„Unerhört ist das! So kanns nicht weitergehen! Dabei muß die Wirtschaft zugrunde gehen!“ Die Worte wurden von einem kräftigen Faustschlag auf den Tisch begleitet.
Unschlüssig stand ich vor der Tür meines Nachbars Kolbe still. Es schien mir nicht geraten, bei dieser Stimmung ihn aufzusuchen. Meinem Zaudern wurde aber durch das Oeffnen der Tür ein Ende bereitet. In dieser erschien die Frau Nachbar, die mich mit den Worten begrüßte:
„Guten Tag, Herr Kantor! Es ist gut, daß Sie kommen. Unser Vater hat schlechte Laune. Da ist wieder so ein Brief vom Finanzamt in Wittenberg angekommen. Na ja, schön sind ja die fortwährenden Steuerforderungen nicht aber was hilfts? Gehen Sie bitte nur hinein und reden Sie meinem Alten gut zu.“
Mit diesert Worten schob sie mich mit sanfter Gewalt in die Stube hinein.
Dort saß mein lieber Nachbar Kolbe, vor sich auf dem Tische das große Wirtschaftsbuch, mehrere Rechnungen und der böse Brief des Finanzamts, der ihn so in Erregung versetzt hatte.
„Guten Tag, Herr Kolbe,“ begrüßte ich ihn harmlos, „na, wie geht’s?“ „Wie solls’s gehen? Schlecht geht’s,“ antwortete er brummig. Und wenn’s die in Wittenberg mit den Steuern so weiter treiben, dann mache ich die Bude zu, und die klugen Herren vom Finanzamt mögen die Wirtschaft übernehmen. Sie werden ja dann sehen, wie weit sie kommen. Uns Bauern glauben sie ja doch nichts trotz aller Buchführung.“
Und dabei bekam das Schreiben des Finanzamts wieder einen derben Faustschlag.
„Na na, Herr Nachbar, so schlimm wird’s doch nicht sein,“ suchte ich ihn zu beschwichtigen. „Freilich ist’s schlimm,“ brauste er von neuem auf. „Das hätte ich mir nicht träumen lassen, als ich die Wirtschaft von meinem Vater überkam, daß ich einmal nicht mehr Herr über mein Eigentum sein würde. Wie gut hatten es doch die Vorfahren, die wußten nichts von solchen Lasten und Schikanierungen.“
„Sie irren, lieber Nachbar, wenn Sie glauben, in der sogenannten guten alten Zeit wäre alles gut und schön gewesen. Unsere Vorfahren hatten auch ihr redlich Teil Lasten zu tragen und waren vielleicht noch übler daran als der Landwirt von heute.“
„Na, das bezweifle ich aber,“ versetzte er.
„Und doch ist es so. Mir fiel kürzlich ein Auszug aus einem alten Erbbuch vom Jahre 1513 in die Hände, in dem u.a. auch die Gemeindeabgaben im kursächsischen Amt Wittenberg zu Anfang des 16. Jahrhunderts aufgezählt sind. Soll ich Ihnen etwas daraus erzählen?“
„Gewiß,“ war Kolbes Antwort. „Sie wissen, Herr Kantor, daß ich mich sehr für solche Dinge interessiere.“
Und während mein braver Nachbar das große Wirtschaftsbuch zuklappte und samt allem übrigen in den Tischkasten schob, zog ich meine Aufzeichnungen aus der Brusttasche meines Rockes und begann:
„Die allgemeine Gemeindeabgabe war zu jener Zeit der Geschoß. Das war eine zu Michaelis fällige Geldsteuer, die verschiedene Höhe hatte, und zu der alle Gemeindeglieder herangezogen wurden. Am höchsten sind Oesteritz und Schmögelsdorf und am niedrigsten ist Gniest besteuert; dort kommen auf jeden Bauer durchschnittlich 45 Groschen, im letzteren Orte nicht ganz 3 Groschen. Ich will hier ein schalten, daß der damalige sächsische Groschen (g) heute einen Wert von etwa 1,30 M. entspricht. Gar keinen Geschoß zahlen Lammsdorf, Selbitz, Schleesen und Seegrehna, ferner als das sehr arm bezeichnete Moschwig und Bösewig.
Daß das letztgenannte Dorf, das doch heute als sehr wohlhabend gilt, damals unter die armen Orte gerechnet wurde, hat wohl darin seinen Grund, daß durch die Ueberschwemmungen der Acker sehr gelitten hatte.
Innerhalb der Gemeinden finden wir eine Befreiung einzelner Einwohner vom Geschoß nur in Pratau, wo diejenigen Hüfner, die nur Hufen auf Hogermark aber keine in der eigentlichen Dorfflur besitzen, nicht zum Geschoß beizutragen brauchen.
Die Verleilung dieser Lasten innerhalb der einzelnen Gemeinden scheint wenigstens da, wo nur Hüfner inbetracht kommen, eine ziemlich gleichmäßige gewesen zu sein. In solchen Dörfern ist die Geschossumme fast immer durch die Anzahl der Hüfner teilbar. So kommen in
– Dorna 38.33 g.
– in Oesteritz 45 g.
– in Merkewitz 24 g,
– in Sackwitz 5 g ,
– Wiesigk 18 g.
– in Schmilkendorf 13.33 g,
– in Grabo 11 g.
– in Schmögelsdorf 45 g,
– in Schwabeck 18 g,
– in Woltersdorf 15 g.
– in Wergzahna 30 g.
– in Danna 5 g.
– in Klebitz 24 g,
– in Kerzendorf 10 g Geschoß auf jeden Hüfner,
In welchem Verhältnis die Kossäten zum Gеschоß herangezogen wurden, kann man in einem Falle wenigstens noch ungefähr erkennen. Nebenbei wird bei einem Kossäten in Rahnsdorf der Anteil am Geschoß mit 14 g bezeichnet, während er für jeden der dortigen 13 Hüfner 20 g betrug.
Die Zahlung des Geschosses geschah im Amt Zahna in zwei Raten zwei Drittel zu Michaelis, der Rest zu Weihnachten. In den übrigen Dörfern ist die ganze Summe zu Michaelis fällig. Nur von Bietegast und Sackwitz findet sich ein Vermerk über Zahlung in zwei Raten.
Eine weitere Abgabe war die Getreidesteuer, die sich unter der Bezeichnung Bedekorn oder Bedegetreide in den meisten Dörfern des Amtes Zahna findet und sich zwischen 15 und 30 Scheffel Korn, Gerste oder Hafer bewegt. Jedenfalls wurde diese Abgabe nur vom Ertrag der Hufen erhoben. Die Kossäten waren also davon befreit. Eine Bemerkung bei der Rahnsdorfer Getreidesteuer läßt wenigstens darauf schließen. Danna, Kerzendorf, Zellendorf, Bülzig und Woltersdorf sind wegen großer Armut von der Abgabe befreit. Der Ablieferungstermin für diese ist Maria Geburt (8. September) oder Michaelis (26. September).
Verpflichtungen, die ihren Ursprung im Verhältnis zum Grundherrn haben, sind zwei andere Getreideabgaben – das sog. Hundegetreide und die Korngarben. Solches Hundegetreide zum Unterhalt der herrschaftlichen Hunde finden wir bei den Gemeinden
– Globig (40 Scheffel Korn und 40 Scheffel Hafer),
– Dorna (10 Scheffel Korn und 10 Scheffel Hafer),
– Bietegast (4) Scheffel Korn und 4 Scheffel Hafer), und
– Gommio (6) Scheffel Korn und 6 Scheffel Hafer).
Zur Erntezeit, am Tage Jakobi – 25. Juli ober am Laurentiustage – 10. August, haben
– Merkewitz 10 Mandeln,
– Sackwig 5 Mandeln,
– Ogkeln 1 Schock,
– Gommlo 3 Mandeln,
– Gniest 1½ Scheffel Korn oder 2½ Mandeln Korngarben auf dem
– Vorwerk Pratau abzuliefern.
In zahlreichen Fällen finden sich Getreideabgaben an Pfarrer und Küster – erstere vielfach als Pfarrkorn bezeichnet und zwar zum Teil als gemeinsame Leistung der Gemeinde, zum Teil in einzelnen Posten aufgeführt. Die Abgabe richtet sich nach dem Grundbesitz. So erhält der Küster in Globig von jeder Hufe ½Scheffel Korn, außerdem von der wüsten Mark Schönefeld, welche die Globiger innehaben, 5½ Scheffel Korn. Der Wittenberger Pfarrer erhält von jedem Hüfner des Filialdorfes Iserbegka 2 Scheffel Korn und ½ Scheffel Korn von der wüsten Mark Gablenz.
Oefteritz leistet dem Pfarrer zu Trebitz 20, dem Küster 5 Scheffel, Merkewitz dem gleichen Pfarrer 13½ und dem Küster 3,12 Scheffel, Ogkeln dem Pfarrer 11, dem Küster 2 Scheffel, Rotta dem Küster 36 Scheffel, Gniest dem Küster zu Rotta 12½ Scheffel. Die Gemeinde Lubast gibt dem Rottaer Pfarrer von der wüsten Mark Pagenitz 8 Scheffel Hafer. Außerdem liefern Rotta, Gniest und Lubast dem Propst zu Kemberg 36 bezw. 12½ und 8 Scheffel „Propstkorn“.
Weitere Abgaben in Getreide leisten außerdem Globig (76 Scheffel Korn und 60 Scheffel Hafer), Dorna (25 Scheffel Korn und 10 Scheffel Hafer), Bietegast (18 Scheffel Gerste und 26 Scheffel Hafer), Oesteritz (22 Scheffel Korn und 22 Scheffel Hafer), Gniest (6 Scheffel Korn und 6 Scheffel Hafer), Lubast (10 Scheffel Korn und 10 Scheffel Hafer).
Wahrscheinlich haben wir es dabei mit Hufenzins zu tun, der von der Gemeinde im ganzen abgeliefert wurde.
Vereinzelt wurde dieser Hufenzins vom Kurfürsten an bestimmte geistliche Stiftungen und an Adelige überwiesen. So geben die Hüfner von Rotta zum Altar St. Nikolai in der Wittenberger Pfarrkirche 27½ Groschen Zins, der diesem durch Urkunde vom Jahre 1323 überwiesen ist, und die Getreide und Hühnerabgabe von Oesteritz an Hans von Glauch und Burkhard von Globig gehört jedenfalls ursprünglich ebenfalls zum Hufenzins.
Auch Reste einer anderen Abgabe, der Fleischzehnt ober kurzweg Zehnt, haben sich in einigen Dörfern erhalten. So werden in Splau und Ogkeln von jedem Kalbe 1 d (alter Pfennig), in Oesteritz, Splau und Ogkeln von jedem Ferkel 1h (Heller) und von je 6 bis 10 Stück Ferkeln 1 Ferkel erhoben. Die Bauern von Splau und Ogkeln und die 6 Hüfner in Rolta geben 1 von je 6 bis 10 Lämmern, Splau und Oesteritz außerdem von 6 bis 10 Gänsen je eine, von 14 Gänsen je 2, von 18 Gänsen je 3.
Im Amt Zahna leisten fast alle Dörfer den Zehnten. Ausgenommen sind nur Schwabeck und Zellendorf, denen wegen ihrer Armut auch sonst viele Abgaben erlassen sind, ebenso Bülzig, Kūlso und Woltersdorf. Die übrigen Gemeinden zehnten:
a) von jedem Fohlen und jedem Kalb 1 d. Davon erhält der Landknecht, der den Zehnten für das Amt einzutreiben hat, zwei Drittel. Das übrige Drittel gehört dem Dorfpfarrer;
b) von je 6 bis 13 Ferkeln eins, von 14 Ferkeln 2. Für die Ablieferung ist kein bestimmter Termin festgesetzt;
c) zu Walpurgis (1. Mai) von je 6 bis 13 Lämmern eins, von je 14 bis 17 zwei;
d) an St. Margaretentag (13. Juli) von je 6 bis 18 Gänsen eine, von je 14 bis 17 zwei, von 18 drei.
Von diesem Zehnt erhalten die Pfarrer gleichfalls den dritten Teil.
Die übrigen Naturalleistungen der Gemeinden bestehen inKühen, Kälbern, Hammel, Ziegen, Hühnern und Eiern, vereinzelt auch in Mohn, Flachs, Hirse und Haselnüssen. Befreit von derartigen Abgaben sind Lammsdorf, Selbitz, Wiesigk, Straach, Braunsdorf, Reinsdorf, Euper, Iserbegka und Gielsdorf, Schwabeck, Danna und Zellendorf.
Die Lieferung von Kühen und Kälbern ist bereits vielfach in Geld umgewandelt. Globig, Dorna, Bietegast und Bergwitz geben jährlich je eine Kuh oder statt dessen 50 Groschen. Pratau gibt 1 Schock 20 Groschen (1 Schock = 60 Groschen) Kuhgeld, Marzahna 29 g. Rahnsdorf 25½ g. Ogkeln und Lubast je 15 g, Rotta 13 g 3 d, Wergzahna und Edmannsdorf 13 g, Schmögelsdorf, Blönsdorf und Mellnsdorf je 12 g, Bülzig 10 g, Klebitz 9 g, Zalmsdorf 6 g 6 d, Gommio 9 g, Sackwitz 6 g, Oesteritz 5 g Kuhgeld. Ferner liefern die Gemeinden Globig, Dorna, Bietegast, Schleesen, Seegrehna, Splau, Ogkeln und Bergwitz jährlich je ein Kalb „adder (oder) losen das mith 10 g“. Pannigkau gibt ein Kalb oder 12 g, wovon der Richter (Gemeindevorsteher) 6 g zu bezahlen hat. Merkwiz hat abwechselnd das eine Jahr eine Kuh, das andere ein Kalb zu entrichten oder jährlich 35 g „malkwe unde kalpgelth“ zu bezahlen.
Im Amt Zahna hat sich die Hammelabgabe noch in ihrer ursprünglichen Form erhalten; nur in Külso tritt Hammelgeld aus. Links der Elbe tritt sie häufig bereits in Geldform auf oder doch im Uebergang dazu. Rahnsdorf zinst jährlich 6, Marzahna, Feldheim, Blönsdorf und Zalmsdorf je 4, Wergzahna, Schönefeld, Mellnsdorf, Klebitz und Bülzig je 3, Schmögelsdorf und Eckmannsdorf je 2 dreijährige Hammel, Schmilkendorf statt dessen 26 g 6 d. Globig 20 g. Külso 14 g. Bietegast 8 g. Dorua 5 g Hammelgeld, Schleesen, Seegrehna, Bösewig, Merkwiz, Ogkeln, Bergwitz, Sackwitz, Gommlo und Gniest je einen Hammel oder statt dessen 10 g Hammelgeld.
Sackwitz, Gommlo, Gniest, Grabo, Mochau und Kerzendorf haben zu Ostern je eine Ziege zu liefern.
Sehr verschieden sind die Leistungen an Hühnern. Globig zinst jährlich 15, Dorna 20, Bietegast 32, Seegrehna 26, Oesteritz 16, Gniest 6½ Hühner. Eine Art Hofzins stellen wohl die in den meisten Dörfern des Amts Zahna gegebenen „Rauchhühner“ dar. Marzahna und Klebitz geben z.B. davon 15, Schönefeld 10, Schmögelsdorf je 6, Marzahna 5, Feldheim 4, der dritte Teil davon steht wieder dem Ortspfarrer zu.
In manchen Dörfern scheinen die Hühner zu den Naturalsteuern der Gemeinde zu gehören, z.B. in Sackwitz und Kerzendorf je 10, Wergzahna 40, Marzahna 50, Bülzig 44, Külso 1 Schock und Woltersdorf gar 3 Schock. Diese verhältnismäßig hohe Hühnerabgabe erklärt sich aus den geringen Leistungen der letzgenannten Orte an Vieh. Die letzten drei Dörfer sind auch von Spanndiensten befreit, woraus sich schließen läßt, daß sie keinen oder doch nur geringen Großviehbestand besaßen. Die Hühner werden meist zu Michaelis oder Martini abgeliefert, öfter auch zu Weihnachten, oder wenn sie sonst nötig waren.
An Eiern, die zu Ostern fällig waren, zinsen Külso 4 Schock, Bülziq 3 Schock, Merkwitz 2¾ Schock, Bietegast, Schmilkendorf. Grabo und Mochau je 1½Schock, Dorna, Bergwiz, Moschwig und Kerzendorf je 1 Schock, Gommlo ¾ Schock.
Von Merkwitz wurden außerdem ½ Scheffel Haselnüsse entrichtet. (1 Scheffel = 16 Metzen). Merschwig zinst 2 Metzen Mohn und 2 Metzen Haselnüsse sowie 3 Hände Flachs.
Für Holznutzung entrichtet in Schmilkendorf der Richter 8 g und jeder andere Hüfner 4 g Holzgeld. Die Gemeinde Iserbegka zahlt für das Fischen „im sehe“ (See) 40 g.
Ais weltere Gemeindeabgabe findet sich das „Küchengeld“ (an die Kurfürstliche Hofhaltung), das zu Fastnachten fällig ist. Davon zahlen Globig 36 g. Seegrehna 20 g. Dorna 13 g. Bergwitz 10 g. Bietegast 8 g. Aenlicher Art ist wohl das von der Gemeinde Rotta zu Fastnacht gezahlte „Heringsgeld“ 13 g 3 d. Zu Martini oder Weihnachten zahlen Bülzig und Woltersdorf je 10 g. Külso 12½ g. Wergzahna und Rahnsdorf je 3 g., „entzegelth“, als Ablösung der Verpflichtung, zur Winterszeit die Gräben um das kurfürstliche Schloß zu Zahna aufzueisen. Welchen Ursprung das am Palmsonntag von der Gemeinde Rahnsdorf zu entrichtende „Palmgeld“ von 9 g und der von Dorna mit 40 g zu zahlende „Fabianszins“ hat (Fabianstag ist 20. Januar), ist nicht ohne weiteres ersichtlich.
Zu diesen Abgaben kommen noch die überaus umfangreichen und drückenden Frondienste – Hand- und Spanndienste – von denen die heutige Generation nichts weiß.
Vielleich! erzähle ich ein andermal davon.
„Sie sehen also, lieber Nachbar“, so schloß ich meinen Bericht, daß die Vorfahren auch nicht auf Rosen gebettet waren, zumal wenn man bedenkt, daß man damals weniger erntete als heute und das Getreide auch billig verkaufen mußte. Ich glaube nicht, daß Sie mit ihnen tauschen würden.“
„Nun ja, Sie mögen Recht haben“, antwortete er nachdenklich.
„Aber Sie müssen doch zugeben, daß die Lasten, welche der Landwirtschaft jetzt aufgebürdet werden, auf die Dauer von dieser nicht getragen werden können.“
„Gewiß, der Landwirtschaft gehts jetzt schlecht. Aber wem ginge es in dieser Zeit gut? Beamte, Handwerk, Industrie, Handel und Gewerbe, alles klagt. Und Sie wissen ja, was die Ursache unserer Leiden ist – das Schanddiktat von Versailles.
Da gilt’s eben, zusammenzustehen, die Lasten gemeinsam zu tragen und darauf einmütig hinzuarbeiten, daß sie uns bald abgenommen werden.“
„Das wollen wir ja auch. Aber man darfs doch mit uns Bauern nicht zu schlimm treiben. Was soll denn werden, wenn die Landwirtschaft zusammenbricht!“
„Selbstverständlich darf man die Henne nicht schlachten, welche un’s die Eier legt. Ich denke, der neue Reichstag wird dafür sorgen, daß der Landwirtschaft ihr Recht wird.
„Na, hoffentlich tut er’s. Aber es wird höchste Zeit dazu“, meinte er zum Schluß. An seiner Stimme und an seinen Mienen merke ich, daß die Schilderung aus der Vergangenheit meinen lieben Nachbar belehrt und besänftigt hatte.
Richard Erfurth †
aus: O du Heimatflur vom 12.08.1924