1813 im Fläming

Nach alten Urkunden und Chroniken hat Otto Bölke, Pastor in Blönsdorf, die „Geschichte eines Flämingsdorfes“ zusammengefaßt. Über das Schicksal der unter der Kriegsnot und der Fremdherrschaft leidenden Volksgenossen teilt er Begebenhelten und Zustände mit, die zu Vergleichen anregen.

Wahrhaft ergreifend ist folgende Familiengeschichte aus der Kriegszeit vor etwa 110 Jahren, in deren Leiden sich das Leid der großen Weltgeschichte widerspiegelt:

Auf dem Hufengut der seit etwa 1690 hier als ansässig nachweisbaren Familie Hecht in Blönsdorf erliegt am 5. März 1813 der „Hüfner und Gerichtsschöppe Michael Hecht“ im Alter von 59 Jahren „dem Nervenfieber und wird montags, den 8. März beerdigt, jedoch muß, wie der Pfarrer bei seiner Eintragung in das Kirchenbuch hinzufügt, von der sonst üblichen feierlichen großen Form der Beerdigung abgesehen werden und dieselbe kann, „wegen der Kriegsunruhen bloß mit dem Segen“ – also in der kürzesten Form, nur in aller Eile – gehalten werden!

Da „am 12. Junius, gerade am ersten Pfingst-Feiertage 1810“ auch schon die Ehefrau Anna Elisabeth im jugendlichen Alter von 29 Jahren „am Nervenschlag“ verstorben war, und nachdem auch der letzte Stammhalter, das einzige Söhnlein der Familie, am 20. Februar 1812 im zarten Kindesalter „an den Masern“ dahingerafft war, war das Gut herrenlos geworden, und die drei unmündigen Töchter stehen in dieser harten Kriegszeit vater- und mutterlos als arme Waisen auf der großen Wirtschaft.

Durch die große Not gezwungen, müssen sie in fast noch kindlichem Alter die Ehe schließen:
Die älteste Tochter „Jungfer Anna Christina“ wird im jugendlichen Alter von 16 Jahren am 28. November 1815 mit dem „Junggesellen Jakob Niendorf, des Canzleylehnsmannes in Oehna ältesten eheligen Sohn“, getraut, der als „Administrator“ das Hechtsche Hufengut verwaltet.
Als dieser das Gut abgeben muß, da der Vater in Oehna verstorben ist und er die väterliche Wirtschaft übernehmen muß, heiratete „Jungfer Hanna Elisabeth“, die zweite Tochter des verstorbenen Michael Hecht, im Alter von erst 15 Jahren am 30. November 1817 den Junggesellen Johann Friedrich Niendorf, 19 Jahre alt, einen Bruder des vorher Genannten.
Unser Kirchenbuch zeigt uns, daß eine in so jugendlichem Alter geschlossene Ehe eine ganze Ausnahme ist, wie sie die schwere Not der Zeit gebot.

Auch die Häuser wie auch unsere Kirche sind in dieser Zeit arg mitgenommen worden.
Noch fanden sich in dem Turmgebälk bei dem Abbruch verschiedene Brandspuren, und die beiden alten eichenen Jochbalken der alten Glocken tragen die Jahreszahl 1821.
Vermutlich wurden die Jochbalken bei dem Brande beschädigt und mußten dann nach den Kriegsunruhen erneuert werden.

Von einer Fülle von Leid, das besonders die Ortschaften Feldheim und Schwabeck im Jahre 1813 getragen haben, berichtet eine alte, von dem damaligen Lehrer des Ortes selbst geschriebene Chronik von Feldheim, die ganz vortrefflich verfaßt und außerordentlich wertvoll ist, und die uns für diese „Geschichte eines Flämingdorfes“ freundlichst zur Verfügung gestellt wurde.

„Fast sämtliches Vieh ist geraubt worden – so schreibt der Verfasser dieser Chronik – und Freibeuter haben die Leute ausgeplündert, ihnen Wagen, Kleidung, Betten und was sonst noch die Leute Transportables und an wertvoller Sachen besaßen, geraubt und fortgeführt.
Bei den Schwabecker Talpfühlen hat eine Zeitlang ein russisches Lager geherbergt und auf dem Felde an der Abendseite des Dorfes ein französisches Lager gelegen.
Da diese Truppen angefangen, sich gegenseitig zu beschießen, so haben die Feldheimer Bewohner das Dorf verlassen und sind in die Heide geflichtet.

In der Heide haben sie ein trauriges Leben geführt, weil es an Wasser zum Trinken und Kochen fehlte.
Da haben sie eine gute Stunde weit gehen müssen nach einem Pfuhl, zwischen Eckmannsdorf und Lindow gelegen, einem Rhedepfuhl, in welchem Flachs gelegen hatte.
Solches verunreinigtes und verdorbenes Wasser mußte ihren Durst löschen und gut genug sein, damit nebst etwas Mehl und Salz eine warme Suppe herzustellen.
Wie mag die gemundet haben?
Hunger ist ja nach einem gemeinen Sprichwort „der beste Koch“!

Die Franzosen haben in ihrem Lager übel gewirtschaftet, sich Strohhütten gebauet, dazu aber kein Stroh, sondern die Korngarben aus der Scheune geholt.
Um kochen zu können, haben sie alles, was zur Feuerung dienen kann, aus dem Dorfe geholt;
da ist kein Zaun geblieben, keine Tür, kein Tor, nicht Tisch und Stuhl und Bank verschont worden.
Als die Franzosen das Lager verlassen und abziehen mußten zündeten sie dasselbe an.
Das Feuer verbreitete sich so weit, daß es die Besitzung des Müllers ergriff und einäscherte. –

Doch was sehen sie plötzlich?
Um den Feldheimern es nicht vergessen zu lassen, daß Franzosen, Sachsens Freunde, hler gewesen, gehen von denselben einzelne mit brennenden Reisbunden bewaffnet von Gehöft zu Gehöft, die Strohdächer entzündend, daß man diesen Brandstiftern diese Ruchlosigkeit nicht verwehren konnte, sondern aus der Ferne ruhig zusehen mußte.“

Verfasser unbekannt

aus: Blätter für Heimatgeschichte vom 29.03.1923