Der Klempner

1967.06.17. Freiheit

Klempnermeister Willi Dehne 80 Jahre alt

Willi Dehne

Kürzlich reparierte der Wittenberger Klempnermeister Willi Dehne die wertvolle Renaissance – Wasserblase vom Waschschrank in der Melanchthonstube. Das war eine schwierige Arbeit und konnte nur mit großer Sachkenntnis durchgeführt werden.
Diese Voraussetzung hatte sich Meister Dehne in seinen acht Jahrzehnten erarbeitet, denn stets ist er mit hellen Augen
durchs Leben gegangen.
Schon in der väterlichen Werkstatt hat er als Junge aufgepaßt und mitgeholfen, so daß ihm die Lehrzeit von dreieinhalb Jahren wie im Fluge verging.
Er wollte viel Neues noch hinzulernen.

Teils mit der Bahn, teils auf Schu- sters Rappen, wanderte er durch Thüringen, betrachtete sich die Kulturstätten, zog durch Hessen, kam durch Frankfurt und Mainz. Dort blieb er fast ein Jahr in Arbeit, dann zog es ihn rheinaufwärts. Er sah den Kölner Dom und das schöne Düsseldorf. Doch da waren schon die organisierten Bauhandwerker, die ihre Lohnforderungen durch Streiks durch- zusetzen versuchten. Überall ruhte die Arbeit. Deshalb fuhr der wackere Klempnergeselle nach Hause, denn im Winter gab es sowieso wenig zu tun. Weitere Stationen im Leben des Jubilars waren Aue (Besuch der Klempner-Fachschule), Dresden, Hamburg, Plauen, auch einige Zeit im Böhmischen, dann in Göttingen.

Mit 24 Jahren war er weit und breit der jüngste Klempnermeister Wittenbergs, da brach der 1. Weltkrieg aus. Mehrmals verwubdet. kam er aus dem Völkermorden zurück. Mit einem Lehrling und einigen Gesellen ging es dann voran und die Wittenberger Industriebetriebe zählten zu den Kunden des Meisters. Hervorragendes Fachwissen und gute Arbeit paarten sich bei Meister Dehne, dabei war er- und das ist er heute noch – für alles Kulturelle in der Stadt, für ihre Geschichte und für die heimatliche Natur immer hellwach.

Fragt man den Jubilar nach den Arbeitsbedingungen früherer Zeit, so erfährt man, daß die Arbeitszeit im Sommer doch sehr schwer war. Im Winter war die Arbeit knapp, die Konkurrenz in Wittenberg groß und der Laden in der Collegienstraße brachte auch kaum einen Ausgleich. Doch da fertigte man Gießkannen und Milchkannen für die Vorstädter an, reparierte Petroleumlampen und andere Hausgeräte. Auch heute sieht man in der Werkstatt des Meisters Kundenware stehen. „Was will man denn machen“, so spricht er, „die Leute brauchen doch ihre Töpfe“. So setzt sich der geachtete Wittenberger Handwerksmeister immer wieder hin und seine geschickten Hände helfen, wo sie können.

Trotz seiner 80 Jahre steht der Meister mitten im Zeitgeschehen. Und so ist es für ihn auch eine Ehrensache, bei den Wahlen seine Stimme den Kandidaten der Nationalen Front zu geben,
„denn“, (so sagte er uns) „heute kommen die Abgeordneten wirklich aus dem Volke, vertreten unsere Interessen, und das war früher niemals der Fall!“

Heinrich Kühne

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