Der Pflege alter Bräuche, Sitten, ebenso der Erhaltung alter Kulturstätten wird durch unseren Staat mannigfaltige Aufmerksamkeit geschenkt.
Das Brauchtum der Elbschiffer vergangener Zeiten droht aber völlig in Vergessenheit zu geraten, da in unseren Museen fast nur Sachwerte (Modelle, Fahnen, Wimpel und sonstiges Zubehör) anzutreffen sind.
Hier und da sind noch einige Schifferlieder bzw. Sprüche in Archiven zu finden.
Wie verbrachte aber der Elbschiffer seine Freizeit, wodurch zeichnete er sich von den anderen Einwohnern seines Wohnortes ab?
Zunächst von der Kleidung, denn einen Schiffer erkannte man am dunkelblauen Zweireiher mit den polierten Ankerknöpfen.
Die gleichfarbene Mütze war zumeist mit dem Emblem der Reederei versehen, in dessen Dienst der Schiffer stand.
Eines zeichnete sie aber alle aus, es wurde großer Wert auf die Sauberkeit dieser Kleidung gelegt.
Auf dem Rhein kannte man diese einheitliche, standesgemäße Anzugordnung nicht
Als Arbeitshose wurde die derbe Latzhose aus Baumwollsatin bevorzugt, und als Fußbekleidung trug man vornehmlich Holzpantoffeln, im Winter die legendären „Schandauer“ (Filzschuhe).
Nicht immer trug man diese zweckmäßige Kleidung, denn, wie durch viele Bilder belegt, trug der Schiffsführer vor ca. 100-150 Jahren unbedingt einen Zylinder, wenn er am Steuer stand.
Diese „Angströhre“ gehörte eben als Kennzeichen ihrer Würde dazu. Da es ja zu früheren Zeiten noch keine Massenmedien gab, war es Selbstverständlichkeit, dass wenigstens ein Instrument beherrscht wurde.
Es war höchst selten, wenn auf einem Schiff nicht mindestens ein „Zerrwanst“ oder auch Schifferklavier genannt, vorhanden war.
Bei einem früheren Kapitän des letzten Elbdampfers „Württemberg“ hatte ein „Unmusikalischer“ keine Chance, „aufzupacken“.
Das Schiff wurde zwangsläufig „Der Musikdampfer“ genannt.
Die Vielzahl von überlieferten Schifferliedern sind auch beredter Beweis dieser Freizeitgestaltung.
Im langen Winterlager bzw. bei unfreiwilligem Aufenthalt wurden bevorzugt Schiffsmodelle oder Tischmaste gebastelt.
Hierbei wurde weniger Augenmerk auf die maßstabsgerechte Darstellung der Details als auf die Funktionstüchtigkeit der Anlagen gelegt. Fast alle Modelle unserer Museen haben deshalb nur Wert in Bezug auf das Brauchtum der Schifffahrt, denn Verkleidungen z. B. waren bzw. sind aus Büchsenblech und Ankerwinden aus Zwirnrollen gefertigt.
Da die Schiffsbesatzung relativ selten das Schiff wechselte, Schiffseigner meist ihr ganzes Leben auf diesem zubrachten, fehlten auch Haustiere nicht.
Besonders bevorzugt waren Hühner und Kaninchen.
Auch hatte man sehr gern einen Hund an Bord.
Der Spitz hatte hier den Vorzug unter den Vierbeinern.
Eine weitere Eigenart der Schiffer war das Festhalten an alten Traditionen.
Die Namen der Fahrzeuge, der Anstrich, kleine Verzierungen sind dafür gute Beispiele.
Die Auswahl des Namens eines privaten Schiffes bereitete in der Regel keine Kopfschmerzen, meist musste der Vorname der eigenen Ehehälfte oder der Tochter herhalten, nicht selten beide gleichzeitig, – wie „Anna-Elfriede“, „Marie-Luise“ oder „Ursula“, „Lina“ usw.
Die großen Schifffahrtsgesellschaften (Reedereien) waren neben dem Anstrich auch schon am Namen der Schiffe auseinanderzuhalten.
Während die einen ihre Schiffe nach Elbestädten oder deutschen Ländern benannten, bevorzugten die anderen Greifvogelnamen oder Namen geschichtlicher Persönlichkeiten.
Heute gibt man den Schiffen bevorzugt Nummern oder bedient sich Städtenamen.
Karl Jüngel †
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aus: Freiheit vom Januar 1981