Die Baumgarten-Ecke am km 118 (Wiesenhof Piesteritz) war zwar nicht offiziell in den Dokumenten als Stromstellenname verzeichnet, aber als stärkster Bogen in der Elbe sehr gefürchtet.
Der Landwirt Hille aus Kleinwittenberg hatte im vorigen Jahrhundert auf den Elbwiesen eine größere Obstanlage angelegt, sicher ohne den Einfluss über 150 Jahre auf den Sprachgebrauch der Elbschiffer zu ahnen.
Diese Obstanlage ist längst aus dem Landschaftsbild verschwunden, die Baumgarten-Ecke aber noch immer ein Begriff.
In Verbindung mit dem Grundwort Grube sind die meisten Bezeichnungen überliefert, so auch die Grenzgrube am km 116.
Es waren aber in jedem Fall die äußeren Uferseiten der Flusskrümmungen gemeint.
In unserem speziellen Fall verlief dort die Grenze zwischen Preußen und Anhalt.
Als Mahlbaum oder Maalbaum wird diese Stelle heute noch am häufigsten im Sprachgebrauch genannt.
Die letztere Bezeichnung deutet auf Kennzeichen der Grenze, früher „Vermalen“ der Grenze, hin.
Vermalt wurde aber auch der Fluss durch den Haupter (ein äußerst schifffahrtskundiger Begleiter), der dem Schiffskonvoi im Handel- oder Zillkahn voran fuhr und die Fahrrinne absteckte.
Dazu bediente er sich Mummen oder Bloßen, das waren Weidenstöcker mit Strohwisch (Mummen) oder ohne Strohwisch (Bloßen).
Auf den Stockplücker, der diese Stöcker nach Passieren des Schiffskonvois sammelte, wurde an anderer Stelle schon hingewiesen.
Besondere Bedeutung hatte für die Fischerei die Alte-Weiber-Fähre (km 191), war sie doch die „offizielle“ Grenze zwischen den Pretzscher und Kleinwittenberger Fischern.
Gemeint ist die Ortslage der alten Fähre von Bleddin nach Klöden auf der anderen Elbseite.
Eine genaue Erklärung über den Ursprung der Alten-Weiber¬Fähre konnte nicht eindeutig geklärt werden, die Bezeichnung lässt jedoch der Phantasie erheblichen Spielraum.
Anders verhält es sich an der Schlämm-Schloss-Ecke (km 198-199) in der Nähe der Einmündung der Schwarzen Elster gelegen.
Hier weist die Bezeichnung auf eine längst verfallene Burg hin, einer Burg aus Holz und Erde, die seit mehreren Jahrhunderten dem Hochwasser zum Opfer fiel.
Weiter elbwärts kommen wir zum Galliner Stich, einer Elbstromregulierung des Jahres 1868, mit der neben der Verkürzung des Elblaufs auch noch ein Eldorado der Petrijünger (Gewässer im Wartenburger Raum) entstand.
Eine mundartliche Überlieferung über die Ortsbezeichnungen des Elbverlaufs, vorgetragen meist zu besonderen Anlässen der Schiffervereine und die den gesamten Lauf der Elbe bezeichnet, ist im vollen Wortlaut erhalten und gibt auch Hinweise auf ein fast vergessenes Gasthaus an der Elbe in Wittenberg, wonach auch eine Stromstelle benannt wurde:
„Schaut die Alte-Weiber-Fähre, schaut den Galliner Stich, und im Gasthaus „Zur Stadt Dresden“ findet ihr gedeckten Tisch“.
Gemeint ist hier das Gasthaus „Zur Stadt Dresden“ in der Dresdener Straße, in Höhe des heutigen Kombinates Fortschritt (Mühlenbau). Die Umgestaltung der Umgebung bzw. Flussregulierungen sind die Ursache, dass alte Stromstellennamen mehr und mehr in Vergessenheit geraten.
Auch die moderne Technik hat erheblichen Anteil daran, denn wo früher besondere Schwierigkeiten Anlass zu diesem besonderen Namen gaben, sind diese Unzulänglichkeiten lange beseitigt.
Die Stromstellennamen werden sicher noch lange historisch belegbar sein bzw. durch die einschlägige Literatur aktenkundig überliefert, jedoch wird der Ursprung dieser Bezeichnungen immer weiter in historische Ferne rücken.
Karl Jüngel †
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aus: Freiheit vom November 1981