Es gibt kaum eine andere Stadt, an deren Häusern man soviel Gedenktafeln findet, wie in Wittenberg.
Besucher unserer Stadt freuen sich darüber immer wieder.
Hand aufs Herz, welcher Bürger unserer Stadt kann sagen, wieviel Gedenktafeln es sind, die an unsere Heimatgeschichte erinnern, oder welche Tafel wo angebracht ist?
Wir wissen, das fällt schwer, die meisten wissen es nicht.
Die erste Tafel begegnet uns am Denkmal der Befreiung, von Ferdinand von Schill, die an der Schloßmauer angebracht ist.
Als „Soldat ohne Befehl“ zog Ferdinand von Schill auf eigene Faust gegen Napoleon zu Felde. Er konnte mit seinen 400 Husaren, 60 reitenden Jägern und 50 Infanteristen keinen offenen Kampf gegen den Korsen führen. So wollte er in Einzelgefechten den Feind zermürben und feindliche Kräfte binden.
Von Berlin ausreitend, kam er über Potsdam, Brück und Niemegk nach Wittenberg. Die nahende Truppe wurde dem Festungskommandanten gemeldet, der sofort Großalarm gab. Neben der kleinen Besatzung mußten nun alle wehrfähigen Bürger zu ihren Stellplätzen.
Die starke Festung Wittenberg hätte der Freiheitskämpfer mit seinen Freiwilligen niemals erstürmen können.
So kam es zur Verhandlung am Stadttor.
Schill erhielt die Erlaubnis, mit seiner Schar über die Elbbrücke zu reiten und zu marschieren.
Ferner vereinbarte man sechs Tage lang keine Feindseligkeiten durchzuführen.
Der Weitermarsch ging dann über Dessau in Richtung Magdeburg und schließlich bis nach Stralsund, wo Schill am 31. Mai 1809 im Straßenkampf fiel.
Sein Erscheinen am 1. Mai 1809 vor Wittenberg war also nur eine kleine Episode im kämpferischen Leben Schills.
Doch die Wittenberger, die keinen Schuß abgaben, ließen sich ihre Tapferkeit durch die Überreichung einer Fahne vom sächsischen und später noch eine vom preußischen König hoch anrechnen und durch einige Orden dokumentieren.
Der preußische König behandelte Schill als Deserteur und Meuterer.
Auch nach der Niederschlagung Napoleons durften Schills Heldentaten nicht erwähnt werden.
So kam es, daß man seinen Leichnam still vergraben mußte, sein Kopf wurde vom Rumpf getrennt und von holländischen Dragonern der Universität Leyden übergeben.
Doch das patriotische Deutschland sah in ihm den Volkshelden, seine Tapferkeit und die seiner Getreuen wurde zum Fanal im nachfolgenden siegreichen Freiheitskampf gegen Napoleon.
„Schills Bedeutung liegt darin, daß er als erster deutscher Patriot, wenn auch historisch verfrüht, die Idee des Volksheeres und den Gedanken der Volkserhebung bis zur letzten persönlichen Konsequenz in die Praxis umsetzte“, wie ein Historiker unserer Republik einmal formulierte.
Heinrich Kühne †
aus: Freiheit vom 05.01.1978
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weitere Info, unter: Ferdinand von Schill