Urtext zum Freischütz

Wittenberger Student schrieb den Urtext zum „Freischütz“

Am 13. Februar 1985 hörten und sahen Millionen Menschen in Europa und Übersee die feierliche Eröffnung der wiedererstandenen Semper-Oper in Dresden. Fernsehanstalten aus 19 Ländern übertrugen die Festveranstaltung, die zu einer Manifestation des Friedens wurde. Für uns Wittenberger ist die Oper „Der Freischütz“ besonders deshalb interessant, weil ein ehemaliger Wittenberger Student den ursprünglichen Text dazu geschrieben hatte. Doch wer erwähnt heute noch den aus Leipzig stammenden Juristen Johann August Apel?
Am 28. April 1790 ließ er sich an der hiesigen Universität immatrikulieren. Hier hat er seine Studien beendet und ging dann wieder in die Pleißestadt zurück. Dort wurde er bald ein bekannter Advokat und 1810 als Senator in den Rat gewählt.

Als 19jähriger hatte er in Wittenberg das Studentenleben in vollen Zügen genossen und dachte gern an diese Zeit zurück, als er längst in Amt und Würden war. Nach fleißigem Studieren nahm er oft sein Barett und zog mit anderen Musensöhnen zusammen – mit lustigen Studentenliedern auf den Lippen – weit vor die Stadt.

aus: Archiv des HV WB

Hier lag außerhalb der engen Festungsmauern eine Gaststätte Rothemark
(heute VEB Blechwarenfabrik). Dort traf man sich, und eine Abbildung aus dieser Zeit zeigt uns einen hohen Baum, auf dem die Studenten fröhlich zechten.

Eine Leiter führte in die Höhe, und in der großen Gabelung standen ein Tisch und einige Bänke. Hoch und stattlich waren die Eichen, manches Gedicht verherrlichte den Eichenhain.
Apel war aber nicht nur trinkfest, sondern hatte auch einen Blick für die schöne Natur und war von empfindsamem Gemüt. Das regte ihn zu allerlei schriftstellerischen Arbeiten in seiner Freizeit an, und auch die Rothemark tauchte in solchen Erzählungen auf, nachdem er schon längst in Leipzig der Juristerei nachging.
Schließlich tat er sich in Leipzig mit seinem Freund F. A. Schulze (Pseudonym: Friedrich Laun) zusammen und gab eine Reihe von Novellen heraus, die schließlich einen Umfang von sechs Bänden hatte. Der Gesamttitel lautete: „Das Gespensterbuch“.

Nun zurück zu der Freischütz- Oper.
Am 10. Oktober 1816 hatte Carl Maria von Weber eine Begegnung mit dem Schriftsteller Johann Friedrich Kind in Dresden. Im Gespräch erinnerte sich Weber an eine Gespenstergeschichte und übertrug an Kinder die Aufgabe aus der Geschichte „Freischütz“, die in dem Gespensterbuch von Apel stand, einen Operntext zu erarbeiten. Nach einer Woche hatte Kind das Libretto fertig, doch erst 1821 erfolgte die Uraufführung des „Freischütz“ in Berlin.
Kind war vorsichtig und erwähnte den Namen „Freischütz“ nicht, sondern nannte die Oper „Der Probeschuß“, später
„Die Jägerbraut“ und gab den Urheber und die Quelle überhaupt nicht an. Als aber am 18. Juni 1821 die ersten Klänge der Ouvertüre in Berlin erklangen, blickten die Zuhörer schnell noch einmal auf den Programmzettel und lasen nun, daß dieser Text von Kind nach einer Erzählung von Johann August Apel verfaßt wurde. Auch der alte Titel „Der Freischütz“ kam wieder zur Anwendung.

Heinrich Kühne †

aus: Freiheit vom März 1985