Als die Wittenberger das Plätten erlernten

Als die Wittenbergerinnen das Plätten erlernten

Bügel – Werbung

Die Frau von heute kann sich nicht vorstellen, welche Mühe und Sorgfalt sie aufzubringen hatte, damit der Ehemann gut am Halse aussah. Man trug bei besonderen Anlässen oder auch sonst die Eckenkragen. Sie waren steif. Sie wurden,
so berichtet man, von einer Amerikanerin im 19. Jahrhundert erfunden.
Immer gab es Ärger, wenn der Hemdkragen vorzeitig schmutzig wurde, während die übrigen Hemdteile noch einigermaßen sauber blieben. Sie fertigte den steifen Ersatzkragen an und dazu gehörte der Kragenknopf.

Plätteisen

Dieser Eckenkragen wurde am Chemisett mittels des Knopfes befestigt. Es gab zwei verschiedene Typen: der Knopf am hinteren Hals, der Kragen und Chemisett festhielt, und der vordere Knopf mit der beweglichen Metallkuppe, der die beiden Kragenenden zusammenhielt. Der Ausdruck Chemisett kam aus dem Französischen und bedeutete Kragen, Hemd, Vorhemd. Kragen und Chemisett mussten geplättet werden. Ihre Steifheit erhielten sie durch das Einstärken. Ich entsinne mich, dass meine Mutter in jüngeren Jahren „Plättfräuleins“ hatte, die erlernten bei ihr das Plätten der Kragen und der Chemisetts. Letztere hatten von oben nach unten gehende Falten, die hochstehen mussten. Mittels eines Falzbeines, das war ein schmales, kurzes Stück aus Knochen, wurden die Streifen hochgezogen. Als Plätte benutzte man damals ähnlich der heutigen Form eine solche aus Eisen, die hinten eine Klappe hatte. Dahinein kam der glühende „Stahl“, der vorher in der Glut des Ofens vorbereitet wurde und die nötige Wärme zum Plätten dann hatte. Waren die jungen Bräute in dieser Arbeit fortgeschritten, so durften sie neben ihrem eigenen Bedarf auch die Kragen und Chemisetts der Kunden meiner Mutter plätten. Als Junge trug ich dann sauber verpackt und mit Steck¬nadeln zugemacht die Ware zu den Familien.

Aus: Wittenberger Geschichten Teil IV.

Nachtrag zur Geschichte:
Bereits die Wikinger sollen das Bügeln, bzw. Glätten von Stoffen durch glatte Steine praktiziert haben. Auch in anderen Kulturen fand man entsprechende Gegenstände. Bis in das 19. Jahrhundert hinein wurde eine ähnliche Technik in England verwendet. Nicht jeder konnte sich damals ein teures Metallbügeleisen leisten. Dies gab es im 19. Jahrhundert nachweislich schon. Allerdings waren diese relativ kompliziert. Die glatten Steine waren deutlich günstiger und einfacher einzusetzen.

von Heinrich Kühne †

Geschichte ausgesucht und ergänzt durch Elke Hurdelbrink.

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