gegen die Einrichtung dieser Fahrposten erhoben die Universität, der Rat der Stadt, die Bürgerschaft, die Kramerinnung und namentlich die Lohnkutscher Wittenbergs, die sich in ihrem Gewerbe dadurch stark benachteiligt fühlten, erbitterten Widerspruch. Viele mehr oder weniger gut begründete Eingaben gingen an den Kurfürsten Johann Georg II. und an die Regierung in Dresden ab. Der Rat zu Wittenberg schrieb u. a.:
„Sollte den 21 Lohnkutschern der Stadt durch die neuen Posten der bisherige Verdienst entzogen werden, so würden sie ihre bisherigen städtischen Abgaben nicht mehr bezahlen können. Sie müssen sodann mit Pferd und Wagen, Weibern und Kindern nach andern Orten ziehen, um dort ihr Stücklein Brot zu suchen. Infolgedessen würden auch Kaufleute und Handwerker, die seither von den Lohnkutschern ihre Nahrung gehabt hätten, wegen Mangel an Verdienst,,quittieren“ müssen.“
Die Universität Wittenberg schrieb:
„Die Botenfuhrleute sind gewissenhafte, meistens ortsansässige Personen, denen man die wichtigen Aktensendungen recht wohl anvertrauen kann; dies ist aber nicht der Fall bei den ledigen und unachtsamen Knechten, die meistens auf den Postkaleschen fahren. Die Botenfuhrleute bringen den oft ganz mittellosen Studenten vom Elternhause Nahrungsmittel, Wäsche, Kleidung usw. mit. Wenn dies alles nach dem Gewichte bezahlt werden soll, so würden die Studenten es gar nicht auslösen können (damals hatten fast immer die Empfäger die Postgebühren zu zahlen).
Dann werden die Studenten von Wittenberg fortbleiben,
und die Akademie, dies Kleinod im Lande Kursachsen, wird veröden. Auch für andere Bedürfnisse sind die Botenfuhrleute unentbehrlich, denn sie nehmen Sachen mit, tragen sie am Bestimmungsorte selbst aus und bringen auch gleich die Antworten nebst den bestellten Gegenständen zurück, während die Postillione nur die Postsendungen von Posthaus zu Posthaus bringen.“
Der Kurfürst Johann Georg II, beauftragte nun den Rektor der Universität, den Hofrichter, den Oberamtmann und den Rat der Stadt Wittenberg, den Streit zwischen den Lohnkutschern und
dem Postmeister durch gütliche Verhandlung zu schlichten.
Das Ergebnis war dann aber, daß der Postmeister Stempel seine Postkaleschenfahrten einstellen mußte.
Im Jahre 1693 setzte der sehr energische Oberpostmeister Kees in Leipzig es gegen den Widerspruch der Lohnkutscher durch, daß zwischen Wittenberg und Dresden eine fahrende Post eingerichtet wurde, die zweimal wöchentlich verkehrte und für den Hinweg wie für den Rückweg nur je 24 Stunden benötigte, eine für die damaligen Verhältnisse außergewöhnlich kurze Zeit. Ein Reisender konnte 25 Pfund Freigepäck mit sich führen und hatte für die ganze Strecke
2 Taler 20 Groschen zu entrichten. Ein einfacher Brief kostete
1 Groschen, ein doppelter 1½ Groschen. An Paketgebühren waren zu zahlen für 1 Pfund 3 Groschen, 2 bis 5 Pfund 6 Groschen,
6 bis 10 Pfund 12 Groschen, 10 bis 20 Pfund 15 Groschen und für
je 10 weitere Pfund 5 Groschen.
Bemerkenswert ist es, daß im Jahre 1715 der Postmeister in Wittenberg seitens der kursächsischen Regierung streng angewiesen wurde, die mit der Post ankommenden vornehmen Personen stets sogleich dem Festungskommandanten namhaft
zu machen.
In späterer Zeit betrug das Zustellgeld im Postorte für einen Brief
3 Pfennige und für ein Paket 6 Pfennige, aber die Briefträger suchten daneben meistens ein Trinkgeld für sich zu erlangen. In Wittenberg artete dies Bestreben zu einer unerträglichen Belästigung der Studenten aus, so daß die Universität im Jahre
1748 hiergegen bei der Regierung in Dresden nachdrücklichst Beschwerde führte. In dieser Eingabe heißt es wörtlich:
„Wenn der Briefträger denen Studiosis ihre Wechsel von der Post bringet, weiß er sie zu einem exorbitanten Trinkgelde, außer dem ordentlichen Postgelde und Porto, zu bewegen und zu nötigen. Studiosi sind voller Freuden, wenn Geld an sie kömmt. Von dieser erfreulichen Verwirrung profitiret der Brief-Träger, daß er zum Trinkgelde vor sich von einem Studenten, so auch nur 4 oder 6 Thaler erhält, wenigstens 6 bis 8 Groschen und, wenn der Wechsel ansehnlich, 1, 2 oder mehr Gulden und also weit mehr, als das Postamt selbst erhält, extorquiret, auch, wenn Studiosi nicht wollen, ihnen mit allerhand groben und unanständigen Worten, z. B.
„Der Herr wird noch ein Fuchs seyn und hiesige Manier noch nicht wissen, was mir gehöret“, begegnet, macht sich ganz familiair, setzet sich nieder, trinkt mit ihnen Coffee usw. Die Studiosi denken, es muß seyn, und wissen nicht, bey wem sie darüber klagen und Hilfe finden sollen. Sie meinen auch, wenn sie den Briefträger erzörneten, so müßten sie etliche Tage nach ihrem Gelde laufen. Auch denken sie, der Briefträger werde nicht davon reden, daß sie Geld bekommen, damit es Leute, denen sie etwas schuldig, nicht erfahren; allein auch diesen stecket er’s nichts destos weniger sofort und bekommet dafür gleichfalls ein Trinkgeld. Es wäre also zu wünschen, daß in Faveur der Studiosorum diesen Inconventien mit allem Nachdruck abgeholfen und dem Briefträger zum Trinkgelde allenfalls vor
10 Taler: 1 Groschen festgesetzet, mehres aber, bei Ersatz des quadrupli (vierfachen Betrages)verbothen würde, und denen Studiosis, so es anzeigen, die Hälfte davon zukommen sollte, oder es müßten die Studiosi von der Post es jederzeit selbst abholen.“
Aus den Akten geht nicht hervor, welchen Erfolg diese Beschwerdeschrift der Universitätsbehörde gehabt hat, aber es darf wohl bestimmt angenommen werden, daß die kurssächsische Regierung diesem Trinkgeldunfuge alsbald ein Ende bereitet hat.
Max Georg Teubner
aus: „Unser Heimatland“ vom 27.10.1934