Ein Kapitel über Müllers, Schmidts, Beckers und andere Namen
Vor 250 Jahren erschien bei dem bekannten Buchdrucker und Verleger Gottfried Schlomach das erste Wittenberger Adressbuch, Verfasser war der vereidigte kaiserliche Notar und „Meublen Proclomator“ Johann Christian Crell, ein Dresdener.
Er führt die vornehmen Bürger der Universität und des Rates und
andere einzeln auf, doch bei den Handwerkern zählt er nur die Anzahl, das waren: 26 Bäcker, 13 Fleischer und 7 Braumeister. Natürlich gab es auch noch andere, diese waren ihm offensichtlich nicht wichtig genug.
Sehen wir uns mangels eines Adressbuches einmal aus dem Fernsprechbuch einige Handwerksnamen an, so sind wir überrascht, wie viele da aus alter Zeit zu uns sprechen, obgleich der Namensträger absolut nichts mehr mit dem Gewerbe zu tun hat.
Aus der Vielzahl der Handwerker seien heute nur einmal drei Gruppen herausgenommen: Landwirtschaft und Wald, Nahrung und Unterkunft sowie die Metallberufe.
Da finden wir in der ersten Gruppe beispielsweise einen Bauer, Förster, Gärtner, Kräuter, Schäfer oder genauer bezeichnet: Holzhüter, Jäger, Schütze, einen Kleemann, Teichmann mit Rohrmann und Rothe (Flachsröter), Röder oder deutlicher Rodewald (der den Wald urbar machte), Baumgärtner.
Aus der ganz alten Zeit des Jagens stammt wohl der Wolfensteller und der Wildgrube, während der Zeidler sich den Bienen widmete.
Bei den Berufen aus der Nahrungsbranche kennen wir alle den Becker, Beckmann, Beck, Scheffel, Scheffler, dazu den Mehlhorn, den Müller, der übrigens mit 28 Vertretern unter den Vielnamen die
Spitze hier hält.
Mit Milch hatte Meier, mit Öl der Oehlmann zu tun und mit Wolle der Wollner, dazu könnte man den Weber nennen und den Säume. Zu den Müllers rechnet man auch die Mühlmanns und Möllers (bei den Müllers aber vorhin nicht mitgezählt). Fleischer, Metzger und Geißler (der sich mit kleinerem Vieh z. B. einer Geiß/Ziege abgab), gehören zusammen.
Manche kauften lieber ihren Bedarf an Fisch hinterm Rathaus bei dem Fischer. Die trinkfesten Vorfahren spiegeln sich auch im Namen wieder, so: Wirth, oder genauer Bierwirth, Schenk, Kretschmer, Krüger, Herberger, doch das Braugewerbe in Brauer, Höpfner (Hopfen). Melzer (Malz, Zappner und Schrader, (dies war der Mann, der die Fässer verlud), zu ihm gesellt sich Schröder.
Natürlich kann man auch den Koch zum Gasthausbetrieb rechnen.
Bei den metallbearbeitenden Berufen erscheinen alle Schmidts und stehen bei uns mit 26 Personen nur um zwei hinter Müllers zurück. Ins Spezielle gehen dann schon die Kleinschmidts, Klingbeils, Beilschmidts, die Namensträger Schwert, Schwerting, aber auch Iser und Isermann, Zangen, Schildhauer und Schlegel schließen sich an.
So haben wir einmal einen Blick in die Geschichte unserer Namen von einer ganz anderen Seite getan und müssen feststellen, dass mitunter sehr traditionsgebundene Namen unter ihnen waren, Namen, deren Deutung manchmal gar nicht mehr so einfach ist oder zu Fehlannahmen führen kann, weil viele Berufe durch die fortschreitende Technik überholt sind und manche Bezeichnungen in Vergessenheit geraten sind oder durch andere neuzeitliche ersetzt wurden.
Heinrich Kühne
Quelle: Tageszeitung „Freiheit“ 14.05.1980,