Aus kulturgeschichtlichen Überlieferungen ist bekannt, daß Wittenberg, noch bevor es ein geordnetes Landpostwesen gab, Boten- und Reitpostverbindungen hatte, die von den Kurfürsten unterhalten wurden.
So ist von einer Verbindung mit dem Münzmeister Mohnhaupt in Freiburg (Sachsen) bekannt, daß dieser während der Jahre 1451 bis 1459 viele aus der Stadt Wittenberg eingegangene Befehle nach Orten des In- und Auslandes weitersandte.
Eine Botenpostnachricht von Wittenberg an den Herzog von Pommern ist aus dem Jahre 1535 bekannt. Wittenberg ist ferner 1550 Ziel eines Botenganges von Küstrin über Cölln an der Spree.
Weitere Vorläufer der jetzigen Posteinrichtungen sind verschiedene Postkurse, so die 1542 vom Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen eingerichtete Post Wittenberg-Magdeburg und die 1616 vom Kurfürsten von Brandenburg eingerichtete kurbrandenburgische Post mit verschiedenen Beförderungsarten wie Boten-, Reit-, Schnell-, Fahr- und Kariolpost.
Dieser, für damalige Verhältnisse große Aufschwung des Postwesens ist auch auf die Gründung der Universität in Wittenberg am 18. 10. 1502 durch Kurfürst Friedrich den Weisen zurückzuführen.
Luther und Melanchthon kamen als Hochschullehrer nach Wittenberg und zogen viele Studenten an.. So studierten in den ersten 100 Jahren nach der Gründung der Universität über 43 000 Studenten in Wittenberg.
Luther und Melanchthon unterhielten einen außerordentlich starken Briefverkehr, der bei Luther vorrangig im Zusammenhang mit der Reformation stand.
Melanchthon stand im besonderen Briefwechsel mit Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen Joachim I. von Brandenburg, der Herzogin von Mecklenburg, dem Herzog Albrecht von Preußen und noch vielen anderen.
Teilweise übernahmen die Studenten auf ihren Reisen in die Heimatorte Botengänge und beförderten auch Briefe nach Orten, die an der Landstraße lagen.
So gehört Wittenberg zu den Städten, in denen sich das Postwesen sehr schnell entwickeln konnte. Auch wird es bereits in einem alten „Teutschen Kurs- und Reisehandbuch“ von 1590 vom Notarius und deutschen Schulmeister Georg Mayr in Augsburg genannt.
Im Jahre 1659 wurde, dem Zuge der Entwicklung folgend, in Wittenberg die erste Postanstalt eröffnet. Zu dieser Zeit wird Wittenberg von der zweimal wöchentlich verkehrenden kurfürstlich brandenburgischen Post Berlin-Treuenbrietzen-Leipzig angefahren. Die Fahrzeit dieser Post betrug 53 Stunden, darin war ein planmäßiger Aufenthalt von 4 Stunden in Wittenberg enthalten.
Am 16. 1. 1660 wurde der brandenburgischen Regierung dann auch durch die sächsische Regierung die Einrichtung einer brandenburgischen Station in Wittenberg gestattet. Die Geschäfte leitete zunächst ein vor den Toren Wittenbergs wohnender Gastwirt. Nach dessen Ableben setzte die brandenburgische Regierung den Postmeister Johann Stempel ein, der sogar vom Kurfürsten Friedrich Wilhelm am 11. 5. 1669 ein Patent erhielt.
Mit der Einrichtung dieser brandenburgischen Station und der Berufung des Postmeisters Stempel nach Wittenberg wurde ein Streit zwischen der sächsischen und brandenburgischen Regierung entfacht, der schließlich zur Schließung der brandenburgischen Station führte. Kurios ist dabei, daß der Postmeister Stempel in den Dienst der sächsischen Regierung gestellt wurde und weiterhin Postmeister in Wittenberg blieb.
Lothar Hanak
aus: „Freiheit“ vom 23.08.1980
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Lothar Hanak