1996.11.22. Mitteldeutsche Zeitung
Im sechsten Band des „Vollständige Staats-, Post-und Zeitungs-Lexikons von Sachsen“ das 1819 in Zwickau gedruckt worden war, beschreibt Friedrich August Gottlob Schumann (1885- 1826) den Luthersbrunnen. Schumann gehörte zu den bekanntesten sächsischen Bildungsbürger. Er besaß eine mehr als 4 000 Bande umfassende Privatbibliothek.
Im Text zum Luthersbrunnen heißt es:
„Der Lutherbrunn; ein als Denkmal im Herzogth(um) Sachsen, im Wittenberger Kreise, im Kreisamt Wittenberg, 1 Stunde östlich von Wittenberg, 1/2 Stunde vom Dorfe Hohndorf, in einer etwas waldigen Gegend, unweit der Elbe, an dem sogenannten großen Luge, einem Wittenberger Stadtgrundstück gelegen. Er befindet sich jetzt, in einem besonderen Rathsgebäude, ist mit einem eignen Gewölbe eingefaßt, und enthält ein reines, klares Wasser. Die Lage desselben ist sehr angenehm und gewährt eine hübsche Aussicht. Besondere Aufsicht über das Gebäude und den Brunnen hat der hier wohnende Wittenberger Rathsförster, der die den Brunnen besuchenden Fremden in ein besonderes Buch einschreiben läßt. Der Sage zufolge entdeckte und faßte Luther selbst diese Quelle schon im Jahre 1521, und ließ sie mit einem Häuschen überbauen, wo er sich teils der Erholung überließ, teils aber auch viel arbeitete, und zum Teil die erste Bibelübersetzung vom Jahre 1522 fertigte. Bis gegen Ende des 17.ten Jahrhunderts war der Brunnen noch überbaut und verschlossen. Als ihn aber Friedrich August I. bei seiner Huldigungsreise (18. Juli 1694) besuchte, und ganz verfallen sah, befahl er dem Rathe die Erhaltung und Unterhaltung desselben, und verlieh zu diesem Ende ihm das Schankrecht. Nun wurde der Brunnen im Jahre 1695 mit einem Gewölbe überbaut, das aber ungeschliffene Studenten, welche Pferde hineinzogen, Kaffee kochten etc., bald ruinierten. Erst im Jahre 1717 ließ der Rath das Gewölbe wieder herstellen, und durch den Maurer Peter Wulschlaier über den Brunnen eine Wohnung mit einem sehr geräumigen Saale und einer Stube, erbauen. Seit dieser Zeit wohnt ein Förster hier, welcher die Schankgerechtigkeit ausübt. Luthers letzter männlicher Erbe, Martin Gottlob Luther, besuchte diesen Brunnen am 28. August 1730.“
Die Bezugnahme auf den Besuch von Martin Gottlob Luther scheint sicher zu sein, zumal August Schumann sich immer auf Dokumente und auf zuverlässige Gewährspersonen bezog. Nach der gedruckten Familiengeschichte des Luther- Forschers Otto Sartorius wurde Martin Gottlob Luther am 5. Juli 1707 im sächsischen Wurzen geboren, wirkte seit 1734 in Dresden als Advokat und starb dort am 3. November 1759 unverheiratet und ohne Nachkommen.
Hans-Jochen Seidel