1940. Glaube und Heimat
Wie gern gehen die Wittenberger nach dem hübsch gelegenen Brunnen am Steilhang der Dresdener Straße mit der schönen Aussicht auf die weit sich breitenden Wiesen des großen Bürgerluchs, um einen Blick in das kühle Brunnenhaus mit rieselndem Quell und auf die großen Inschrifttafeln über der inneren Tür zu werfen und sich dann an dem guten Kaffee und wohlschmeckenden Kuchen der freundlichen Wirtin zu laben.
Keiner von den vielen Besuchern des Luthersbrunnens ahnt wohl, welche Schwierigkeiten es einst gemacht hat, bis der ganze Bau so aufgerichtet war, wie er sich im wesentlichen heute noch darbietet, sollten doch nicht weniger als 23 Jahre darüber vergehen, wie uns die Akten des Stadtarchivs belehren (Rep. Act. Cap. II, Nr. 66 vol. I-III).
Wann die aus dem Steilhang heraussprudelnde Quelle schönen, klaren Wassers gefaßt und mit einer Steinsetzung versehen worden ist, wußte der Rat von Wittenberg schon 1694 nicht mehr, er konnte nur in einem Bericht an den Kurfürsten Friedrich August I. (den Starken) angeben, daß „der Brunnen noch vor wenigen Jahren mit einem eisernen Gitter wohl verwehret und mit schönen Steinen belegt gewesen sei“; der Rat von 1717 gab noch an, „er sei von alter Zeit von einem steinernen Gewölbe überbaut gewesen, das aber nur mit Erde bedeckt war; von dem Ursprung und der Benennung „Luthersbrunnen“ will sich nirgends eine sichere und zuverlässige Nachricht finden, ohne das die gemeine Sage (geht), es habe der Annehmlichkeit des Ortes halber der seel. D. Martinus Lutherus öfter sich dabei aufgehalten und seine Meditationes (Ueberlegungen) gehabt, daher auch der Ort von Einheimischen und Vorbeyreisenden zum öfften pfleget besuchet zu werden“.
… „Alle Bauten (also Gitter und Steine) seien mit Gewalt herausgerissen und von Dieben verschleppt worden“, heißt es 1694.
Der gelehrte Verfasser Wittenberger Grabinschriften, Melanchthons Schüler Balthasar Menz, später Pastor in Niemegk, wo er 83jährig starb, der die Stadt Luthers genau kannte und noch viel von Luthererinnerungen in sich aufgenommen haben wird und in Wittenberg die Vorrede zu seinem genannten Buch (Syntagma Epitaphiorum Witebergensium, Magdeburg 1604) am 16. April 1604, dem Todestage seines geliebten Lehrers Melanchthon, geschrieben hat, dieser Mann gibt folgendes an: Als Luther mit der Uebersetzung der Bibel beichäftigt war, ist er mit Philipp Melanchthon, Caspar Cruciger, Matheus Aurogallus und etlichen verständigen Bürgern und Handwerksleuten öfters zu einem Brunnen vor dem Elstertor gegangen und da habe er vor der lebendigen Springquelle an der Elbe öfter Gelegenheit genommen, von dem Samaritischen Brunnenwasser deutlich und einfältig zu schreiben . . . Da nun das Neue Testament 1522 fertig übersetzt und gedruckt worden sei, so hätte Luther mindestens bereits 1521 die Quelle besucht.
Es sei gleich hier bemerkt, daß der Name ,“Luthersbrunnen“ doch wohl auf einer richtigen, durch die Jahrhunderte sich fortpflanzenden Erinnerung des Volkes beruht, daß der Ort und die Quelle oft von dem Reformator besucht worden ist, lag sie doch von seiner Wohnung nicht allzu weit entfernt; die Specke kam für ihn als Ort der Erholung kaum in Betracht, da sich hier viele Studenten mit und ohne weibliche Begleitung herumtrieben; außerdem wies das große Bürgerluch damals einen schönen Bestand von Eichen auf, war vielleicht noch mit Wald bedeckt.
Einen Beweis für Luthers Besuche kann man wohl auch darin erblicken, daß die Wittenberger Studenten später ihre scheidenden Professoren bis zum Luthersbrunnen zu begleiten pflegten; am 8. August 1729 z.B. hielt hier der Reichshofrat Balthasar von Werner bei seiner Abreise nach Wien seine Abschiedsrede.
Im Besucherbuch von 1730 fand sich unter dem 18. August die Eintragung: „Martin Gottlob Luther aus Hoheburg bei Wurzen, Divi D. Martini Lutheri trinepos“ (des göttlichen D. M. L. Ururenkel).
Als August der Starke, wahrscheinlich am 17. Juli 1694, auf seiner Huldigungsfahrt nach Wittenberg am Luthersbrunnen vorbeikam, hat er die berühmte Oertlichkeit besucht und mit starkem Mißfallen den Zustand der Verwüstung wahrgenommen.
In der Jahrrechnung des Rats von 1694 findet sich unter dem 17. Juli die Angabe:
„194 Gulden 6 Gr. vor 10 Eymer Rhein Wein, davon 6 Eymer Ihr Ch. Dchl. zu Sachsen (Unserm gnädigsten Herrn), 1 Eymer Ihr Excellenz H. Ober Hoff Marschall von Hangwitz, 1 Eymer H. eh. Raths Direktor Freyh. von Gersdorff, 1 Eymer H. Cammer Direktor von Schönbergk und 1 Eymer H. Oberhoff Prediger H. D. Carpzoven praesentirt worden.“
Gleich am folgenden Tage, dem 18. Juli 1694, richtete der Kurfürst ein Schreiben an seinen Kreishauptmann in Wittenberg, Christian Vizthum von Eckstädt, den Kreisamtmann Thomas Tobias Mevius und den kurf. Amtsschreiber Paul Keßler: Er habe auf der Herreise den starken Verfall des Luthersbrunnens bemerkt, der ganz zu grunde zu gehen drohe; der Rat behaupte, der Brunnen läge auf seinem, des Rats, Grund und Boden: dann erlange er. daß dieser ihn „in den alten Zustand repariere“; oder der Brunnen mit dem ganzen Platz und der Rechtssprechung müsse dem kurf. Amt erblich überlassen werden.
Darauf erwiderte der Rat, wenn der alte Zustand des Brunnens wiederhergestellt würde, würden die Diebe Gelegenheit haben, alles wieder zu stehlen. Der Kurfürst möge den Rat der armen Stadt mit dem Bau ganz verschonen oder ihm noch Zeit dazu gönnen.
Da der Herrscher sich aber darauf nicht einließ und die kurf. Kommissare auf seinen Befehl kategorisch darauf bestanden, der Rat solle binnen 8 Tagen erklären, ob er bauen wolle oder nicht, fügte sich die Stadt und beschloß am 7. August 1694 den Neubau (Kommissionssitzung des Bürgermeisters Dr. Leyser, Stadtschreiber Nikolai, Dr. Hildebrandt, Blasius Mathaci).
Zu dieser Sitzung hatte bereits der Steinsetzmeister Hans Ulrich Schumacher einen Kostenanschlag für die Wiederherstellung des alten Zustandes in Höhe von 52 Talern eingereicht.
Doch schon 3 Tage später, am 10. August 1694, schlug der Rat dem Kurfürsten vor, es nicht dabei bewenden zu lassen, denn die bösen Nachbarn, da der Brunnen unmittelbar an der Straße läge, wieder Thür und Steine rauben und wegschleppen würden“, sondern daneben ein „Häusgen“ zu bauen und einen Wirt darein zu setzen, der Wittenberger Bier verschenken und Reisende beherbergen dürfe.
Der Kurfürst stimmte zwar dem Vorschlag zu, forderte aber, erst zu untersuchen, ob jemand durch Errichtung eines neuen Gasthauses geschädigt würde, und verlangte für sich einen Zapfenzins von 10 Gulden im Jahr.
Demütig bat der Rat in einem langen Schreiben seinen Herrn, da die Rechtsprechung über den Brunnen der Stadt zustände, möchte der Kurfürst auch die „fructus jurisdictionis“ (die Früchte der Rechtsprechung) ihr zusprechen, zumal der Bau viel kosten würde.
Als dann der Kurfürst (September 1695) unter Ermäßigung des Zapfzinses von 10 auf 2 Gulden den Bau eines Wirtshauses, den Bierschank und die Beherbergung von Reisenden zu Fuß (also nicht zu Pferd oder Wagen) zugestand, schien alles klar zu sein und dem Bau nichts mehr im Wege zu stehen.
Warum man sich nun nicht sofort daran gemacht hat, ist aus den Akten nicht zu ersehen; vielleicht fehlte es augenblicklich an Geld, jedenfalls baten im Dezember 1697 zwei Bürger, der Ratsherr Fincelius und Samuel Fröbe den Kurfürsten-König; denn August der Starke hatte währenddessen am 1. 6. 1697 den Glauben seiner Väter abgeschworen und war katholisch geworden, um die polnische Königskrone zu erlangen; ihnen die dem Rat erteilte Konsession zum Bau eines Gasthauses usw. zu übertragen, worauf der König von seinen Kommissaren einen Bericht über die Angelegenheit einforderte.
Aber nun griff eine Instanz ein, der es gelingen sollte, den ganzen schönen Plan auf lange Zeit zu Fall zu bringen: die Universität, allerdings erst am 26. 2. 1698 mit einer Appellation an den Herrscher; sie erklärte, der geplante neue Ausschank „verstieße wider die Interessen der städtischen Brauerschaft und der wegen der Einlage fremder Biere privilegierten Keller“; anßerdem sei eine neue Verführung der zum Laster so schon geneigten Jugend zu befürchten, da der Ort nicht sehr weit von der Stadt entfernt sei und mit seinen Büschen zum Aufenthalt liederlichen Gesindels geeignet sei.
König August ließ sich tatsächlich umstimmen, verbot den Weiterbau „damit nicht durch das Schmausen der studiosi und andere Hendel dem seel. Herrn Luthero zu schlechter Ehre ein Bau aufgerichtet würde“ und befahl, den Bittstellern einen abschlägigen Bescheid zu erteilen, was am 28. 5. 1698 in der Richterstube des Rathauses in Gegenwart des Appellationsrates Berger und des Professors Röhrensee geschah.
So blieb der bereits begonnene Bau liegen „zum Mutwillen der Studenten, die im Sommer täglich hinausgelaufen, geritten und gefahren, Gepüsche und grünes Holz abgehauen, Thee, Caffee u. dergleichen gekocht und dadurch das Gebeude inwendig gleich einer feuer Eisen zu- gerichtet, die steinernen Stuffen, fenster Stöppffe, auch eisern Gitter ausgebrochen, so hernach verschleppt worden, die Pferde hineingezogen u. darinnen den Mist lassen, auch sonst aller Hand Unfläterey verübet, vollends aufs äußerste ruiniret u. deformieret (entstellt) wordenn.“ (schreibweise im Original)
Es gingen 15 Jahre darüber hin, wahrscheinlich weil König August in den Strudel des Nordischen Krieges (1700-1721) gegen Karl XII. von Schweden hineingerissen, von diesem wiederholt geschlagen und nach dem Einmarsch der Schweden in Sachsen (1706) zu dem demütigenden Frieden von Alt-Ranstädt bei Leipzig gezwungen wurde; überdies erhielt Wittenberg für zwei Jahre eine schwedische Besatzung, die die Bürgerschaft unbarmherzig auspreßte, so daß niemand Lust und Geld für unnötige Bauten übrig hatte.
Der damalige Rektor des städtischen Lyzeums (Gymnasiums) zu Wittenberg, M. Christian Friedr. Kranewitter, veröffentlichte eine kleine Schrift, die aber erst nach seinem Tode 1754 erichien „Commentatio de Fonte Lutheri, Vom Luthers Brunnen bey Wittenberg“, aus der hervorgeht, daß vor kurzem noch „vom Schießgraben (vor dem Elstertor auf der Kuhlache) unten ein gerader Weg nach dem Luthersbrunnen gegangen, welcher, wie die vestigia (Spuren) weisen, mit schönen Linden und Eichen besetzt gewesen. Diesen lustigen Spaziergang hat die Elbe von Jahren zu Jahren weggerissen, so daß man sich denselben kaum und kümmerlich noch vorstellen kann.“
Erst lange nach dem Abmarsch der Schweden (1707) kam die Frage des Baues 1713 wieder in Fluß: ein gewisser Martin Schmidt aus Wiesigk bat nämlich den König, die einst erteilte Konsession ihm zu übertragen; wieder gab dieser seine Zustimmung in einem Schreiben an seinen Kommissionsrat Johann Jacob von Ryssel und den Rentverwalter Samuel Francke (24. 3. 1713), falls der Rat nicht selbst bis Ostern den Bau ausführen wollte.
Der Rat scheint – hier versagen die Akten – den Bau beschlossen, aber wieder drei Jahre hinausgezögert zu haben; denn erst im Jahre 1716 unterhielt man sich in einer Kommissionssitzung, an der auch der kurf. Kommissions-Assistenzrat von Wichmannshausen teilnahm, darüber, ob man nicht die vor 30 Jahren gestohlene eiserne Tür durch eine neue ersetzen sollte; der Herr von Wichmannshausen riet, erst festzustellen, was eine solche kosten würde, und zu erwägen, ob nicht eine eichene, blechbeschlagene denselben Dienst leisten würde.
Darauf reichte der Schlossermeister Fr. Tobias Winckler für die eiserne Tür, zu der er drei Zentner Eisen brauchen würde, einen Kostenanschlag über 33 Taler nebst Zeichnung ein, während der Steinsetzmeister Peter Wulschläger das Neusetzen der Steine des Brunnens mit 33 Talern 6 Gr. berechnete und einen sorgfältigen Grundriß des erneuerten Brunnenhauses hinzufügte. Beide Zeichnungen sind im Archiv vorhanden und lehren, daß man auf die Eisentür verzichtete, aber dafür den Eingang zum Brunnenhaus durch ein starkes Lattengitter aus Eichenholz mit verschließbarer Tür versah, an dem außen oben das holzgeschnittene Bild der Stadtkirche, von Westen gesehen, angebracht war; an der Innenseite des Gitters ist in den Querbalken die Jahreszahl 1717 eingeschnitten; das noch heute unverändert erhaltene Lattengitter ist also damals verfertigt worden, ohne daß wir erfahren, von wem. Dagegen ergibt sich, daß der Neubau des Brunnenhauses genau nach dem Entwurf des Steinsetzmeisters Wulschläger ausgeführt worden ist.
Der Vorschlag, den Brunnen mit einem Haus zu überbauen und daneben noch andere zu errichten (Viehställe usw.), stammt vom damaligen regierenden Bürgermeister Johann Paul Keil aus Oelsnitz im Vogtland, der in den Jahren 1700-1743 19mal erster Bürgermeister war und 1744 starb. Wenn Keil meinte, daß der ganze Bau etwa 100 Taler kosten würde, so hat er sich freilich schwer getäuscht. Ferner sollten ein Buch und eine Sammelbüchse angeschafft werden, „damit sich ein Jeder einschreiben und etwas hineinlegen könnte“. Tatsächlich wurden zwei „Geldstöcke“, ein hölzerner und ein anderer aus Eisenblech angeschafft, die verschwunden sind.
Dagegen haben sich zwei Besucherbücher aus den Jahren 1824-1881 erhalten, die freilich nichts Interessantes bieten, außer einem dichterischen Erguß des Unteroffiziers bei der Gardeartillerie Heinrich Fischer am 14. April 1824, in dem er seinen Schatz in folgenden Worten anschwärmt:
„Deine Blicke, wenn sie Liebe lächeln,
könnten Leben in den Marmor fächeln,
Felsenadern Pulse leihn,
Träume werden um mich Wesen,
könnt ich nur in Deinen Augen lesen,
………………………ist mein“
(R. B. Nr. 14a.)
Endlich machte man sich nun an die Ausführung des Baues, zu dem allein 26 Eichen aus des Rats Gehölzen, fünf davon nahe beim Luthersbrunnen, für 190 Gulden und 18 Gr. gefällt wurden. Doch jetzt sollte der Bau nicht ohne Störung durchgeführt werden: die Universität teilte dem König mit (31. 7. 1717), daß der Stadtrat zwar vorgebe, der Saal im ersten Stock des zu bauenden Hauses solle als ,,Abtritt“ (Unterkunftsraum) für das Ratskollegium, die übrigen Räume als Wohnung für den Holzförster, den man hineinsetzen wollte, dienen, aber sie befürchteten doch, dass eine Gastwirtschaft darinnen betrieben werden sollte.
Als nun der König wieder nachgebend einen Bericht vom Rate forderte und „falls es auf ein Schenkhaus hinauslaufe“, die einstweilige Einstellung des Baues befahl, beschloss der Rat zwar, den Bericht schleunigst zu verfassen,
inzwischen aber ruhig weiterzubauen, „weil bereits 300 Mauersteine gestohlen seien und noch mehr gestohlen werden würden.“
Natürlich kam die Universität sofort dahinter und wendete sich nach vergeblichem Einspruch beim Rat mit einer förmlichen Beschwerde an den König, dem sie ein feierliches, neun Seiten umfassendes, auf bestes Papier geschriebenes, juristisches „Instrumentum“ des Kaiserl. Notars Christian Ehrlich beifügte. Ehrlich war mit zwei Zeugen, den studiosi juris Johann Friedrich Jänisch und Johann Friedrich Meißner am 23. August am Ort des Verbrechens erschienen und hatte den ganzen Bau, soweit er schon stand, bis auf die Zahl der Fenster genan besichtigt.
Der Maurergeselle Hans Georg Borsdorff, nach dem Zweck des Baues befragt, gab an – er war augenscheinlich ein Spaßvogel – daß solches for die Herrn Studenten wäre“; wegen dieser höchst gefährlichen Aeußerung vor den hohen Rat zitiert, gestand er, er habe die Herren nur veriren“ wollen.
Im Dezember 1717 war das Haus zum Einzug des Holzförsters – der erste hieß Goßrau – fertig, aber noch immer gab die Universität in ihrer Verbissenheit nicht nach: im August 1718 hatte der König auf Bitten des Rates das auf dem städtischen Marstall ruhende Braurecht (jus braxandi) auf den Luthersbrunnen verlegt und genehmigt, dort ein Brauhaus zu errichten, natürlich nur für die persönlichen Bedürfnisse des Holzförsters.
Die Universität behauptete nun in einem neuen Protest an den König, in dem neuen Hause würde Bier und Branntwein ausgeschenkt. Jedoch befahl dieser am 9. Februar 1719, dem Rate mitzuteilen, er solle der Universität bekanntgeben, daß ihr Protest vom Monarchen abgewiesen würde und daß der Bau zu vollenden sei.
Wie dieser ergötzliche Frosch-Mäusler-Krieg zwischen Rat und Universität schließlich ausgelaufen ist, darüber geben die vorhandenen Akten keine Auskunft mehr, es sind augenscheinlich welche verloren gegangen.
Werfen wir zum Schluß noch einen Blick auf das Brunnenhans selbst: Die Quelle wurde im Jahre 1717 aufs neue in ein kreisrundes aufgemauertes Becken gefaßt und darüber ein gotisches Gewölbe gespannt, von dessen Scheitel heute eine Laterne herabhängt. Ueber dem Brunnenhaus liegt der östliche Teil des ersten Stockwerkes des Wirtshauses; vorn ist das sich torartig öffnende Brunnenhaus noch immer von der alten starken eichenen Lattentür abgeschlossen.
Ueber dem Sturzbalken der inneren zur Quelle selbst führenden Tür hat der Rat 1717 zwei steinerne Inschrifttafeln anbringen lassen, auf der oberen liest man in großen lateinischen Buchstaben:
,,Auspice O. M. Deo Fons hic Divino Heroi Luthero Cujus etiam nunc obtinet nomen quondam accessus et celebratus passim at Hominum tem- porumque injuriis deinceps Haud unis vastatus tandem sub seculare Secundum A. C. MDCCXVII e ruinis restauratus Aedibusque novis est adauctus ex Aerario Senatus Vittebergensis Tenente Con- sulatus Fasces Joanne Paulo Keilio Oelsnitzio ex Variscis Aedilibus Laurentio Kettnero et Gottofr. Zimmermanno“,
d. h. Unter dem Schutz des allgütigen und allmächtigen (Gottes ist diese Quelle, die von dem göttlichen Helden Luther, dessen Namen sie noch jetzt trägt, einst besucht und allenthalben gefeiert wurde, aber dann durch der Menschen und Zeiten Unbill nicht nur einmal verwüstet wurde, endlich zur Zeit der zweiten Jahrhundertfeier (der Reformation) im Jahre Christi 1717 aus den Trümmern wiederhergestellt und durch neue Gebäude vergrößert worden auf Kosten des Rates von Wittenberg, als Paul Keil aus Oelsnitz im Vogtlande regierender Bürgermeister, Vaurentius Kettner und Gottfried Zimmermann Bauherrn waren.“
Laurentins Kettner, geb. 1667 in der Nachbarstadt Koswig (Coswig) , wurde in Wittenberg nacheinander Kämmerei-Buchhalter und Kammerschreiber, Assessor beim Stadtgericht, Kirchenmitvorsteher, Oberhauptmann der Schützengesellschaft und Schützenrichter, Ratsherr, Vizestadtrichter, 1780, 1732, 1734 regierender Bürgermeister; er starb am 11. Mai 1735.
Gottfried Zimmermann ist der bekannte und von seinen Zeitgenossen hochgeschätzte Buchhändler, ein Kind der Stadt, in der er 1670 geboren war; später Ratsherr, Assessor in der Richterstube, Bauherr, Feuer-Ordnungs-Mitinspektor und Kirchenamtsvorsteher am Gotteskasten. Als Bauherr hat er 1716 die beiden Diakonatshäuser in der Wettiner Straße gebaut. Er starb 1724.
Unter der großen Inschrifttafel ist eine kleinere mit zwei lateinischen Distichen an gebracht:
,,Quisquis ad has gressum, Lector bone, dirigis oras,
ne renuas grates ore referre Deo!
Plus divi vivum est, Fontem gustasse Lutheri quam lustrasse oculis ostia cuncta maris.“
„Wer Du nur auch zu diesem Gestade lenkest
die Schritte,
guter Leser, sag Dank willig dem gütigen Gott;
mehr wert ist’s,
den lebendigen Quell des göttlichen Luther kosten,
als schaun mit dem Aug alle Buchten des Meer’s.“
Möchte noch viele Jahrhunderte lang das alte Gasthaus zum Luthersbrunnen freundlich seine Stätten dem Wanderer öffnen, die Quelle im kühlen Brunnenhause rauschen und von alten Seiten raunen, möchte nie in unserer Heimat der lebendige Quell lutherischer Frömmigkeit versiegen!