Am Aschermittwoch war das Aschekehren

Das lustige Faschingstreiben geht unweigerlich seinem Ende entgegen. Denn, so heißt es in einem bekannten Karnevalslied, daß am Aschermittwoch alles vorbei sei. Den Ausdruck Fasching kannte man früher in Wittenberg nicht, hier wurden Maskenbälle und Fastnachten gefeiert, während heute das süddeutsche Wort allein oder in Zusammenhang mit Seniorenfasching, Kinderfasching, Fachingstanzparty, Krawattenfasching genannt wird. Selbst die Rheinländer feiern noch ihre Weiberfastnacht und ihren Karneval und hüten sich, den Münchener Ausdruck zu verwenden.
Liest man die alten Anzeigen aus Wittenberger Gaststätten, so erfahren wir, daß der Schießhauswirt in Kleinwittenberg, Heinrich Nöller, nur Wert auf „anständige Masken“ legte, ebenso ein Gastwirt in Bad Schmiedeberg.

Doch die meisten Wirte luden zum Fastnachtsvergnügen ein, wie Lantzsch auf dem Bahnhof in der heutigen Straße Am Alten Bahnhof, Bilsing in der“Goldenen Weintraube“, Fabricius im „Luthersbrunnen“, Brecht „Zur Stadt Dresden“ in der Dresdener Straße, Förster Friedrich in der“Rothemark“, Gräbitz auf dem „Herrenberg“ bei Teuchel, Füssel in der „Goldenen Gans“ und andere. Fast alle auswärtigen Wirte holten die Gäste vom Schloßtor mit dem Wagen oder bei Schnee mit dem Schlitten ab und brachten sie auch wieder nach Hause.

Doch alles Vergnügen hat einmal ein Ende. Der alte Brauch, den ersehnten Frühling zu feiern, münzte die kaTholische Kirche für ihre Belange um und verlangte von den Gläubigen, endlich wieder in gesittene Verhältnisse umzuschwenken, denn nun begann die vierzigtägige Fastenzeit.

Als Kinder gingen wir am Aschermittwoch „Aschekehren“, das heißt, mit Birkenruten versehen ging man zu bekannten Familien, zu Verwandten und Nachbarn und schlug die Erwachsenen damit auf den Rücken. Das war ein uralter Brauch und sollte das Böse aus dem Körper vertreiben, das Schlagen mit der Pritsche aus Pappe ist ein Relikt von früher.

Allerdings, das muß man leider sagen, wurde das „Aschekehren“ für die Geschäftsleute in der Stadt zum großen Ärgernis, wenn nämlich ganze Kindergruppen durch den Ladeneingang drangen und um eine Gabe bettelten. Kaum waren die Kinder aus dem Geschäft, schon kamen andere, und so ging das fort. Deshalb stellten sich manche Ladenbesitzer am Eingang auf und unterbanden dieses lästige Treiben.

Doch solange es in den richtigen Formen durchgeführt wurde, war es bei allen beliebt, und manche Leute warteten darauf, daß die Kinder mit den Ruten zu ihnen kamen.
Als ich einmal unsere Nachbarn vergessen hatte zu „kehren“, beschwerten sie sich bei meiner Mutter.
In Wittenberg hieß dieses lustige Treiben „Aschekehren“,
auf dem Fläming „Äschern“, anderswo „Pfeffern“, „Peitschen“, „Kindeln“ und anders.

Schon 1599 kam es zu Beschwerden bei der Obrigkeit,
weil die jungen Burschen beim „Aschekehren“ so wild seien,
daß sie „die Weiber und Mägde entblößen und mit Gerten und Ruten hauen“ würden.
Wir sehen daraus, daß es ganz früher sogar von Erwachsenen durchgeführt wurde, ehe es zur reinen Kinderbelustigung wurde.

aus: Elbe-Elster-Rundschau vom 18.02.1994