1929. Glaube und Heimat
Die Pechsieder
Ich entsinne mich aus meiner Jugendzeit, daß unweit unsrer Schule eine Pichbude stand; der Geruch und der aufsteigende Qualm bei dem Pichen war nicht gerade eine angenehme Zugabe in unsern Frühstückspausen. Diese Arbeit ist heutzutage nicht mehr nötig, die Verwendung der Fette und Öle ist an ihre Stelle getreten. Damit ist auch das Pechmachen selbst verschwunden, das seiner Zeit in den großen ausgedehnten Wäldern unsrer Provinz einen der lohnendsten Industriezweige darstellte. Es gab Familien, die dieses Handwerk von Vater auf Sohn vererbten, die, wenn mehrere Söhne vorhanden waren, neue Pechöfen anlegten und Pechhütten erbauten. Die Pechöfen, wie sie hie und da noch erhalten sein mögen, waren aus Ziegelsteinen gemauert, etwa 5 m in Höhe und Durchmesser, meist tief drinnen im Wald, um das Holz von allen Seiten heranschaffen zu können. Die benachbarten Ortschaften wurden verpflichtet , die Wege dorthin instand zu halten oder auch das Holz anzufahren. Es muß ein ganz einträgliches Handwerk gewesen sein. Verwendet wurde der Teer hauptsächlich zum Schmieren der hölzernen Wagenachsen, die ja längst durch Stahlachsen ersetzt sind. Damals fuhren die Teerschweler von Dorf zu Dorf, um den Teer an die Bauern zu verzapfen. Aus großen Fässern wurden die Teerpaudel, Gefäße mit 2-3 Liter Inhalt, gefüllt, die an jedem Lastwagen an der Hinterachse hingen. Sie waren dringend notwendig, um jederzeit unterwegs den Wagen wieder in Ordnung zu bringen, wenn das Holz, „brennig“ werden wollte. Die Teerbereitung aus Holz lohnt sich heute nicht mehr. Seit der Zeit des vorigen Jahrhunderts sind die Pechöfen eingegangen und damit ist ein Handwerk versunken, eine gewisse Romantik aus den Wäldern verschwunden. Die Familie Schlobach, die in der Annaburger Heide bei Zschernick dieses Handwerk betrieb, hatte, soweit mir aus den Familiennachrichten bekannt geworden, Pechhütten in der Dübener Heide Durbrehna war der Stammsitz dieser Pechsiederfamilie, ferner in Hohenleipisch, Oppelhain, Friedersdorf.
Auf unserem alten Friedhofe ist noch das Denkmal des letzten Pechsieders Schlobach erhalten.
von Alfred Resch