Wie Landkreis und Stadt Wittenberg 1914 wirtschaftlich dastanden

Wir wollen einen Rückblick auf das Wirtschaftsleben von
Landkreis und Stadt Wittenberg im Jahre 1914 halten,
und zwar haben wir deshalb das Jahr 1914 gewählt,
weil in diesem noch Handel und Wandel in geordneten
Bahnen gingen, so daß sich aus dieser Zeit ein rundes Bild
gewinnen läßt. Unsere Zeit kämpft hart mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die letzten Endes eine Folge des verlorenen Krieges sind, der alle Wirtschaftsfäden der Welt mit einem
Schlag zerrissen hatte. Noch immer verzeichnen die Statistiken
rund 6 Millionen Arbeitslose; erst wenn diese Massen wieder
in den Wirtschaftsprozeß eingereiht sind, wird sich Deutschlands Lage mit einem Schlage bessern. Und wenn wir nun Rückschau halten, so wollen wir des besseren Ueberblicks halber die die einzelnen Wirtschaftszweige zusammen nennen. Grundlegend,
auch für heute noch, ist die Landwirtschaft in den ländlichen Bezirken und dürfte es auch bleiben.
Mit der Landwirtschaft eng verbunden ist das Mühlwesen,
das uns unsere Quelle für: Apollensdorf, Bergwitz, Berkau, Blönsdorf, Bülzig, Dabrun, Dahlenberg, Dobien, Elster,
Feldheim, Gaditz, Gallin, Globig, Gniest, Gommlo, Grabo,
Greudnitz, Großwig, Iserbegka, Kleinkorgau Kropstädt,
Külso, Listerfehrda, Lubast, Marzahna, Melzwig, Merkwitz, Oesteritz, Piesteritz, Pratau, Prühlitz, Radis, Rahnsdorf,
Reinharz, Reinsdorf, Rotta, Schmilkendorf, Scholis, Schwabeck, Seegrehna, Splau, Straach, Thießen, Trajuhn, Trebitz,
Wartenburg, Weddin, Wergzahna, Wiesig und Wörblitz gibt.
Wie wir erkennen, sind es beinahe alle Dörfer des Kreises, die
eine oder mehrere Mühlen in Betrieb haben.

Mit der Landwirtschaft weiterhin verbunden sind die Molkereien, die man uns für: Bergwitz, Berkau, Blönsdorf, Dabrun, Elster,
Globig, Marzahna, Pratau, Radis, Seegrehna, Straach, Trebitz
und Wartenburg nennt.
Für die Landwirtschaft sind weiterhin die Brauereien und Brennereien wichtig: Brauereien bestanden damals in:
Nudersdorf, Kropstädt, Pratau, Straach, Trebitz undWartenburg; eine Brennerei wird uns nur für Nudersdorf angegeben.

In der Industrie der Steine und Erden sind zu vermerken
zunächst die Ziegeleien zu: Blönsdorf, Bülzig, Dobien, Euper,
Meuro, Gommlo, Lammsdorf, Nudersdorf. Oesteritz, Patzschwig, Pratau, Prühlitz, Radis, Reinharz, Rotta, Seegrehna, Straach, Uthausen, Wartenburg und Wiesigk.
Zu dieser Gruppe gehören ferner: die Tonwarenfabriken zu Nudersdorf, Straach und Dobien, die Kunststeinfabrik zu Elster,
die Steingutfabriken zu Kleinwittenberg und Piesteritz, das Hartsteinwerk zu Pratau und die Kalksandsteinfabrik zu Zörnigall. Braunkohlengruben geben Bergwitz (auch Brifettfabrik), Gniest, Nudersdorf, Rotta und Uthausen.

Für die Holzindustrie und das Baugewerbe waren die Sägewerke zu: Dahlenberg, Kropstädt, Nudersdorf, Trebitz. Wartenburg wichtig. Von den verschiedenen im Kreise Wittenberg damals vertretenen Industrien führen wir an: die Papier- und Pappenfabrik zu Nudersdorf und Braunsdorf und die Maschinen- und Zigarrenfabrik zu Elster; Malz-, Planen-, Eisen- und Zigarrenindustrie hatte Kleinwittenberg;
Gummiwaren und Farbstoffextrakt verzeichnet Piesteritz als Fabrikation. Nährmittel und Margarine fertigte Pratau;
Sprengstoff war wesentlich für Reinsdorf.
Eine Klaviaturenfabrik bestand zu Radis;
Korb- und Seilerwaren entstanden in Bülzig.
Für die Schifffahrt kamen in Betracht die Reedereien zu Elster, Kleinwittenberg und Listerfehrda.
Schiffbaubetrieb Piesteritz.
Schiffsladeplätze geben an: Elster, Kleinwittenberg und Pratau. Zörnigall hatte durch seine Baumschulen und Gärtnereien einen Namen;
Weinberge werden für Großwig, Merschwiz, Scholis und Splau angegeben.
Weberei trieb Berkau.
Getreidehandel weisen nach Blönsdorf und Elster.
Pferdehandel geben Berkau, Elster und Kleinwittenberg an.
Vieh- und Pferdemärkte hatten Blönsdorf, Elster und Kleinwittenberg.
Zum Abschluß noch die Lederindustrie; in Prühlitz bestand eine Lederfabrik und in Radis eine Gerberei.

Auch die Elektrizitätsversorgung war 1914 im Kreise schon teilweise eingeführt; Bergwitz, Gniest und Piesteritz hatten
eigene Elektrizitätswerke:
Elektrizitätsversorgung gibt Trebitz an.
Der ländliche Handel und Wandel wurde durch die Spar- und Darlehnskassen in Ordnung gehalten, von denen Filialen zu: Bergwitz, Berkau, Blönsdorf, Bülzig, Elster, Gallin, Globig,
Kropstädt, Leetza, Seegrehna, Trebitz und Wartenburg bestanden.
An sonstigen amtlichen Stellen befanden sich auf dem Lande:
in Elster eine Bahnmeisterei und in Kleinwittenberg eine Zoll-
und Abfertigungsstelle.

Wittenberg hatte vor dem Kriege rund 22 500 Einwohner;
davon waren 1944 Militärpersonen.
Fabriziert wurden damals in der Stadt:
Armaturen, Blitzableiter, Bürsten, Schamotte, Chemikalien, Dachpappe, Essig, Feuerlöschgeräte, Fliesen, Handschuhe,
Hüte, Kalkstein, Käse, Kerzen, Lederfette, Schuhcreme, Likör,
Malz, Marmelade, Maschinen, Möbel, Motoren, Oel, Papierwaren, Pantoffeln, Pianos, Schokolade, Seife, Seifenpulver, Senf, Sprit, Tonwaren, Wagen, Zementwaren und Zigarren.
Ferner waren vorhanden eine Brauerei, ein Eisenhüttenwerk,
weiter Färbereien, Gerbereien, Gießereien, Braunkohlenindustrie, ein Kalkwerk, verschiedene Mühlen, Mühlenbau, Sägewerk, Reedereien und mehrere Ziegeleien.
Zum Stadtgebiet gehörten: Hof Durchstichhaus, Forsthaus Fleischerwerder und die Neumühle.

Wittenberg rangierte damals in der Besoldungs (Service) Klasse D. Damit beschließen wir unseren Rückblick auf das Wirtschaftsleben von Kreis und Stadt Wittenberg aus dem Jahre 1914.

Karl Demmel †

aus: Blätter für Heimatgeschichte  11. Jahrgang 04.1933