Am 10. Dezember 1520 verbrannte Dr. Martin Luther vor dem Elstertor der Stadt Wittenberg auf einem Scheiterhaufen neben einigen Ausgaben des kanonischen Rechts, Schriften von Eck und Emser, die päpstliche Bannandrohungsbulle.
In großen Scharen waren die Studenten deren Aufruf zu dieser demonstrativen Abwendung Luthers von der katholischen Kirche gefolgt.
Von dieser Tat Luthers sollte eine Eiche künden.
Wann und von wem die erste Eiche gepflanzt worden ist, weiß niemand.
Nur eine Sage berichtet darüber.
Um 1813 stürzte dieser mächtige Baum unter den Axthieben der Franzosen.
Nach dem Befreiungskrieg hatte man mehrfach eine Neuanpflanzung versucht, Dies glückte jedoch erst am 25. Juni 1830 anlässlich des 300. Jahrestages der Verlesung der Augsburger Konfession.
Ein stattlicher Baum war diese Eiche geworden, als sie knapp 75 Jahre später in der Weihnachtsnacht 1904 angesägt worden war. Wie ein Lauffeuer, verbreitete sich in der Stadt die Kunde von dieser frevelhaften Tat.
Das Wittenberger Tageblatt vom 28. 12. 1904 schreibt dazu:
„Sie hat an der Schnittstelle 1 m über der Erde, 3 m Umfang, davon sind 1,72 m in der Breite nach den Anlagen zu eingeschnitten, die Seite nach der Lutherstraße aber intakt gelassen.
Der Schnitt, von dem noch nicht festgestellt ist, ob er tödlich ist, ist nach der Form und nach den Spänen zu urteilen, mit einem geißfußähnlichen Instrument (Nageleisen oder Brechstange) ausgeführt worden.
Von den Frevlern fehlt bis jetzt jede Spur.“
Einen Tag später teilt die gleiche Zeitung mit, dass man bei genauerer Untersuchung der inzwischen kunstgerecht verbundenen Verletzung Sägeschnitte festgestellt hatte, die mit dem Geißfuß erweitert worden waren.
In Verdacht kamen ein kleiner und ein großer Mann, die am 25. 12. gegen 7.00 Uhr innerhalb der Umfriedung der Luthereiche gesehen wurden.
Obwohl man eine Belohnung von 100,—Mark für die Ergreifung der Täter ausgesetzt hatte, wurden sie nicht gefasst.
Damit blieb auch das Motiv zu dieser Tat unbekannt.
Die Luthereiche hat die Verletzung gut überstanden, nicht zuletzt dank der sorgfältigen Behandlung der Schnittstelle.
Die Narbe zeugt als einziges von diesem Unfall.
Die großen trockenen Äste, die der Baum besonders in den letzten Jahrzehnten immer wieder hatte, haben nichts mit dem Geschehen von 1904 zu tun.
Sie haben ihre Ursache in vorbeiführenden Rohrleitungen und vermutlich auch im Straßenbau.
Günter Göricke†
aus: Freiheit vom 28.12.1979