Vom Raben und Fuchse
Ein Rab hatte einen Kese gestolen und satzte sich auff einen hohen Baum und wolte zeren.
Als er aber seiner art nich schweigen kan, wenn er isset, höret in ein Fuchs uber dem Kese kecken und lieff zu und sprach:
„O Rab, nu hab ich mein lebtag nich schöner Vogel gesehen von Feddern und Gestalt, denn du bist. Und wenn du auch so eine schöne Stimme hettest zu singen, so sollt man dich zum König krönen über alle Vögel.“
Den Raben kützelt solch Lob und Schmeicheln, fing an, wolt sein schönen Gesang hören lassen, und als er den Schnabel auffthet, empfiel in der Kese, den nam der Fuchs behend, fraß in und lachtet des thörichten Rabens.
Hüt dich, wenn der Fuchs den Raben lobt.
hüt dich für schmeichlern, so schinden und schaben.
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Die Stadtmaus und die Feldmaus
Eine Stadmaus gieng spaciren und kam zu einer Feldmaus, die thet ir gutlich mit Eicheln, Gersten, Nüssen, und womit sie kund.
Aber die Stadmaus sprach:
„du bist eine arme Maus, was wiltu hie in Armut leben?
Kome mit mir, ich wil dir und mir gnug schaffen von allerley köstlicher Speise.“
Die Feldmans zog mit ir hin in ein herrlich, schön Haus, darin die Stadmaus wonet, und giengen in die Kemnoten, da war vol auff von Brod, Fleisch, Speck, Würste, Kese und alles, da sprach die Stadmans: „Nu iss und sey guter ding, solcher Speise hab ich teglich überflüssig.“
In des kompt der Kelner und rumpelt mit den Schlüsseln an der thür.
Die Meuse erschracken und lieffen davon.
Die Stadmaus fand bald ir Loch.
Aber die Feldmans wüßte nirgend hin.
Lieff die Wand auff und abe und hatte sich ires Lebens erwegen.
Da der Kelner wider hinaus war, sprach die Stadmaus:
„Es hat nu kein Not, las uns guter ding sein.“
Die Feldmaus antwortet:
„Du hast gut sagen: du wußtest dein Loch fein zu treffen,
dieweil bin ich schier für Angst gestorben.
Ich will dir sagen, was die meinung ist: Bleibe du eine reiche Stadmaus und fris Würste und Speck, ich will ein arm Feldmeuslin bleiben und mein Eicheln essen.
Du bist kein Augenblick sicher für dem Kelner, für den Katzen, für so viele Meusefallen, und ist dir das ganze Haus feind, solches alles bin ich frey und sicher in meinem armen Feldlöchlin.“
In großen Wassern sehet man große Fische,
aber in kleinen wassern sehet man gute Fischlin.
Wer Reich ist, hat viel Neider, Sorge, Fahr.