Zweimal war Fischmarkt

Die Fischer arbeiteten mit verschiedenen Geräten, besonders mit Wurfnetz, Treibnetz, Zugnetz, Schlepp- oder Stellnetz und Schnüre. Mit dem Zugnetz (großes Garn) fischten nur wenige, es war sehr teuer und außerdem mussten bis zu vier Mann ziehen.
Gefangen wurden alle bekannten Süßwasserfische, wie Hecht, Zander, Karpfen, Blei, Aal, Weißfisch und viele andere.
Auch Quappen waren ein begehrter Fang und sie sollen entsprechend zubereitet, vorzüglich geschmeckt haben.
Diese, dem Zwergwels sehr ähnliche Fische, sind bis zu 3½ Pfund schwer gefangen worden.
Ihren Fangort erreichten die Fischer mit ihren typischen Fischerkähnen, dabei ließen sie sich gern von Schleppzügen stromauf mitnehmen.
Die „Schleppgebühren“ wurden bei der nächsten Gelegenheit in Naturalien entrichtet.
Der Fang wurde in Fischkästen untergebracht und hinterher gezogen. War der Fang günstig, wurden alle an Bord verfügbaren Gefäße gefüllt.
Wichtig war, dass jeder Fisch lebend seinen Käufer erreichte. Deshalb herrschte bis 1936 wöchentlich zweimal (Mittwoch und Samstag) in Wittenberg auf dem Marktplatz hinter dem Rathaus reger Fischmarktbetrieb.
Die Fische wurden in verschlossenen Bottichen mit dem Handwagen dorthin gefahren und dann bis zum Verkauf in einer Halteranlage aufbewahrt. Etwas wurde aber gleich vom Handwagen herunter verkauft.
Diese Halteranlage befand sich direkt hinter dem Rathaus, früher auch neben dem Brunnen, und wurde ständig vom frischen Jungfernröhrwasser durchflossen.
Jeder der zwölf Fischer hatte seine bestimmte Zelle, die nach oben mit einem Gitterdeckel und darüber noch mit einem Holzdeckel verschlossen war. Gesichert wurde das Ganze durch ein Vorhängeschloss. Das gesamte Becken war etwa 3 m breit, 10 m lang, 1,5 m tief, das Wasser stand etwa 80 cm hoch.
Bemerkenswert ist, dass das Säubern der Fische zum Kundendienst gehörte.
Wurden die Frauen und Töchter der Fischer nicht beim Fang benötigt und war nicht Markttag, dann brachten sie die Fische mit ihren Handwagen auch über Land.
Jeder Fischer hatte seine bestimmte Strecke. Entfernungen bis Kemberg oder Straach waren dabei nichts Besonderes.
Die Nachkommen der Fischerfamilien Weber, Richter, Mucke, Franke oder Kühn können noch über diese Strapazen berichten.
Natürlich wurde nicht nur gearbeitet.
Regelmäßig einmal im Quartal trafen sich die Meister in ihrem Vereinslokal „Zum goldenen Schiff“ in Kleinwittenberg.
Dort war auch die Innungsfahne, der schon beschriebene Pokal und innungseigenes Zinngeschirr deponiert und in einer Innungslade vor fremdem Zugriff gesichert.
Bei dieser Gelegenheit wurden auch die Lehrlinge „eingeschrieben“, nachdem jeder sein Gelöbnis leistete: „

„Ich habe Lust, das Fischerhandwerk zu erlernen und hoffe, ihr werdet mich nicht verstoßen“.

Nach dreijähriger Lehrzeit, jeweils am 21. Juni, dem Tag der Sonnenwende, wurden sie zum Gesellen geschlagen und durften erstmalig aus dem mit Wein gefüllten Pokal trinken.
Die Innungslade sowie die Fahne der Fischerinnung von 1823 haben einen würdigen Platz in unserem Stadtgeschichtlichen Museum erhalten.
Die ereignisreiche Tradition setzen noch heute fünf Fischermeister, die seit 1959 zur Produktionsgenossenschaft werktätige Fischer Fortschritt Elbe-Elster mit Sitz in Reinharz zusammengeschlossen sind, fort.
Nicht mehr der eigentliche Strom, sondern die fischreichen alten Elbarme werden von ihnen zur Versorgung der Bevölkerung genutzt.

Karl Jüngel 

aus: Freiheit vom Februar 1980

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