Johann Gottfried Galle

„So oft es ihn drängte, einmal ausruhend Atem zu schöpfen, tauchte stets das weite, grüne Wipfelmeer der Kiefern und Eichen, Tannen und Buchen des Pabstholzes vor seinen zurückwandernden Erinnerungen auf und ließ ihn nicht los, bis er wieder einmal die alte Heimat von Angesicht zu Angesicht sah.“

Das schrieb der Sohn des großen Astronomen Johann Gottfried Galle.
Gemeint ist das nun längst verschwundene Vaterhaus des Gelehrten am Papsthaus in der Dübener Heide.
Hier hatte die aus dem Fläming stammende Familie Galle eine Teerschwelerei, doch der zarte Junge, „der nicht sehr stark“ war, sollte einen anderen Beruf ergreifen.
So wanderte Galle bei Wind und Wetter nach Radis zur Schule, die der am 9. Juli 1812 geborene Knabe von 1818 bis 1825 besuchte, um dann das Wittenberger Gymnasium am Kirchplatz zu absolvieren.

Mit dem lateinischen Abgangszeugnis vom 1. April 1830 reiste er nach Berlin, um dort seine mathematischen, naturwissenschaftlichen und geographischen Studien zu beginnen. Bei der Immatrikulation war der berühmte Philosoph Hegel zugegen.

Später war er als Gymnasiallehrer in Guben und Berlin tätig, um sich dann ganz der Astronomie zu widmen. Hier leistete er nun hervorragende Arbeit, so daß er Angebote aus Tartu (Dorpat), Königsberg und anderen Städten bekam.

Wissenschaftlich rastlos tätig, kam es zu Bahnberechnungen mehrerer Irrsterne, zur exakten Untersuchung des Saturnringes, zur Feststellung der Sonnenparallaxe, aber auch auf dem Gebiet der Meteorologie leistete er Vorbildliches.

Von geradezu epochaler Bedeutung war seine Entdeckung des Planeten Neptun.
Das machte Galle weit über den Personenkreis seiner Fachgenossen bekannt und weit über die Grenzen Deutschlands ging sein Ruhm. Unumwunden gab er stets zu, daß er als Grundlage die Vorarbeiten des genialen Franzosen Leverrier erhielt, der sie vorbehaltlos dem Gelehrten übergab, nachdem eine genaue Berechnung über den Stand des Planeten erfolgt war.

In der Nacht vom 23. zum 24. September 1846 beobachtete Galle mit dem später ebenfalls bekanntgewordenen Astronomen d’Arrest den nächtlichen Himmel.
Die folgende Nacht brachte dann die Gewißheit, und Galle war der erste Mensch, der den neuen Planeten entdeckt hatte.

Galle wurde mit Ehrungen des In- und Auslandes überschüttet, blieb aber stets der bescheidene, einfache Mensch.
Fast hundertjährig schloß er am 10. Juli 1910 als greiser Gelehrter die Augen für immer.

In dem Jahrhundert, das Galle durchlebte, hatten sich bahnbrechende Ereignisse in den Naturwissenschaften, vor allem in der Technik, eingestellt.
Mitten im Befreiungskrieg geboren, mußte er als Schüler zu Hause bei selbstangefertigten Talglichtern seine Schularbeiten verrichten. Dann sah er die Entwicklung von der Öl- und Petroleumlampe, vom Gaslicht bis zur elektrischen Beleuchtung.
Als Zwanzigjähriger, so schrieb einmal sein Sohn, fuhr Galle dann erstmalig auf der Eisenbahn zwischen Zehlendorf und Potsdam und in seinem letzten Lebensjahr flog der Zeppelin über Berlin, wo bekanntlich 1909 beim Rückflug dann die Havarie bei Bülzig geschah.

Heinrich Kühne †

aus: Freiheit vom 11.01.1980

**************************************************************************

weitere Info, unter: Johann Gottfried Galle