Hochwassernöte und Dammarbeiten

Flyer – Bürgerinitiative Pro Elbe Lutherstadt Wittenberg – um 2000

In der Elbstraße markiert eine eingemauerte Steinkugel wahrscheinlich jenen Wasserstand, der im Jahre 1432 mit drei Ellen und einem Zoll am Elbtor der Stadtbefestigung erreicht wurde.
In deutschen Landen schwankte dieses ursprüngliche Maß territorial zwischen 54,7 cm und 83,3 cm;
1 Zoll war 1/12 Fuß, in Sachsen maß ein Fuß 28 cm.
Der Wasserstand betrug also an dieser Stelle, wenn die
jetzige Ummauerung exakt ist, ca. 2,00 m.

Im Jahre 1505 veränderte die Elbe nach weiteren Hochwassern ihren Lauf, der Hauptarm, der sich ursprünglich unmittelber vor
der Stadt befand, verlief nunmehr weiter südlich zwischen der Probstei und dem Fleischerwerder.

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Zu Beginn jenes Jahrhunderta gab es einen Elbdamm, der vom „Hohen Holz“, Gemarkung Pratau, sich über 3,5 Meilen bis zur Stadt Pretzsch erstreckte (1 sächsische Meile ca. 7.500 m). Für die beiden Teilstrecken des Dammes gab es für die Unterhaltung, die Pflege, den Bau und die Instandhaltung eine Aufteilung der Verantwortlichkeiten nach Kabellängen (1 Kabel = 185 m). Für den einen Teil ab Pratau bis Dabrun/Melzwig und den oberen Teil bis Pretzsch waren die beiden Städte Pretzsch und Kemberg so wie 24 Dörfer verantwortlich.
Die eingesetzten Deichmeister unterstanden der Oberaufsicht
des Wittenbergers Amtmanns und
„… so oft notdorft erfordert…“,
hatten von Ostern bis zur Getreideernte und nach deren Abschluß bis zum Winter in jeder Woche jeder einmal am Damm zu arbeiten, jeder Hüfer und alle Adligen der Elbaue, die ihre Fronbauern einsetzten u.a. auch der Probst von Kemberg.

Je Hufenanzahl waren ½ bis 1 Schock Reisigbunde
(1 Schock 60 Stück = 4 Mandeln)
von den Hufnern zu liefern und beim Dambau als Dammgerüst
zu verlegen.
(Im Mittelalter war die Hufe das Normalmaß für das Ackerland,
das für die Ernährung einer Familie notwendig war,
ca 7 bis zu 15 ha).
Die Besitzer von mehr als 600 Hufen waren zur ständigen Dammarbeit verpflichtet.
Um einen günstigen Schiffsweg zu schaffen, wurde dann in der
Folge im Jahre 1579 unterhalb von Wittenberg die Elbe durchstochen und eine große Schleife abgeriegelt.
Im Jahre 1594 vernichtete das Hochwasser bei Dabrun die
Saaten; es kam zum Tode von Menschen und der größte Teil
des Viehs ertrank.
1595 steht in der Eutzscher Kirche 4 Wochen lang 1 ½ Ellen
das Wasser hoch.
Bereits 4 Jahre später reißt wiederum bei Dabrun zweimal
der Elbdamm und die Uferbefestigungen werden fast völlig
zerstört.
Im Dreißigjährigen Krieg (nach 1637) vollenden der Eisgang und
das Hochwasser der Elbe das Werk des schwedischen Heeres,
das bereits einen Teil der hölzernen Elbbrücke durch Feuer vernichtet hatte.

Im Jahre 1655 steht das Hochwasser länger als einen Monat
auf den Feldern und Wiesen der Elbaue, es folgte im Sommer
eine Riesendürre, der noch im gleichen Jahr 2 weitere
Hochwasser folgten.
Für unser Heimatgebiete bedeutete das Hunger und Teuerung.
Die katastrophalen Überschwemmungen von 1771 und 1772 führten in der Stadt zu einer regelrechten Hungersnot.
Im Jahre 1784 erreichte des Hochwasser am Elbtor einen Höchststand von einer Elle und 17 Zoll.

Am 6. März 1806 retteten 6 Fischer aus der Wittenberger Fischer vor- stadt das Leben dreier Menschen aus dem Treibeis des reißenden Hoch- wassers.

Endlich erfolgte im Jahre 1842 dann die Regulierung der Elbe
durch den Bau von Buhnen, sie erhielt damit ihren heutigen Lauf
und trotzdem stand 1845 wiederum das Hochwasser am Elbtor
und Pretzsch, Kemberg und fast alle Auedörfer kämpften gegen
ein verheerendes Hochwasser.

Der Wittenberger Magistrat setzte Kähne ein, um die Not der Menschen in diesen Orten zu lindern, vor allem um die Brotversorgung zu sichern.
Endlich wird 1846, nach mehr als 4 Jahren Bauzeit, die erste steinerne Elbbrücke mit 270 m Länge und 8,15 m Breite vollendet. Nun wurde das Überqueren der Elbe zu jeder Zeit möglich.
Moderne Dammbauten nach exakten mathematischen Berechnungen und neueren Erfahrungen der späteren Jahre sowie neuere Elbregulierungen im Elboberlauf machten die Auedörfer bis heute Hochwasser sicherer.

Die umweltbewußten Bürger unserer Tage aber bangen um die Auwaldreste der Elbe, die noch artenreiche Tier- und Pflanzenwelt, eine Sanierung unseres Heimatstromes sollte unbedingt erfolgen, eine Kanalisation nicht.

Dr. Wolfgang Senst †

aus: Wittenberger Bürgergeschichte

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Die Elbe darf nicht gesteinigt werden
Offener Brief an den Bundeskanzler
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