Weihnachten 1813 in Wittenberg

Weihnachten 1813 in Wittenberg
1813. Sturm auf die Festung Wittenberg

Kriegszeiten und Notzeiten bleiben lange im Gedächtnis des Menschen haften. So war es auch in Wittenberg in der Zeit der Befreiungskriege. Seit den Oktobertagen des Jahres 1813 war der Ring um die Festung immer stabiler geworden, niemand konnte heraus oder hinein. In der Stadt selbst hatten sich die Franzosen verschanzt, sie lagen in guter Deckung und erwarteten den Angriff der Preußen.
Die Stadt war in den Dezembertagen überfüllt von Bewohnern der Vorstädte und der Amtsfischerei, sie alle hatten Hab und Gut verloren, denn auf Befehl des Festungskommandanten mussten sie ihre Häuser verlassen, die dann restlos abgebrannt und vernichtet wurden, weil man Schussfreiheit benötigte. Verwandte und Bekannte nahmen sie auf, doch bei dem geringen Wohnraum war nicht nur die Unterbringung ein Problem, sondern auch die Lebensmittel rationierten die Franzosen, beschlagnahmten sämtliche Bestände, und als die geschwächte Bevölkerung von Krankheiten befallen wurde, begann das große Sterben.
So nahten die Weihnachtsfeiertage. Nicht nur die von den Franzosen hier festgehaltenen preußischen Gefangenen sehnten den Tag der Befreiung herbei, sondern alle Bewohner in der Stadt hofften, dass die Erstürmung noch vor Weihnachten erfolgte. Während der französische Festungskommandant von Torgau kurz vor den Festtagen freiwillig die Tore der Stadt öffnen ließ, blieb der hiesige Kommandant hart.
Wie viel besser als alle Worte aus unserer heutigen Sicht sprechen die Eintragungen der damaligen Menschen, vom Augenblick her niedergeschrieben. So berichtet der Kaufmann und Senator, später Bürgermeister unserer Stadt, Carl Gottfried Giese:

„25. Dezember 1813. Erster Feiertag! Trauriges Fest;
an 30 Wagen haben Schanzkörbe nach der Rothen Mark gefahren, auch will man mehr Truppen als sonst bemerken.“

Der amtierende Bürgermeister Adler vermerkte:

„Den 23. Dezember bettelte der Schuhmacher Benke von meinem Nachbar einen Hund oder eine Katze zum Feiertagsbraten. — Dieses war übrigens der erste Weihnachtsabend in meinem Leben als Hausvater, wo ich meinen Kindern keine Freude machen konnte.
Sie bekamen auch nicht einmal ein Weihnachtsstöckchen. Es ging mir gewaltig zu Herzen; als ich aber vollends die Resignation meiner Kinder sah, brach mein Gefühl in heißen Tränen aus. Wer weiß, ob ich in einigen Tagen noch trockenes Brot für sie habe!“

Die Wittenberger Bürger mussten noch drei Wochen warten, ehe nach einem Niederprasseln von Granaten die Preußen zur Erstürmung der Stadt übergingen. In den Morgenstunden vom 12. zum 13. Januar 1814 war die Stadt von der französischen Besatzung befreit, doch noch lange waren die Spuren der Notzeit zuerkennen, und im Gedächtnis der leidgeprüften Bevölkerung blieben diese traurigen Weihnachtstage von 1813 in steter Erinnerung.
Wie viel Beziehungen mögen besonders die älteren und ältesten Leser herstellen zu jenen Weihnachten der Jahre während der beiden Weltkriege, und dazu zählen auch die bitteren Jahre der Weltwirtschaftskrise in den dreißiger Jahren.
Unsere Zeit lehrt uns, man muss alles für den Frieden tun.

Heinrich Kühne †:
Freiheit 22.12.1978

Nun stehen wir vor dem neuen Jahr 2022 mit unseren Fragen und Sorgen, mit unserer Sehnsucht nach einer guten Zeit und mit unseren vielfältigen Erwartungen. Wir spüren gegenwärtig,
dass Planungen nur begrenzt möglich sind und oft von heute
auf morgen keinen Bestand mehr haben.
Es wird deutlich, dass wir eben nicht „alles“ im Griff haben. Entscheidend ist somit, wie wir mit Unerwartetem umgehen und darauf reagieren. Furcht und Angst sind dabei keine guten Ratgeber. Stattdessen sind Besonnenheit und Vertrauen verlässliche Stützen, die uns Halt geben und Kraft schenken können. Wohl kaum erfolgte in den vergangenen Jahren ein Jahreswechsel so nachdenklich und doch verbunden mit Hoffnung und Zuversicht.
Für 2022 wünsche ich Ihnen viel Kraft und vor allem Gesundheit.

Elke Hurdelbrink
(2022)

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