Wird 2018 ein Jahrhundertsommer?
Es ist nicht zum ersten Mal heiß in Lutherstadt Wittenberg
Im Jahr 1904 gab es einen Jahrhundertsommer in Deutschland – so berichtet es die „Berliner Illustrierte Zeitung“:
Geteiltes Leid ist halbes Leid – und so tröstet es ein wenig,
dass auch unsere Vorfahren unter brütender Hitze und
großer Dürre litten. Von Mai bis August 1904 hielt eine
äußerst stabile Hochdrucklage Deutschland fest im Griff,
auch die Hauptstadt und den Kaiser.
In Berlin wurden am 16. Juli 35,5 Grad Celsius gemessen.
Die Elbe konnte an vielen Stellen zu Fuß durchquert werden,
der Schiffsverkehr wurde eingestellt und die Missernte führte
zu einer massenhaften Auswanderung in die USA.
Am 14. August 1904 schrieb die „Berliner Illustrierte Zeitung“:
„Greise jammern, Männer stöhnen, Frauen klagen, Kinder wimmern: die Hitze! Der Mensch hat nur einen Wunsch:
Kühlung! Kühlung! Kühlung!
Die Glücklicheren verbringen ihre Tage im Zimmer hinter
fest verschlossenen Jalousien, auf dem Sofa liegend,
im lethargischen Zustand eines Morphinisten.
Die größere, unglücklichere Hälfte der Menschheit aber,
die gezwungen ist, sich hinaus in die kochende Hölle zu
begeben, droht unter dem Tag für Tag blauen Himmel und
der schrecklichen Sonnenglut zusammenzubrechen.“
Der Sommer des Jahres 1904 war der bisher niederschlagärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Vier Monate, beginnend im Mai, endend im August des Jahres, hielt eine andauernde Hochdrucklage Deutschland fest im Griff. Die Flüsse führten dermaßen Niedrigwasser, dass es zum Beispiel den Menschen an dem Mittellauf der Elbe möglich war, den Fluss ohne Schwierigkeiten zu durchwaten.
Das war doch etwas für die Wittenberger, wenn die Elbe nur Niedrig-wasser führte! So auch im Sommer 1904. Mit Kind und Kegel zogen die Familien sonntags hinaus, um sich die Sache an Ort und Stelle anzusehen. Während die Schiffer im wahrsten Sinne des Wortes „auf dem Trockenen“ saßen, freuten sich Lehmanns aus der Mittelstraße einmal unter der Brücke spazieren gehen zu können.
Warme Sommer wie die in den Jahren 1905, 1911, 1917, 1947, 1959, 1975, 1982, 1983 und 1992 werden immer wieder von kalten abgelöst. Hierzu gehören die Jahre 1909, 1913, 1916, 1918, 1919, 1923, 1956, 1962, 1965, 1978, 1985 und 1987. Eine Auffälligkeit in den Reihenfolgen ist nicht zu finden.
Übrigens liegen die besonders heftigen Abweichungen von einem „durchschnittlichen“ Sommer in Europa meist schon etwas länger zurück: Schon im Jahr 79 nach Christus herrschte in Italien extreme Hitze, die lange Trockenheit brachte. Im Jahre 886 war der Sommer dagegen so verregnet, dass der Rhein alle Länder verwüstete, die von der Quelle bis zur Mündung an seinen Ufern lagen. Die Anwohner anderer europäischer Flüsse mussten mit ähnlichen Problemen kämpfen.
Quellen: Berliner Zeitung; Freiheit und https://www.donnerwetter.de/ecke/specials/990623.htm
Elke Hurdelbrink
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