Bei der Rückkehr der beiden waren die Schiffe bereits in Seußlitz angekommen, so dass sich Claus nun doch genötigt sah, der Entladung zuzustimmen.
Am nächsten Tage begrüßte die Mannschaft strömender Regen.
Es war der Tag der Dresdener Schlacht (26. 8. 1813), wovon in Seußlitz natürlich keiner etwas ahnte.
Gegen 14 Uhr war der erste Kahn entleert. Die Arbeiter und Fuhrleute waren völlig durchnässt und ließen sich durch nichts zur Weiterarbeit überreden.
In aller Frühe des neuen Tages beobachtete der Steuermann sechs Kosaken, die sich die Gegend und die Kähne ansahen.
Der französische Vorposten bei Seußlitz hatte sich daraufhin zurückgezogen.
Unter diesen Umständen musste die Entladung der Kähne und ihre Versenkung doppelt dringend werden.
Gegen 9 Uhr, der zweite Kahn war bis auf 30 Kisten entleert, während der erste bereits seinen Versenkungsort Hirschstein erreicht hatte, erschienen am linken Elbufer etwa 200 Kosaken.
Ein Teil bemächtigte sich sofort des bei Hirschstein liegenden Kahnes und setzte über. Der Rest verlangte die Übergabe des anderen Kahnes.
Bei den Verhandlungen kam heraus, dass die Kosaken über die Ladung genau Bescheid wussten.
Sie bemächtigten sich erst des Kahnes, als dieser entleert war.
Inzwischen waren aber von Großenhain her Franzosen angerückt, die den Kosaken den Weg versperrten und sie zu den Kähnen zurückdrängten, mit denen sie das andere Elbufer erreichten.
Die Kampfhandlungen zogen sich bis an die Ausladestelle, wo sich bei den restlichen Kisten Gerlach und ein alter Tischler aus Kemberg befanden.
Alle anderen Arbeiter hatten das Weite gesucht.
Die Kähne wurden wenig später bei Hirschstein von Franzosen abgebrannt.
Wenige Tage nach der Völkerschlacht bei Leipzig tauchten in Seußlitz preußische Ulanen auf.
Die Bibliothek wurde von ihnen als königlich sächsischer Besitz angesehen und sollte auf 30 Bauernwagen nach Breslau transportiert werden.
Angesichts der großen Masse an Bibliotheksgut ließen sie aber von ihrem Auftrag ab, versiegelten die Räume und hinterließen sechs Mann als Wache.
Gerlach informierte sofort das Rektorat der Universität in Schmiedeberg.
Vom Gouvernement in Leipzig kam nach zehn Tagen der Freigabebefehl und die Posten zogen ab.
Nachdem Gerlach keine Gefahr mehr für die Bibliothek sah, reiste er nach Schmiedeberg.
Er musste noch mehrmals nach Seußlitz, bis die Bibliothek wieder zurück nach Wittenberg konnte.
Mit der Vereinigung der Universitäten Wittenberg und Halle 1817 fand eine Teilung der Wittenberger Universitätsbibliothek statt.
Günter Göricke †
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aus: Freiheit vom Dezember 1980