In seinen Erinnerungen, die heute etwa 100 Jahre zurückliegen, schrieb ein alter Wittenberger über eine damals stadtbekannte Person mit Namen Erler James Mortimer Morgan. Dieser stets gut gekleidete Mann trug für das zeitweilig hier agierende Sommertheater die Einladungszettel aus.
Er war vielseitig, so verwaltete er im Winter die Eisbahn auf dem Stadtgraben, doch im Sommer war er Bademeister.
In dem mir vorliegenden Erinnerungsbericht heißt es:
„… und der richtige Wittenberger Junge ging zu Morgan am Anger vor dem Elbtore baden.“
Auch wir Jungen, die in der Altstadt wohnten, gingen durch die Elbstraße, am „Edelweiß“ (einer Wäscherei) vorbei über den langen Wiesenweg zu Rämisch, später Adler.
Mit langen Balken war rechts der Buhne die Abgrenzung für Schwimmer und für Nichtschwimmer.
Die Badekabinen waren früher Holzhäuschen mit einer großen Tür. Oberhalb des Abhangs war ein Bierausschank. Erst später wurde das modernisiert.
Eine zweite Badeanstalt war links der Kuhlache, wo heute der Kraftverkehr das Gelände benutzt.

Auch das war eine Strombadeanstalt mit einem großen Becken für die Schwimmer, während die Nichtschwimmer einen hölzernen Boden in ihrem Bassin vorfanden, den sogenannten Affenkasten. Hier ging man zu Eylerts oder später zu Zanders.
Ein Bierausschank sorgte auch hier für das leibliche Wohl. Dabei hatte man das Gefühl, mitten auf der Elbe zu sitzen.
Später wurde alles neu aufgebaut. Eine ganz moderne Gaststätte mit einer großen Anzahl von Kabinen, darunter waren die zahlreichen Boote der Paddler untergebracht.
Die Arbeitersportler schufen sich entfernt von diesen in der Dresdener Straße aus eigenen Mitteln ebenfalls ein Gebäude mit Bootsunterkunft.
So herrschte ein reges Badeleben nahe der Elbe und auf der Elbe. Sehr beliebt war das „Rüberschwimmen“ zum anderen Elbufer, was nicht ganz ungefährlich war und auf eigene Gefahr geschah.
Manche Schwimmer hängten sich an den Beikahn der tschechischen Dampfer, was diese oft mit einem Eimer Teer quittierten.
Vor genau 50 Jahren hörte man ein Gelächter längs der Elbe. Unterm 18. August 1932 erließ Minister Dr. Bracht seine Polizeiverordnung, wobei er sich unsterblich blamierte.
Darin hieß es u. a.:
„Frauen dürfen öffentlich nur baden, falls sie einen Badeanzug tragen, der Brust und Leib an der Vorderseite des Oberkörpers vollständig bedeckt, unter den Armen fest anliegt sowie mit angeschnittenen Beinen und einem Zwickel versehen ist. Der Rückenausschnitt des Badeanzuges darf nicht über das untere Ende der Schulterblätter hinausgehen.“
In jedem Witzblatt wurde die „Zwickelverordnung“ in Wort und Bild karikiert.
Heinrich Kühne †
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aus: Freiheit vom Juni 1982