Vor 70 Jahren wurde Wittenberg eine kreisfreie Stadt
Am 01. April 1922 wurde Wittenberg eine kreisfreie Stadt. Sie bildete nun einen besonderen Stadtkreis und schied damit aus dem Landkreis aus. Sie behielt diesen Status bis zum Jahre 1950, also für 28 Jahre.
Ab 1922 trugen folglich die dann folgenden Stadtoberhäupter auf Grund eines Beschlusses der Stadtverordneten den Titel
Oberbürgermeister
Der damals amtierende Rat beschloß dann im Mai 1922 in einer Stadtverordnetenversammlung „Lutherstadt Wittenberg“ anzunehmen. Die offizielle Anerkennung dieses Namens erfolgte aber erst 16 Jahre später, im Jahre 1938. Für die Post blieb unsere Stadt noch 43 Jahre länger eine kommunale Struktur mit der Bezeichnung „Wittenberg-Lutherstadt„.
Erst in unseren Tagen, 70 Jahre später, hat sich das im Sinne der offiziellen Meinung der Stadtverordneten zum Stadtnamen nun geändert.
Seit 1950, dem erneuten Wegfall der Kreisfreiheit, ist das Territorium der Stadt gewachsen: durch die Eingliederung von Piesteritz, Kleinwittenberg, Trajuhn und Wiesigk und dann später noch durch die Übernahme des heutigen Ortsteils Apollensdorf. Die kleinere Stadt Wittenberg war kreisfrei, die größere nicht. Doch das gehört zur jungen wechselvollen Geschichte unserer Stadt.
Die ältere Geschichte begann mit der Erteilung des Stadtrechts durch den Herzog Albrecht II. am 27.06.1293 gegen Zahlung
einer jährlichen Leibrente in Höhe von 50 Mark in Silber
(1 Mark = rund 250 Gramm Feinsilber), jeweils am Michaelistag, dem 29. September.
Bis 1547 hatte unsere Stadt dann einen Sonderstatus, sie war „Chur- (Kur) und Residenzstadt“.
Obwohl dann Dresden Hauptstadt der sächsischen Lande wurde, blieb für unsere engere Heimat der Name Churkreis erhalten,
die Bezeichnung für ein Territorium, an das die Würde eines Kurfürsten im deutschen Reich einmal gebunden war.
(Sechs, später sieben gekürte Wahlfürsten, die vom 13. Jahrhundert bis 1806 den deutschen König wählen durften).
Im sächsischen Gebiet bestanden außer unserem Kurkreis noch
6 andere Kreise:
der Thüringische Kreis,
der Leipziger Kreis,
der Meißner Kreis,
der Erzgebirgische Kreis,
der Vogtländische Kreis und
der Neustädtische Kreis.
In Wittenberg befand sich der Sitz eines Kreishauptmanns für den Kurkreis, der 12 Ämtern vor stand:
Wittenberg,
Pretzsch,
Annaburg,
Schweinitz,
Seyda,
Schlieben,
Liebenwerda,
Belzig mit Rabenstein,
Gommern,
Barby,
Gräfenhainichen und
Bitterfeld
Es gab also schon einmal eine Zeit mit beachtlichen Großkreisen, aber mit sehr kleinen Gemeinden.
Im Jahr 1867 entfiel die Bezeichnung Kurkreis, noch heute gibt es das Amt des Probstes für den Kurkreis der evangelischen Kirche. Der heutige Kreis rekrutiert sich im wesentlichen aus den Gebieten der alten Ämter Wittenberg und Pretzsch.
Von 1816 bis 1822, nun in einer neuen Gebietsordnung unter preußischer Herrschaft, bestand ein Regierungsbezirk Merseburg mit 2 Stadt- und 15 Landkreisen, darunter auch unser Landkreis Wittenberg, der zeitweilig bis zu 101 Gemeinden und 5 Städte hatte, dazu gehörte auch Wittenberg.
Als kreisfreie Stadt hatte Wittenberg im Jahre 1922: einen Oberbürgermeister, einen Bürgermeister, einen Stadtbaurat,
9 Stadträte, 1 Stadtsyndikus, 1 Magistratarat.
Zur Stadtverordnetenversammlung gehörten 31 Mitglieder, der Kreistag hatte 24 Mitglieder. Der Landrat wurde unmittelbar durch 15 Amtsvorsteher und 101 Gemeindevorsteher unterstützt.
Der Sitz des Landratsamtes befand sich bis 1879 im Gebäude der Collegienstraße 81.
aus: Wittenberger Bürgergeschichten
Dr. Wolfgang Senst †
(verfasst:1992)