Bier gehörte auch zur Nahrung.
Wasser nahmen die Wittenberger aus Röhrfahrten, Brunnen oder offenen Bächen.
Um 1430 gab es in Wittenberg bei den rund 400 steuerzahlenden Einwohnern, „3 schock bruwerben“ (ein Schock oder auch Schoch waren 60 Brauerben) mit Braugerechtigkeit, das heißt, fast jeder zweite Einwohner mit Bürgerrecht durfte Bier brauen. Im Jahre 1504 heißt es in unserem städtischen Recht: „niemant soll brauen, er habe dan ein eigen brauerbe oder das gemit“. Bier gehörte in dieser Zeit zur bürgerlichen Nahrung, daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Die Wittenberger brauten mit Röhrwasser Bier, aber auch mit Wasser aus den Schwenk- und Ziehbrunnen (zum Beispiel am Rathaus und auf dem Holzmarkt). Wer Wasser aus den beiden damals noch offenen Stadtbächen nehmen musste, lebte hygienisch gefährdet. Phillip Melanchthon braute ab 1556, nachdem ihm seine Freunde eine „Röhrfahrt“ (einen Anschluss an das Wittenberger Röhrwasser) geschenkt hatten und zahlte in jenem Jahr fünf Groschen an den Rat für fünf Gebräue. Im Sommer wurde nicht gebraut. Wer braute, steckte eine lange Stange mit einem Bierwisch heraus. Der Bierwisch oder auch Bierzeiger war über Jahrhunderte hinweg der Aushang eines Schankes. Brauerben durften im Weichbild der Stadt (eine Viertelmeile) ausschließlich Wittenberger Bier ausschänken. Neben dem dunklen Wittenberger „Kuckucksbier“ gab es Einbecker, Zerbster und Kotzberger Bier.
Die Studenten sprachen, wenn es die Geldkasse erlaubte, kräftig dem Bier zu, wer gegen die Regeln des
studentischen Lebens verstieß, bekam „Bierverschiss“, eine Biersperre auf Zeit.
Bier machte man sich zum Geschenk, zum Beispiel ein „Stübchen“ (3% Liter), eine Kanne (rund ein Kilogramm) oder auch ein Fass. Die „Kufe“ war der Bottich der Brauenden. In Sachsen maß sie 7,859 Hektoliter, das waren acht Fässer.
Studenten jener Zeit berichteten, Luther bringe freie Abendstunden “ … in Gastzimmern zu und trinke Landwein und Bier.“ In seinen Tischreden“ meinte der Reformator selbst: „Kann mir unser Herrgott verzeihen, dass ich ihn wohl zwanzig Jahre mit Messehalten geärgert hab‘, so kann er mir zugutehalten, dass ich bisweilen ihm zu Ehre einen guten Trunk tue.“
Gefunden im Nachlass von Dr. Wolfgang Senst †
Zurück zum weltlichen Geschehen:
Entgegen der Annahme, dass Bierbrauen im Mittelalter allein
Sache der Klöster war, wurde die germanische Tradition des Brauens in den Dörfern und Gemeinden weitergeführt.
Das Recht dazu ließen sich die Germanenstämme auch nicht
streitig machen, obwohl im frühen Mittelalter die ersten Volksrechte entstanden, welche unter anderem festlegten,
in welcher Größenordnung man von dem gebrauten Bier an
die Obrigkeit abzutreten hatte. Die Menge der Produktion
wurde freilich in keinster Weise eingeschränkt. Jeder konnte
so viel brauen, wie er wollte.
Quelle: Bierfreund 27.09.2012
bearbeitet: Elke Hurdelbrink