Die Schiffsmühlen auf der Elbe

Eine fast völlig vergessene Nutzungsart der Elbe, die auch im Kreisgebiet vorzufinden war, soll Anlaß zu dieser näheren Betrachtung sein — die Schiffsmühlen.
Urkundliche Hinweise auf Schiffsmühlen an der Elbe finden wir schon seit 1227 bzw. 1425.
Jedoch gibt eine General-Tabelle von 1721 der in den Ämtern Sachsens befindlichen 84 Schiffsmühlen erstmals den Hinweis, daß auch 2 Stück auf das Amt Wittenberg entfallen.
Eine dieser beiden Schiffsmühlen ist die Hubrig’sche, die unterhalb der Elbebrücke verankert war und während der Belagerung von Wittenberg durch die Franzosen 1813 eine Rolle zwischen den Fronten Preußen und Franzosen spielte.
Die andere, die Gäbelt’sche Schiffsmühle, war am Prühlitzer Heger, (heute Mühlanger) stationiert.
Diese Prühlitzer Schiffsmühle lässt sich ab 1853 über 4 Generationen bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts nachweisen.
Die Vorfahren dieser Schiffsmüller Gäbelt waren Holzflößer auf der Elbe, zwischendurch auch Holzhändler.
Eine Schiffsmühle bestand aus 2 Einheiten, dem Hausschiff und dem wesentlich kleineren Wellschiff.
Das Hausschiff war immer nur am ‚Ufer angeordnet, das Wellschiff lag der stärkeren Strömung wegen immer zur Strommitte. Die Besonderheit der Gäbelt’schen Mühle war, dass diese als einzigste bekannt wurde, bei der das Wellschiff am Ufer lag.
Zwischen beiden Schiffen drehte sich das mächtige Mühlrad.
Beide Schiffe waren durch je 1 Spannbaum oder -balken vorn und hinten zur Einhaltung eines gleichmäßigen Seitenabstandes‘ verbunden.
Die Welle des Mühlrades trieb über ein großes hölzernes Kammrad von 4 bis 5. m Durchmesser und Vorgelege das Mühlrad an.
Der normale Betriebsablauf der Schiffsmühlen war nun derart, dass die Flussströmung das große Wasserrad und damit die Zahnräder und oberen Mühlstein in Bewegung setzte.
Sollte die Mühle gestoppt werden, so konnte der Müller ein vor dem Wasserrad zwischen beiden Schiffen in Ketten hängendes Schütz herunterlassen und damit den Wasserzufluss zum Rad hemmen.
Der Vorteil der Schiffsmühlen gegenüber den Windmühlen bestand in der Wetterunabhängigkeit.
Gefahren bestanden jedoch bei Hochwasser und Eisgang.
Wehe dem Schiffer, wenn er seine Mühle nicht rechtzeitig an einen geeigneten Liegeplatz brachte.
Es kam trotzdem noch zu Unglücksfällen,
so z.B. am 13. Januar 1777 in Magdeburg.
Es trat plötzlich Hochwasser ein und das Eis zerbrach die Ankerketten einer Schiffsmühle.
Diese wurde abgetrieben und riss in Buckau eine dort verankerte Mühle mit. Beide trieben gegen die Magdeburger Strombrücke und die im Winterschutz liegenden Kähne.
47 Elbkähne, 50 Zollkähne. und 8 Schiffsmühlen wurden schwer beschädigt. Der Gesamtschaden, der angerichtet wurde, belief sich auf 10 000 Taler.
Die Ausnutzung des tiefen und strömungsreichen Wassers im Flussbett führte dann gegen Ende des 19. Jahrhunderts zur Konfrontation zwischen Schiffsmüllern und Elbschiffern.
Technische Entwicklungen der Elbeschifffahrt, verbunden mit einer Zunahme des Verkehrs, drängten auf eine freie und unbehinderte Durchfahrtsmöglichkeit auf der gesamten Flusslänge.
Qualitativ bessere Mahlergebnisse bedrohten darüber hinaus die wirtschaftliche Existenz der Schiffsmüller.
Obwohl der Liegeplatz der Hubrigschen Mühle durch ein Privileg des Königs Friedrich Wilhelm III. durch das kühne Unternehmen 1813 gesichert war, wurde der Mühlbetrieb 1886 eingestellt.
Die Gäbeltschen Schiffsmüller hatten schon vorher ein Gasthaus eröffnet.
Die letzte Schiffsmühle auf der Elbe in Lobositz stellte 1911 mit Inbetriebnahme einer Elbstaustufe ihre Tätigkeit ein.
Noch heute erinnert die Straße an der Schiffsmühle in Mühlanger an den einstigen Liegeort der Schiffsmühle.

Karl Jüngel

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aus: Freiheit vom  26.01.1980

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