Seit dem 21. Dezember 2018 hat Wittenberg wieder ein Stadtmuseum. Es zeigt auf insgesamt drei Etagen Exponate zur Stadtgeschichte sowie etwa 1 500 Stücke aus der Sammlung Julius Riemer (1880 bis 1958). Dort fand auch die Ausstellungseröffnung statt. Beim Betrachten der Riemer Ausstellung hatte ich plötzlich ein anderes Bild im Kopf. Ich brauchte nicht lange suchen. In einer Fotoserie von Max Senf stieß ich auf das Foto unten rechts. Lehrer Arno Stadelmann (1868 – 1944) berichtet in seiner Chronik zur Stadt Wittenberg darüber. Das hat mich veranlasst, diese Seite zu verfassen. Gleichzeitig verbinde ich dies mit dem Aufruf:
„Besuchen Sie mit Ihren Angehörigen und Freunden das neue Stadtmuseum – es lohnt sich“. Elke Hurdelbrink
Die erste deutsche Gewerbeausstellung
fand im Jahre 1869 statt und zwar auf dem Gelände zwischen der Dobschützstraße und dem Poetenweg. Sie war eine „Allgemeine deutsche Gewerbe- und Industrieausstellung“. Veranstalter war der 1867 im Goldenen Adler gegründete Gewerbeverein. Die treibende Kraft aber war der spekulative, volksfreundliche und kapitalkräftige Kaufmann Friese, Hausnummer 58 in der Clausstraße. Er war Erbauer der oberen Dobiener Ziegelei mit dem kunstvollen Fabrikschornstein und der Erbauer einer Anlage „Sirupsburg“ zur Gewinnung wertvoller Produkte aus der Dobiener Kohle. Da diese aber wenig Gehalt hatte, so ging das großzügige Unternehmen ein!
939 Aussteller aus allen Teilen Deutschlands hatten Erzeugnisse ihres Fleißes und ihrer Kunst ausgestellt. In den drei Monaten ihres Bestehens wurde die Ausstellung von 90.000 Besuchern beehrt (einschließlich der Schulen). Trotzdem blieb der finanzielle Erfolg weit hinter den gehegten Erwartungen zurück und endete mit einem Fehlbetrag von 600 Talern. Wer dieses Defizit gedeckt hat, konnte man nicht sagen. –
Nun ein Gang durch die Ausstellung: sie wurde auch besucht von der Königin Augusta von Preußen, die mit dem Kronprinzen Friedrich erschienen war. Der Büchsenmacher Wolter – Neustraße hatte zwei selbst angefertigte Jagdgewehre ausgestellt – außerdem ein 25 cm langes Infanteriegewehr – das sich der Kronprinz mit großem Interesse anschaute. Auf das Angebot Wolters, eben doch eines der Jagdgewehre abzukaufen, antwortete er in seiner jovialen Weise, dass er arm sei und nicht so viel Geld habe! Die Königin stand vor einer Strickmaschine, aber das Monstrum funktionierte erst wieder als die Königin den Platz verlassen hatte!
– Ein auf einem Steglich Klavier vorgespielten Walzer gefiel ihr! – Eine Eismaschine war auch vertreten. Der Privatmann Richter, ein Künstler in seinem Fach – als Ausstopfer hatte er wunderbare Kollektionen in- und ausländischer Vögel platziert. Die Schulkinder belustigte eine Gruppe von ausgestopften Tieren, die auf einer kleinen bemoosten Anhöhe neben seiner Höhle stand: Vater Reinicke mit einer großen Brille auf der Nase liest aus einem großen Buch seiner vor ihm kauernden Fuchskinderschar von Verhaltungsmaßregeln vor!
- Quellen im Archiv des Heimatvereins Lutherstadt Wittenberg und Umgebung e. V.
- Chronik der Stadt Wittenberg, Arno Stadelmann
- Fotonegativserie: Max Senf