Der Zeppelinstein bei Abtsdorf

Wenn heute Flugzeuge aller Art uns hinwegfliegen, so sind das Alltäglichkeiten, die kaum noch beachtet werden.
Vor dem 1. Weltkrieg waren dies noch Besonderheiten.
Wer den “Flugapparat“ noch nicht gesehen hat der konnte am nächsten Tage darüber in den Lokalzeitungen lesen.
Zu den Sensationen gehörte noch bis in die dreißiger Jahre, wenn eines der großen Luftschiffe unseren Raum passierte.
Um solches Schauspiel zu sehen, liefen die Leute auf die Straßen und Plätze, erstiegen Türme und Dächer und winkten dem Riesen der Lüfte zu. Kirchenglocken läuteten und Fahnen wurden geschwenkt. Wurden die Grüße durch Senken der Luftschiffspitze von oben her erwidert, so kannte der Jubel kaum noch Grenzen.
Der Gesprächsstoff war für Tage gesichert.
Für den 30. August des Jahres 1909 war für etwa 5 Uhr früh ein Überflug durch das Luftschiff Z III des Grafen Zeppelin für Wittenberg gemeldet worden.
Aber die Wittenberger warteten vergeblich.
Dafür waren die Arbeiter der westlich des Dorfes Bülzig gelegenen Ziegelei nicht schlecht erstaunt, als sie bemerkten, dass dieses 136 m lange technische Wunderwerk Anstalten zur Landung machte.
Sie liefen herbei und hielten den Zeppelin an den herabgelassenen Seilen fest.

Was war geschehen, dass der Zeppelin ausgerechnet bei dem kleinen Dorfe Bülzig landete?
In der Nacht vom 26. zum 27. August 1909 hatte er in Friedrichshafen am Bodensee seine Reise angetreten, die er mit Unterbrechungen am 28. in Berlin beendete.
Der Rückflug von Berlin-Tegel wurde in der Nacht vom 29. zum 30. August gestartet.
Kurz vor 5 Uhr brach der rechte vordere Propeller.
Teile davon rissen ein großes Loch in die Hülle.
Die 5. der 17 Gaszellen war beschädigt und das Gas strömte aus. So musste eine Notlandung durchgeführt werden, für die sich eine Brachfläche westlich von Bülzig anbot.
Die Nähe der Ziegelei ließ auch Arbeitskräfte erhoffen, die zur Landung notwendig waren.
Kaum waren die Sicherungen und Verankerungen geschaffen, nahm man mit Friedrichshafen Verbindung auf.
In Wittenberg ging der Bericht von der Notlandung wie ein Lauffeuer um, Schulen und auch Betriebe schlossen ihre Pforten. Eine nicht enden wollende Menschenmenge machte sich auf den Weg nach Bülzig. Zu Fuß, mit Rädern, Droschken und Bahn erreichte man den Ort. Auch Sonderzüge wurden eingesetzt.
Bald reichten die Fahrkarten nicht mehr, es wurden als Ersatz Hundefahrkarten ausgegeben.
Innerhalb weniger Stunden glich das Gelände um den Zeppelin einem großen Festplatz. Bier- und Würstchenbuden, aber auch „fliegende Händler“ machten ihre Geschäfte.
Rund 20 000 Personen feierten schon am Nachmittag die Sensation der Zeppelinlandung. Polizei und Militär hatten alle Hände voll zu tun, um Ordnung und Sicherheit zu gewährleisten.
Das wurde noch schlimmer, als der Kronprinz mit dem Auto von Berlin zum Landeplatz kam.
Gegen 19 Uhr trafen Monteure und Ersatzteile vom Bodensee her in Bülzig ein. Die Reparaturarbeiten dauerten den ganzen 1. September.
Gegen 23 Uhr stieg das Luftschiff Z III auf und erreichte nach 22 ½ Stunden wohlbehalten Friedrichshafen.
An das große Ereignis erinnert am Ostrande der Abtsdorfer Siedlung ein Gedenkstein mit der Inschrift:

Hier landete Z III am 30. August 1909

Günther Göricke †

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aus: Freiheit vom 20.10.1982