Mit dem Emporschnellen der Schifffahrt ab 1870 entwickelte sich zwangsweise der Umschlag links und rechts des Stromes.
1910 sind nicht weniger als 17 Umschlagplätze von Pretzsch bis Griebo nachweisbar.
Die zur Verfügung stehende Technik war dabei sehr unterschiedlich, sie reichte von der Schubkarre bis zum elektrischen Kran.
Den größten Teil des Umschlags bewältigte der Speditionsverein Mittelelbische Hafen- und Lagerhaus-Aktiengesellschaft mit den beiden Umschlagstellen in Kleinwittenberg (Abteilung I) und dem städtischen Umschlagplatz (Abteilung II) vor dem Elstertor (jetzt VEB Kraftverkehr Dresdener Straße).
Zur Be- und Entladung am städtischen Umschlagplatz standen zwei Dampfkräne, ein Ladegerüst, eine Kaimauer und fünf Lagerschuppen zur Verfügung.
Die Anschlussbahn die auch über die Dresdener Straße führte, wirkte sich sehr positiv auf den Umschlag aus.
Von hier aus nahm man den Vertrieb von Böhmischer Braunkohle sowie Salon- und Industriebriketts vor.
Vorteilhafte Verfrachtung von Gütern auf der Elbe, Saale und Oder und hochwasserfreie Lagerung für Güter aller Art wurde durch die Abteilung I garantiert.
Zur Verfrachtung loser Getreideladungen wurde 1910 schon eine pneumatische Förderanlage in Betrieb genommen.
Auch war die Möglichkeit zur Zollabfertigung im eigenen Hause ein großer Vorteil für die Handelsgeschäfte der Wittenberger Betriebe.
Der Versorgung in Piesteritz ansässiger Industrie (Byk-Guldenwerke und Gummiwerk) diente ein relativ moderner Umschlagplatz am Elbkilometer 220,7, der neben einer Kaimauer, einem Handkran, zwei hölzernen Ladegerüsten schon über zwei elektrische Kräne verfügte.
Die restlichen Ladeplätze waren meist in der Nähe von Ortschaften, wie Pretzsch, Bleddin, Wartenburg, Elster, Gallin, Prühlitz, der Ziegelei am Lutherbrunnen mit Feldbahngleisen zur Elbe und Griebo.
Sie bestanden nur aus gepflasterten Böschungen oder es wurden Buhnenköpfe genutzt.
Die Be- und Entladung wurde über Karrbohlen abgewickelt, d. h. am Ufer wurden Holzböcke unterschiedlicher Höhe aufgestellt (teils auch im Wasser) und von Bock zu Bock eine schiefe Ebene eingerüstet (unser Bild).
Gearbeitet wurde im Wechselkarrensystem.
Wurde eine Karre vollgeschippt, war die andere unterwegs. Die Schiffsmannschaft musste dabei das Einschippen in die Karren selbst vornehmen.
Bei einer Arbeitszeit von zehn Stunden wurden auf diese Weise täglich 400 bis 450 Dezitonnen ausgekarrt.
Umgeschlagen wurden Kies, Steine, Ziegelsteine, Zuckerrüben, Kohle und Sackgut.
Es war nicht nur eine sehr anstrengende, sondern auch gefährliche Arbeit, denn die Karrbohlen waren nicht breiter als 40 cm, außerdem war man ja ständig den Unbilden des Wetters ausgesetzt. „Wegen seiner Nähe zur Elbe, auf welcher der Betrieb Rohmaterialien herbeischaffen und Fertigprodukte versenden kann“ (aus Geschichte der Gemeinde Piesteritz von K. Weinhold 1925) kam es, dass mit Gründung des Stickstoffwerkes 1915 in Piesteritz auch ein neuer Hafen entstand.
Somit hatte man eine günstige Verbindung zum Seehafen Hamburg, um vor allem Koks und Anthrazit, ab 1928 auch noch Phosphate auf dem Wasserwege heranschaffen zu können.
Die Rückladung der Schiffe bestand speziell aus Kalkstickstoff und Karbid.
Die Papierfabrik in Muldenstein veranlasste dann 1926 bis 1929 den Bau eines Hafens am Brückenkopf (unterhalb der Elbbrücke am linken Ufer), um, ausschließlich Holz zur Papierherstellung umschlagen zu können.
Von allen diesen vielen Umschlagstellen sind heute nur noch (mit Ausnahme des Stickstoff-Hafens) Fragmente vorhanden oder auch sie sind gänzlich verschwunden und dies trotz der günstigen Frachtsätze der Binnenschifffahrt.
Karl Jüngel †
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aus: Freiheit vom März 1980