Erste deutsche unterirdische Telegrafenleitung

Erste deutsche unterirdische Telegrafenleitung

Im Februar 1876 überschwemmte die EIbe, wie fast in jedem Jahr, das Gelände vor dem Elstertor.
Am 13. März des gleichen Jahres herrschte ein orkanartiger Sturm: ein Abschnitt des Eisenbahngleises zwischen dem Elb- und Schloßtor wurde unterspült und die 1859 fertiggestellte Telegrafenleitung zerstört.
Erstmals wurde in d er Folge in Deutschland eine Telegrafenleitung unter der Erde und ab 27. 4. 1876 auch die EIbe unterquerend gebaut.
Hierfür war die Verwendung von Guttapercha (Tabangummi) notwendig, das 1 843 aus Singapur nach Europa eingeführt wurde.
Guttapercha war ein Werks toff der viel seitig verwendbar war
(Sohlen, Messerhefte, Überzüge auf Walzen usw.), aber ein besonders große Bedeutung als Überzug für elektrische Leitungsdrähte errang, weil es undurchdringlich gegen Wasser und höchsten Widerstand gegen Alkohol, Laugen und Säuren bewies. Die Bauausführenden der ersten deutschen unterirdischen Telegrafenleitung Berlin – Wittenberg – Halle konnten sich auf die Erfahrungen in anderen Ländern stützen.
1850/51 gab es die ersten durch Guttapercha geschützten Telegrafenkabel zwischen England und Europa, bereits 1855 benutzten die kriegführenden Generale ein solches Kabel
(550 km Unterwasserkabel) zwischen Balakawa auf der Krim und Varna in Bulgarien.
1857/58 wurde ein 3800 km langes Kabel zwischen Irland/Europa und Neufundland/USA verlegt und bereits 1865/66 durch ein verbessertes ersetzt.
Noch 1804 brauchte man für jeden Buchstaben eine eigene Leitung, ab 1872 gab es bereits die Duplex-Telegrafie, Nachrichten konnten in entgegengesetzter Richtung über das gleiche Kabel übermittelt werden.
Ein Jahr später kam aus Frankreich die Mehrfachtelegrafie, mehrere Nachrichten konnten gleichzeitig in derselben Richtung durch einen Draht gesendet werden, auch zwischen Berlin – Wittenberg – Halle und umgekehrt.

aus: Wittenberger Bürgergeschichten

Dr. Wolfgang Senst †

1833 – Gauss und Weber erfinden Telegraphen

„Ew. Hochwohlgeboren beehre ich mich, gehorsamst anzuzeigen, dass ich, zum Zwecke einer wissenschaftlichen Untersuchung, einen doppelten Bindfaden von dem mir untergebenen physikalischen Kabinett auf den hiesigen Johannisthurm und von da weiter zur Sternwarte habe aufspannen lassen …“

Mit diesen höflichen Worten holte am 15. April 1833 der Göttinger Professor für Physik Wilhelm Weber – wohlgemerkt nachträglich – beim Göttinger Magistrat die Erlaubnis ein für ein „Unternehmen, welches nicht ohne Interesse für die Wissenschaft“ war, wie er betonte. Gemeinsam mit seinem weltberühmten Kollegen Carl Friedrich Gauß war es ihm gelungen, zwischen ihren beiden Arbeitsstätten, dem physikalischen Institut bei der Paulinerkirche und der Sternwarte an der Geismarer Chaussee, den ersten über längere Zeit funktionstüchtigen elektromagnetischen Telegraphen zu bauen – der Bindfaden war dafür selbstverständlich mit Draht umwickelt worden. Mit dieser und zahlreichen weiteren, bahnbrechenden Entdeckungen trugen Gauß und Weber entscheidend dazu bei, den Ruf der Göttinger Universität als Hochburg naturwissenschaftlicher Forschung zu begründen.

Wenn es ein Zufall war, dann ein höchst beziehungsreicher, dass im selben Jahr 1833 ein siebzehnjähriger Rabbinersohn aus Kassel nach Göttingen kam, um hier als Banklehrling zu arbeiten. Dieser Israel Beer Jopsephat sollte mit Hilfe der Gauß-Weberschen Erfindung Weltruhm erlangen, als er seit 1851 von London aus unter dem Namen Paul Julius Reuter eine weltumspannende Nachrichtenagentur aufbaute, die heute zu den einflussreichsten ihrer Branche gehört.

bearbeitet von Elke Hurdelbrink