Die Auskunftei

1994. 07.27. Elbe-Elster-Rundschau

Einst gab’s eine Auskunftei – Vergessene Berufe und Gewerbe in der Stadt Wittenberg (1938)

Im dritten Teil des Wittenberger Adreßbuchs „Handel und Gewerbetreibende“ finden sich eine Reihe von Hinweisen

Wittenberger Marktplatz um 1900
aus: Archiv HV WB

und Adressen auf diesen Bereich Berufe und Gewerbe, die inzwischen ausgestorben sind, für die kein Bedarf mehr ist, die im Zeichen weitestgehender Industrialisierung und nun in der Wegwerfgesellschaft überflüssig geworden sind.
Alte Wittenberger erinnern sich vielleicht noch an die Abdeckerei von Walter Klein an der Berliner Chaussee, eine Tierkörperbeseitigung auf dem Gelände des späteren Kreisbetriebes für Landtechnik.
Alteisensammler Triebel: Robert Triebel in der Mauerstraße 4 war der Alteisensammler von Wittenberg, so eine Art Vorläufer vom VEB Schrotthandel.
Paul Müllers Aluminiumfabrik in Rothemark wurde später die Töpfchen- oder Aluminiumbude, wie man im Volksmund sagte.
Jeder Anker wurde gewickelt bei Werner Rudolph in der Wichernstraße, später übernahm das die PGH Elektrobau.
Aber die gibt es ja auch nicht mehr.

Wittenberg um 1900
aus: Archiv  HV WB

In der Auskunftei von Carl Frank in der Collegienstraße 48 konnte man Auskünfte einholen lassen, wenn einem irgend etwas komisch vorkam.
Alte Wittenberger erinnern sich mit Vergnügen an den Wasserspaß bei Paule Zander in dessen Elbe Strombadeanstalt an der Kuhlache. Ganze Generationen haben dort schwimmen gelernt. Später wurde es Gelände des VEB Kraftverkehr und nun Scalar.

Paketpost vor dem Postamt
aus: Archiv des HV WB

Auch in Piesteritz beziehungsweise Kleinwittenberg gab es eine Strombadeanstalt. Sogar das Strandbad in Reinsdorf
wird schon genannt. Leider ist es nun geschlossen, was außerordentlich bedauerlich ist.

Aber wie so häufig, ist für diese Zwecke kein Geld da.
Wer Bäume oder Rosen kaufen wollte, der ging in die Baumschule von Wilhelm Sauerbrey in der Großen Friedrichstraße 129. Bindfaden wurde bei Richard Blüthgen in der Wettiner Straße3/ Eckhaus Jüdenstraße/Bürgermeisterstraße hergestellt. Dort wurde
auch mit Samen gehandelt.
Gegen den großen und kleinen Durst konnte man erfolgreich ankämpfen. Sieben Brauereien, Niederlassungen oder Großhandlungen halfen dabei.
Militäreffekten handelte man in fünf Geschäften.
Und die Wittenberger Damenwelt legte Wert auf ein gediegenes
Äußeres.

Wittenberg um 1920 Mittelstr. 34
aus: Archiv des HV WB

Zehn Putzgeschäfte
Deshalb machten die zehn Putzgeschäfte, eines davon war das von Naumanns, später geführt von Gertrud Bartholy, gute Geschäfte. Schirme verkaufte Paul Lehmann.

Dazu gab es jede Menge Schäftemacher, Schneider, andere Handwerker.
Bei Paul Lehmann fand jeder Pfeifenraucher die passende Tobakspfeife.
Und wer, was ja auch vorgekommen sein soll, seiner schönen Frau von wegen der ehelichen Treue nicht so ganz traute, wenn er übers Land auf „Dienstreise“ ging, für den war Detektiv Friedrich Soitzek aus der Kurzen Straße 7 gegen klingende Münze der richtige Sherlock Holmes, um einen wachsamen Blick auf die Herzendame zu richten.

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