Was bedeutet der Name „Elbe“?

Eine „flüssige“ und „wässrige“ Plauderei
Paul Hinneburg

Die Schweden, die auch eine germanische Sprache reden, nennen ihre Flüsse „Elf“.
Da münden in die Ostsee:
Torne-Elf, Kalix-Elf, Lule-Elf, Pite-Elf,
Skelleft-Elf, Ume-Elf, Gide-Elf,
Angerman-Elf, Indals-Elf, Ljusne-Elf,
Dal-Elf; und aus dem Wenersee
fließt der Göta-Elf.

Fühlt man es nicht förmlich, dass wir Deutsche sagen müssten:
die Göta-Elbe oder der Göta-Fluss?
Was bedeutet der Name Elbe tatsächlich:
das Fließende, der Fluss;
die stammverwandten Schweden gebrauchen das Wort
noch in seiner ursprünglichen Bedeutung.

Wer weiß, wer unserer Elbe diesen Namen gegeben haben mag!
Er wird nicht gewusst haben, wo hier das so viele Wasser kommt, und wohin es geht; er wird auch andere Gewässer gekannt haben, aber keins, das so machtvoll dahinfließt. Das war ihm das Auffälligste an der ganzen Erscheinung, und darum benannte
dieser Mensch diesen Fluss „Elbe“, das Fließende, den Fluss.
Das im Schwedischen die beiden Lippenlaute
(also verwandten Laute) f und b füreinander gesetzt werden,
ist durchaus nichts Besonderes;
denn das tun wir in deutschen Wörtern, zum Beispiel
– halb – Hälfte,
– schreiben – Schrift,
– treiben – Trift,
– Gabe – Gift (Mitgift!),
– heben – Hefe,
– Hüfner – Hübner,
– darben – (be) dürfen,
– Hof – hübsch (d.h. höfisch; wie bei Hofe).

Noch zwei Flüsse mit dem Namen Alf fließen in
Deutschland in den Rheingegenden.
Auch einer in der Gegend von Elbing wird einst Elbe
geheißen haben; daran entstand Stadt Elbing,
und dieser Name verdrängte später den alten
Flussnamen; denn das Gewässer heißt heute die Elbing.

Die Forscher haben viel herumgesucht nach dem Volke,
das der Elbe ihren Namen gegeben hat.
Waren es die Kelten?
War es ein anderes, vor den Germanen in Deutschland
lebendes Volk?
Nach einigen soll das Wort keiner der noch lebenden
Sprachen entstammen nach unserer Deutung ist es
nordgermanisch.
Es tritt uns schriftlich zuerst in den Zeiten entgegen,
wo die Römer sich um Deutschlands Eroberung bemühten,
etwa zurzeit Christi und im ersten Jahrhundert n. Chr..
Da lesen wir es bei den römischen Schriftstellern Vellejus Paterculus, Mela, Plinius und Seneca, in der lateinischen
Form Albis.
Das werden wir sofort als unsere „Elbe“ erkennen,
wenn wir wissen, dass in den Sprachen die mittlere
Laute das Tragende und das Beständige sind, hier nach Abzug
der Endung is also l und b in Alb;
die Selbstlaute aber verändern sich leicht.

Wie zum Beispiel die Wörter geb (en), gib, gab (Gabe, Gift) zeigen. Noch ums Jahr 1000 Lesen wieder in den Urkunden nur den
Namen Albis, aus dem erst im Mittelalter unser „Elbe“ wurde.
Wohl zu den frühesten Urkunden, in denen der deutsche Name vorkommt, gehören die vom 14. Mai 1314
(„an beyden siden der Elwen“, also die plattdeutsche Namensform) und die vom 13. Juli 1330 in Wittenberg ausgestellte.
(„unde den Zoll uf der Elbe“)1)).

In der Slawenzeit (etwa 600 bis 1200 n. Chr.) brauchte man
die Laute des Wortes in anderer Reihenfolge, wie sie den
Slawen bequemer auszusprechen waren, und wie es ähnlich
ist in den Wörtern Erle – Eller, Wasgau – Vogesen;
so entstand der Name „Labe“, den die Elbe noch heute bei
den Slawen führt.
Man kann ihn an der Elbfallbaude nahe der Elbquelle in
Böhmen lesen.
Ähnlich formten die Slawen übrigens auch den Namen „Karl“
um, als dessen gewaltigsten Vertreter sie Karl den Großen  kennengelernt hatten, der Ihnen so mächtig vorkam,
dass sein Name in ihrer Sprache von nun an „der König“
bedeutete, und zwar in der Ihnen in mundgerechten Form „kral“.

Wie Pommern das Land „am Meere“ (slawisch po Morje) ist, so wurde der slawische Stamm der Polaben „an der Elbe“ (po Labe),
und in seiner Hauptstadt Ratzeburg (im ehemaligen Herzogtum Lauenburg) gibt es noch immer den Polabenberg, der sich heute allerdings sprachlich abgeschliffen hat zu der wunderlichen Form „Palmberg“.
Aber für uns liegt eine solche Erinnerung an die ferne slawische
Zeit viel näher.
Ein Flurteil bei Pretzsch heißt die „Elbstücken“; jedoch im Volke
wird dafür hartnäckig der eigentümliche Name „Pollover-Enden“ gebraucht.
Finden wir nun, nach unseren Ausführungen, nicht jeder die alte Form heraus?

„Po-Labe-Enden!“

Nicht nur in alten Zeiten, auch in ferne Gegenden führt uns die Sprachforschung. Weit, sehr weit strahlen mit wandernden Volksstämmen solche Namen aus. Dafür gibt es einen merkwürdigen Beweis in Griechenland.
Die alten Griechen gehören ja ebenso wie die Germanen und
die Slawen zur großen Rasse der Indogermanen,
die heute so etwa ganz Europa und das vordere Asien
bis hin nach Indien bewohnt.
Die Urheimat dieser großen Rasse ist, wie sich immer deutlicher herausstellt, der Norden, nämlich Westmecklenburg, Schleswig-Holstein, Dänemark, Südschweden und Südnorwegen.
Und aus dieser nordischen Urheimat wanderten vor Jahrtausenden einzelne große Scharen nach und nach ab, als bei der Bevölkerungszunahme der Boden sie alle nicht mehr ernähren konnte. Daraus entstanden Perser, Griechen, Römer usw.

Der in der Bronzezeit bereits um 1500 v. Chr. so unendlich
wichtiger Elbeweg für den Handel vom Norden nach dem Süden
und umgekehrt, den die nachmaligen Fürsten von Mykenä selbst gezogen waren, als sie sich nicht gar lange vorher neue Wohnsitze im griechischen Peloponnes besuchten, dieser Elbeweg wurde in
der Bronzezeit von Händlern weiter benutzt, um den Schmuck
so heiß begehrten Nordsee-Bernstein²) von den Nordvölkern
gegen Bronze einzutauschen, wie zahlreiche Funde von Bernsteinschmuck in mykenischen Fürstengräbern bekunden.
Wer mag damals alles durch unsere Heimat gezogen sein?

Wenn solche Beziehungen zwischen Nord und Süd bestanden, brauchen wir uns nicht mehr über den Namen eines etwa
100 Kilometer langen Flusses auf dem Peloponnes zu wundern,
der auf dieser verhältnismäßig kleinen Halbinsel für die dortigen Bewohner „der Fluss“, „die Elbe“ war, nämlich der „Alpheios“.

So tun sich bei dem Namen „Elbe“ dem staunenden Menschengeiste Jahrtausende alte und Tausende von Kilometern auseinander liegende Zusammenhänge kund!

Wohl wird der Name „Elbe“ auch noch anders erklärt, als es
hier geschehen ist; sicher jedoch erscheint keine Erklärung so ungezwungen und so ungekürzte wie die unsrige:
die „Elbe“ ist „der Fluss“.
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Erklärung:

1) v.Heinemann, Co.. Dipl. Anh. III Nr. 286 u. 577.

2) Nordseebernstein hat einen anderen Gehalt an Bernsteinsäure als der damals noch ganz unbekannte Ostpreußenbernstein; dadurch lassen sich die verschiedenen Sorten unterscheiden.

  Paul Hinneburg †

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