1927.05.01. Wittenberger Zeitung
125 Jahre Straßenbeleuchtung in Wittenberg
„Man kann den Wald vor Bäumen nicht sehen“ pflegt man zu sagen, wenn man sich in einem Dorfe befindet, in aller Dunkelheit nach dem Wege tastend. Aehnlich wie in den Dörfern war es in früheren Zeiten auch in den Städten. So auch in Wittenberg bis zum Jahre 1802. In Wittenberg reifte schon früh der Plan, die Stadt während der Abendstunden erleuchtet zu sehen und zwar war es Dr. Franciscus Clinge (Bürgermeister von 1690 – 1695)1), der die erste Anregung hierzu gab. Ein Chronist schreibt darüber: – Wird Anno 1690 stracks Bürgermeister, und erhält sich dabey ohngefähr 4-5 Jahre lang, unter welcher Zeit er aber das Bürgemeisteramt mit ausgelassenen und unanständigen Uebereilungen gemißbrauchet, auch die Regimentsklinge allzuscharff schmieden und schneiden lassen, daß er darüber solch sein Amt gar zu verlassen und zu changiren genöthiget worden, – . Das Bürgermeisteramt versah er bis 17011),verließ dann, durch seine Feinde genötigt, Wittenberg. Und was war es, womit er sich die Feindschaft seiner mitregierenden Ratsherren erworben hatte? Clinge war seinen Kollegen, um ein Jahrhundert voraus, er wollte Straßenpflaster und Beleuchtung und andere Wohlfahrtseinrichtungen mehr. – Wer da aber glaubt, in Wittenberg brannten die Gaslaternen – man kannte damals weder Gaswerk noch die Lehre. „Koche, brate, backe – alles mit Gas!“ – der irrt sich: Wittenbergs erste Straßenbeleuchtung bestand aus Rüböllämpchen, diese wurden einige Jahre darauf durch Petroleumlampen und 1864 durch Gaslaternen ersetzt. Heute brennen in Wittenberg auch keine Gaslaternen mehr, aber trotzdem ist Wittenberg keine „dunkle“ Stadt, sie strebt darnach, um Goethes Wort:
Mehr Licht! gerecht zu werden.
- Dr. Franciscus Clinge war von 1690 – 1695 Wittenbergs Bürgermeister lt. Chronologie und nicht bis 1701